BARB WIRE DOLLS - Gutgelaunte Punk-Queen macht keine Kompromisse


Seit einigen Jahren versuche ich, einen Gig der Barb Wire Dolls zu besuchen und jedesmal funkt ein anderer Termin dazwischen. Nun hat es endlich geklappt und zu meiner großen Freude darf ich sogar ein Interview mit Frontfrau Isis Queen machen. Da wird der alte Mann ganz weich in den Knien. Doch alles ist ganz easy und es entwickelt sich ein unterhaltsames Gespräch mit einer super sympathischen und charmanten Punk Queen, die ich zum Abschluss sogar für ein Foto auf Händen tragen darf. Aber lest selbst.

logoPistol: Hallo, oder besser gesagt Calispera und Herzlich Willkommen in Köln. Ich hoffe, ihr hattet eine gute Fahrt hierher.

Isis: Ja, die Fahrt war ok und die Tour war soweit gut.

Pistol: Ihr seid ja leider nur für einige Gigs hier. Warum geht ihr nicht auf eine längere Tour durch Deutschland oder Europa?

Isis: Die Tour wurde quasi in letzter Minute gebucht und es gab auch noch ein paar andere Gründe, weswegen wir diesmal nur kurz hier sein können. Aber wir werden bald wiederkommen.

Pistol: Im August habt ihr in Wacken gespielt, wahrscheinlich eines der größten Metal-Festivals der Welt. Sei ehrlich, wie war eure Erfahrung dort? Ehrlicherweise bin ich nicht wirklich ein Wacken-Fan.

Isis: Ich finde, es war fantastisch. Ein so großes Festival, das seit Jahren am gleichen Ort stattfindet und jedesmal ausverkauft ist, bedient ja wohl auch Fans und ist nicht nur eine große Gelddruckmaschine, wie das manch andere Festivals sein können. Sie gingen sehr auf das Publikum ein und für uns war es eine Ehre, dort auftreten zu können. Als Kreator vor einigen Jahren dort Headliner war, trug Mille dort unser T-Shirt auf der Bühne und jetzt waren wir da. Das war fantastisch.

Pistol: Ich denke, am Anfang ging es um den Kern von Metal, aber heutzutage scheint es doch ziemlich kommerziell zuzugehen.

Isis: Keine Ahnung, bevor Kreator unser Shirt dort getragen hat, hatte ich noch nie von Wacken gehört. Und aus diesen Gründen war es für uns einfach toll.

Pistol: Ich liebe es, mir Punk-Bands in kleineren Locations anzusehen, wie z.B. hier im Underground in Köln. Welche Art von Venue zieht ihr vor?

Isis: Ich liebe tatsächlich die größeren Bühnen. Auf der großen Bühne kann ich machen was ich will, bei den kleineren ist man näher am Publikum und bekommt eine andere Art von Energie. Bei großen Bühnen bekomme ich einen richtigen Kick und man kann als Künstler auch aus größerer Entfernung ins Publikum „springen“.

Pistol: Ihr habt euer Debut-Album 2012 veröffentlicht und jetzt ist euer zweites rausgekommen. Warum hat das so lange gedauert?

Isis: Bevor unser Album "Desperate" rauskam, waren wir ständig und ohne Unterbrechung in der Underground-Szene in den USA und Europa auf Tour. Wir mussten das aus finanziellen Gründen machen. Wir hatten einfach kein Geld aufzuhören und auch kein Geld, um ein Album aufzunehmen. Wir tourten und tourten und haben zwischendurch Demos aufgenommen. Aber wenn es um unsere Musik geht, sind wir kompromisslos. Entweder machen wir es richtig oder gar nicht. Als wir dann schließlich "Desperate" aufnahmen, haben die Leute uns geholfen und sehr unterstützt. Sie kannten unsere Situation, und ein Teil von dem zu sein, was die Barb Wire Dolls sind, war wichtiger für sie als das Geld.

