INQUISITION, ROTTING CHRIST, MYSTIFIER, SCHAMMASCH

Bochum, Matrix, 11.11.2016

Bereits seit einem halben Jahr ist diese Tour angekündigt, die mit Inquisition aus Kolumbien, Rotting Christ aus Griechenland und Mystifier aus Brasilien gleich drei alte Kulthorden mit Exotenbonus vorweist, die seit Ende der Achtziger wichtiger Teil der alten Black Metal-Welle sind. Als junger Support sind als vierte Band die Schweizer Avantgarde Black Metaller Schammasch mit dabei, die bereits drei sehr guten Alben-Kritiken von drei verschiedenen CROSSFIRE-Schreibern bekommen haben. Leider müssen sie pünktlich zum Einlass anfangen, so dass sie bereits fertig waren, als die Redaktion vom Bierstand aus die Konzerthalle enterte.

 

mystifierMystifier machen gerade Soundcheck und geben sich damit zufrieden. Bei den ersten Klängen ist das jedoch nicht nachvollziehbar, denn es herrscht ein wirrer Soundbrei. Der Gesang ist zunächst gar nicht zu hören. Dies ändert sich aber zum Glück bis zum zweiten Track „Osculum Obscenum“ vom 1992 erschienen Debüt „Wicca“. Rein äußerlich könnten sich die drei Brasilianer kaum mehr voneinander unterscheiden. Schlagzeuger Jhoni Apollyon, der erst seit diesem Jahr dabei ist, kurzhaarig und viel jünger als der Rest der Band, sitzt kerzengerade und kaum beweglich hinter seinem Kit, verdrischt es aber mit beängstigender Präzision. Der dunkelhäutige Gitarrist Armando Beelzeebubth, der als Einziger noch von der Urbesetzung mit dabei ist, sieht mit seiner Sonnenbrille aus wie ein mit einem Blasphemy-Shirt bekleideter und Nieten übersäter Ray Charles. Lediglich Bassist und Sänger Diego Araújo, der zwischendurch auch immer ein Miniatur-Keyboard für Intros und ein paar Zwischentöne benutzt, sieht aus wie der typische War Black Metaller. Als einziger dämonisch geschminkt, mit seinen Grimassen und der ständig wiederkehrenden, diabolischen, Lache wirkt er richtig böse und drückt der Musik den richtigen Stempel auf. Man nimmt ihm alles ab. Musikalisch gibt es nichts auszusetzen. Es gibt jeweils drei Songs von den ersten beiden Alben, die bis heute als ihre mit Abstand besten gelten: das bereits erwähnte „Osculum Obscenum“, „Cursed Excruciation“ und „Defloration (The Antichrist Lives)“ vom Debüt „Wicca“ (1992) sowie „An Elizabethan Devil-Worshipper´s Prayer-Book“, „The Realm Of Antichristus“ und „The True Story About Dr. Faust´s Pact With Mephistopheles“ vom zweiten Album „Göetia“ von 1993. Lediglich der Opener „The Almighty Satanas“ ist von keinem der beiden Alben und dem Schreiber auch nicht bekannt. In der Mitte des Sets erzählt Gitarrist Armando Beelzeebubth von seinem Blasphemy-Shirt und einem Tribut an alte Kultohorden, es wird jedoch „Nightmare“ von Sarcofago und nicht etwa etwas von Blasphemy gecovert. Sowohl Sarcofago als auch Mystifier stammen aus Brasilien und fingen etwa zeitgleich an. Somit überrascht die musikalische Verwandtschaft beider Rumpelhorden auch nicht sonderlich. Es gibt zahlreiches Posieren der beiden Vorderleute und die eine oder andere schwer verständliche Ansage in holprigem Englisch, was dem Fanatismus aber keinen Abbruch gibt. Trotz teilweise schlechtem Sound machen Mystifier live richtig Bock. Die Reaktionen des Publikums überwältigen die Band merklich. Hoffentlich kommen sie bald wieder in deutsche Hallen. Denn hier finden sie viel Zuspruch.

 