Pistol: Ja ich habe beide Alben auf Vinyl und habe beim Crowdfunding mitgemacht.

Isis: Oh, das ist toll. Ja, die Fans haben es finanziert.

Pistol: Viele Punk- oder Metal-Fans sammeln Alben auf CD oder Vinyl. Ich habe eure beiden Alben auf Vinyl. Was ist euer liebstes Medium? Glaubst du, dass physische Medien eine Zukunft haben?

Isis: Ich finde es großartig, dass Vinyl ein Comeback hatte. Forschungen haben belegt, dass der Mensch von der CD, sagen wir mal so, viel wahrnehmen kann (Isis zeigt ca.10 cm) und Vinyl eine Kapazität von ungefähr so viel hat (zeigt einen halben Meter). Da ist so viel Energie drin. Wenn eine Schallplatte läuft, will man einfach nur zuhören und nichts anderes tun. Das vereinnahmt dich wie ein Film. Du schaust einfach nur zu. So ist es mit Vinyl auch. Es ist erwiesen, dass die CD nur einen Teil dessen wiedergibt, was wir wahrnehmen können, und so ist die Wirkung, die die Musik haben kann, was sie dir wirklich geben kann, einfach geringer. Digital aufnehmen und konsumieren verringert meiner Ansicht nach den Wert der Musik. Wir haben unsere Alben erst mal auf Band aufgenommen. Das übermittelt dann auch die Energie, die die Musik haben sollte. Wir machen da keine Kompromisse.

Pistol: Ja, heutzutage konsumieren die Leute ihre MP3 Files und das ist es dann.

Isis: Ja, so ist das heute. Leute konsumieren und wissen nicht mehr zu schätzen, was sie da konsumieren. Aber es gibt da draußen immer noch die Musikliebhaber, die verstehen, dass wir alle Musik sind und Musik Leidenschaft ist. Menschen mit Musik im Leben haben viel mehr Leidenschaft und haben mehr von ihrem Leben.

Pistol: Nun zu einer Frage, die man dir wahrscheinlich schon oft gestellt hat. Ich weiß, dass es in Griechenland viele Metal-Bands gibt, aber wie steht’s mit einer Punk-Szene aus?

Isis: Als wir mit der Band anfingen, gab es absolut keine Punk-Szene. Einige in der Szene bekannte Punk-Bands, wie z.B. Panx Romana (griechische Punkband) und einige andere gab es in den Siebzigern, aber in der Zeit, als wir anfingen, 2008 bis 2010,  gab es auf Kreta überhaupt keine Szene. Wir mussten unsere eigene Szene aufbauen. Für die Venues dort waren wir einfach zu laut. Also mussten wir nach Athen, nur um zu erfahren, dass es auch dort keine Punk-Szene gab und sich dort niemand für Punk interessierte. Also erschufen wir unsere eigene Szene, indem wir sonntagmorgens in einer Bar Gratis-Konzerte gaben, was uns dann letztlich ermöglichte, wann immer und mit welcher Band auch immer wir wollten, auftreten zu können. Heute gibt es viele Bands, die genauer aus dieser Szene gewachsen sind. Viele haben gesehen, welchen Erfolg man haben kann, wenn man so diszipliniert tourt wie wir. Einige sind auch in die Staaten gegangen oder haben in Europa getourt, wogegen wir damals die erste griechische Rockband waren, die dort auf Tour war. Wenn es um Metal geht, haben wir in Griechenland natürlich eine tolle Szene und auch eine gute Garage-Rock-Szene.

barb wire dollsPistol: Wie hast du rausgefunden, dass Musikmachen dein Ding ist?

Isis: Ich habe mir dreimal hintereinander "The Song Remains The Same" von Led Zeppelin angesehen, und das ist immerhin ein zweistündiger Film. Das hat mich vollkommen überrollt. Ich war so davon eingenommen und überwältigt, dass ich mich sofort einem Kumpel aus der Ikarus Künstlerkommune auf Kreta gemeldet habe und gesagt habe: „Das will ich machen. Ich will singen.“ Er hat mir gesagt, dass er aber keine Led Zeppelin Songs schreiben könnte. Also haben wir eine Punkband gegründet, was auch logisch war, da ich ohnehin ein Fan des frühen Punk Rocks bin.

Pistol: In Skandinavien spielen die meisten Künstler in mehreren Bands, um von der Musik leben zu können. Könnt ihr davon leben, Musik zu machen?

Isis: Ich denke, alles ist möglich. Wir können von unserer Musik leben, weil wir wie in einer Kommune leben. Wir teilen alles, haben aber kein Geld für Urlaub oder Extras. Es ist einerseits schwierig, aber auch großartig, als DIY-Band zu leben. Wir buchen unsere Gigs selber, schlafen irgendwo auf der Couch und die Fans tun alles für uns. Und die Groupies 2016 sind tatsächlich Fans. Wir haben viel opfern müssen, um als Punkband im DIY System überleben zu können. Selbst bekanntere Bands können kaum noch von der Musik leben, weil die Ausgaben so hoch sind. Viele geben auf, weil es ihnen zu hart ist oder warum auch immer. Aber wenn man etwas von ganzem Herzen will, dann kann man es schaffen.

Pistol: Ja, wir kennen die Ladies von Girlschool und die mussten bei der letzten Tour mit ein paar Euro pro Tag durchkommen.

Isis: Ja, aber schau sie dir an: Sie machen weiter, weil sie an das glauben, was sie tun und es auch zu schätzen wissen, und das ist der Schlüssel zu allem. Es gibt Bands, die machen ganz gut Geld, sind aber nur Eintagsfliegen. Sie werden von großen Labels gepusht, sind zwei oder drei Jahre populär, und dann verschwinden sie wieder, weil es keine Unterstützung durch die Fans gibt, keine Authentizität. Sie sind nicht echt, nur schnelles Geld – Eintagsfliegen eben.

Pistol: Ihr seid beim Motörhead-Label unter Vertrag. Gibt es etwas Besonderes bei diesem Label? Wie habt ihr Lemmy erlebt?

Isis: Natürlich ist das das coolste Label der Welt (lacht). Wenn man als Band nicht bei Motörhead Music sein will, ist man nicht Rock ’n’ Roll. Lemmy ist Gott. Er hat uns auf die nächste Stufe gebracht. Er sah unser Potential und glaubte an uns. Er sagte uns, dass wir uns für niemanden ändern sollen. Und das ist ja auch, warum wir immer eine DIY-Band waren. Am Anfang wollten uns auch große Label unter Vertrag nehmen. Sie wollten uns verändern, dass wir so werden wie Paramore. Kommerziell ist ja ganz gut, aber nur unter den eigenen Regeln. Erstmal muss man doch einen Grund haben, um überhaupt Musik zu machen. Und für uns war das, die reine Kunst uns ausdrücken zu können und nicht die Marionette für jemand anderen zu sein. Als Lemmy kam und sagte, dass er an das glaubt, was wir machen und uns Teil von dem werden lassen will, was er macht, dann ist das das größte Kompliment, das jemand in der Rock ’n’ Roll Welt bekommen kann. Dafür ehren wir ihn und für alles, was er in der Musikwelt gemacht hat. Er half uns und dafür zollen wir ihm unseren Respekt.

Pistol: Wir sahen Lemmy letzten Herbst in Düsseldorf und waren traurig und schockiert. Wir sind nach der Hälfte der Show mit Tränen in den Augen aus der Halle gegangen.

Isis: Ich habe ihn letztes Jahr gesehen und er erschien alt und gezeichnet, aber als er dann mit der Zigarette im Mund auf der Bühne stand, war er wieder Lemmy Kilmister. Ich dachte damals, er hat bestimmt noch gute fünf Jahre vor sich, trotz seiner Erkrankung. Weniger als fünf Monate später war er dann tot. Der Grund, warum er so großartig war, ist, dass er verstanden hatte, worum es eigentlich geht als Musiker und als Mensch, nicht nur im Rock ’n’ Roll, sondern wie man sich anderen gegenüber ganz allgemein verhält, wie man sich als Künstler und als menschliches Wesen ausdrückt. Er war authentisch und wahrhaft. Jeder muss mal gehen, aber wenigstens hat er gelebt für uns.

Pistol: Isis, jetzt eine Frage speziell zu deiner Person. Journalisten sagen oft, dass du wie eine Mischung aus Debbie Harry und Doro bist, aber ich finde deine Performance und dein Stil sind viel näher an Wendy O Williams (Plasmatics, US Rockband aus den Siebzigern). Die Kraft und der Druck auf der Bühne überwältigt das Publikum und natürlich eure Texte.

Isis: Vielen Dank, das weiß ich zu schätzen. Alle drei sind großartig, in dem was sie tun und nur mit einer von ihnen verglichen zu werden, ist schon eine Ehre. Aber ich möchte nicht wie irgendwer sonst sein. Aber man versucht, Frauen zu vergleichen, mit denen, die man kennt, und das ist auch in Ordnung.

Pistol: Manchmal ist das Touren doch sehr stressig, wenn man im Nightliner oder eher billigen Hotels übernachtet und kaum etwas von der Stadt sieht, in der man spielt. Viele Bands spielen viele Gigs hintereinander ohne Off-Days. Wie gefällt dir das Leben auf Tour?

Isis: Ich liebe es auf Tour zu sein. Würde ich nicht touren, wäre ich entweder tot oder im Gefängnis und touren ist besser als beide Alternativen, hahaha!

Pistol: Arbeitet ihr während der Touren an neuen Songs oder nur im Studio oder während der Proben?

Isis: Die Songs entstehen in jedem Augenblick. Dinge passieren und man nimmt sie auf; die Songs kommen, wenn sie kommen sollen. Wie haben uns noch nie hingesetzt und gesagt: „So, jetzt müssen wir einen Song schreiben.“ Ein Song kann in jedem Augenblick entstehen, selbst jetzt.

barb wire dollsPistol: Wann können wir denn das nächste Album erwarten?

Isis: Nächstes Jahr, ganz sicher. Durch die Zeit von vier Jahren zwischen "Slit" und "Desperate" hat sich so viel angesammelt, das raus will. Da kommt noch ganz viel Musik.

Pistol: Welche Frage, die dir noch nie jemand gestellt hat, würdest du gerne mal beantworten?

Isis: Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Eigentlich bin ich froh, dass ich mehr oder weniger auf die Fragen, die mir die Journalisten stellen, vorbereitet bin und fühle mich damit auch ganz wohl, weil es ja immer um das geht, was ich über uns und unsere Musik mitteilen will, und nicht um so einen Quatsch wie "Was ist deine Lieblingsfarbe?", was sowieso niemanden interessiert.

Pistol: Gibt es eine Message von den Barb Wire Dolls an die Leser von CROSSFIRE?

Isis: Oh ja, die gibt es. Benutzt eure Stimmen! Vertretet eure Meinung! Wenn es etwas in eurem Leben gibt, das ihr erreichen wollt, geht es an und tut euer Bestes, das zu erreichen. Es gibt keine Entschuldigungen, keine Ausreden, nehmt euer Leben in eure Hand. Das ist das Leben, das es zu leben gilt. Ihr habt die Kraft dazu in euch; das ist die Wahrheit. Take it to the man with the beat, never look back on that one way street. We’ll see you in the pit.

Pistol: Äfcharisto (Dankeschön auf Griechisch), und danke, dass du im Interview so offen warst.

Isis: Parakalo (Bitteschön auf Griechisch). Es war mir ein Vergnügen.



Autor: Pistol Schmidt