rotting christRotting Christ kommen nicht allzu oft nach Deutschland. Demensprechend hoch ist auch heute meine Vorfreude, eine meiner absoluten Lieblingsbands wiederzusehen. Live sind die Griechen ganz anders als auf Platte. Die Epik der Alben weicht live einer viel räudigeren, erdigeren Seite. Das merkt man direkt nach dem düsteren, gesampelten Diamanda Galas-Intro „Orders From The Dead“. Das megaschleppende „Ze Nigmar“ vom neuen Epos „Rituals“ klingt irgendwie leer ohne das atmosphärische Drumherum. Gesampelt wird aber danach, und zwar reichlich. „Kata Ton Demona Eautou“ und das düstere „Athanati  Este“ folgen. Das Keyboard kommt vom Band, die mystischen Chöre der Alben fehlen aber leider völlig. Dadurch klingen Rotting Christ zwar live brutaler und bringen eine ganze Menge Heavy Metal-Attitüde rüber, wirken aber stellenweise etwas steril. Am auffälligsten ist dies bei „Elthe Kyrie“ vom neuen Album, bei dem eine Frau scheinbar nicht im Takt die Strophen brüllt. Hier posiert und bangt die Band instrumental wie Sau, während das Gekeife vom Band kommt und irgendwie seltsam wirkt. Lediglich beim Refrain übernimmt Sakis Tolis den Posten am Mikrofon. Doch danach ist die Band warm. „Apage Satana“ mit seinen Kriegstrommeln und gesprochenen Passagen und den drei vorne postierten Musikern in Gebetshaltung strahlen wahre Ehrfurcht und Boshaftigkeit aus. Hier wird unmissverständlich klar, dass Rotting Christ ihre satanische Einstellung nie abgelegt und sich selbst nie verraten haben. Danach gibt es endlich auch zwei alte Klassiker: „The Sign Of Evil Existence“ vom legendären Debüt „Thy Mighty Contract“ und „The Forest Of N´Gai“ von der 1991 erschienenen Mini-LP „Passage To Arcturo“. Danach gibt es überraschend das thrashige „Societas Satanas“ von Thou Art Lord, einem Nebenprojekt von Sänger und Gitarrist Sakis Tolis, der neben seinem Bruder, Schlagzeuger Themis Tolis, das bis heute verbliebene Urmitglied von Rotting Christ ist. Die Meute wird vorher aufgerufen, einen Circle Pit zu veranstalten und tatsächlich bebt die Halle auf einmal. Diese Stimmung zieht sich bis zum Schluss der Show. Vom vorletzten Album „Kata Ton Demona Eautou“ gibt es noch zwei Songs auf die Löffel, „In Yumen - Xibalba“ und „Grandis Spiritus Diavolos“, bevor das Publikum mit „Noctis Era“ vom 2010er Album „Aealo“ inklusive Mitgrölpart gibt, der sogar Erinnerungen an Livescheiben von Iron Maiden weckt. Von meinem Lieblingsalbum „Non Serviam“, von dem sie sonst immer zumindest den Titeltrack zocken, spielen sie heute leider gar nichts. Rotting Christ bangen, animieren das Publikum und zeigen einmal mehr, dass sie eine hervorragende Live-Band sind, die viel tourt, sehr gut aufeinander eingespielt ist und richtig Bock hat, auf der Bühne zu stehen. Da verzeiht man ihnen auch die zahlreichen Samples.

 

inquisitionDer Headliner des heutigen Abends sind Inquisition. Gründungsmitglied Dagon ist Kolumbianer und 1996 in die USA ausgewandert. Seitdem ist auch Schlagzeuger Incubus mit an Bord. Auf einen Bassisten verzichten sie bereits seit 1998 völlig. Und was sie daraus machen, ist live immer wieder beeindruckend. Dass der Bass fehlt, merkt man nicht. Natürlich hat Dagon als einziger Mann vorm Schlagzeug ganz viel Platz auf der Bühne und nutzt diesen auch ausgiebig, doch beim Sound bemerkt man keinen Unterschied. Die Gitarre klingt voll und satt, das Schlagzeug ist auch bei höchsten Geschwindigkeiten, von denen es bei Inquisition einige gibt, immer transparent und druckvoll. Vor allem bei dem schnellen Zeug gibt es in der Menge kein Halten mehr. Immer, wenn das Gaspedal durchgetreten wird, geht auch die Nebelmaschine los und sorgt für Düsternis, die perfekt zur dargebotenen Musik passt. Der Opener des neuen Albums „Bloodshed Across The Empyrean Altar Beyond The Celestial Zenith”, “From Chaos They Came”, eröffnet den diabolischen Reigen. Weiter geht es mit “Ancient Monumental War Hymn” vom 2007 erschienenen “Nefarious Dismal Orations“-Album. Auch mit „Hymn For A Dead Star“ und „Desolate Funeral Chant“ gibt es zwei Songs neueren Datums, nämlich von 2011. „Infinite Interstellar Genocide“ ist auf dem letzten Album „Obscure Verses For The Multiverse“ von 2013 zu finden. Danach sorgt ein Outro für eine erste Verschnaufpause, bevor es mit „Vortex From The Celestial Flying Throne Of Storms“ vom neuen Album weitergeht. Dann gehen Inquisition mit „Dark Mutilation Rites“ zurück ins Jahr 2004. Nach einem erneuten, viel zu langen Zwischen-Intro ertönt mit „Embraced By The Unholy Powers Of Death And Destruction“ endlich der erste (und auch einzige) ältere Klassiker ihres zweiten Albums „Invoking The Majestic Throne Of Satan“. Mit “Command The Dark Crown” und “Astral Path To Supreme Majesties” gibt es wieder zwei neuere Knaller vom “Ominous Doctrines…“-Album, mit „Master Of The Cosmological Black Cauldron” wieder einen von “Obscure Verses Of The Multiverse”. Am Ende ballern sich Inquisition noch durch den neuen Track “A Magnificient Crypt Of Stars“, bevor das Outro das völlig erschöpfte Publikum nach Hause, an die Theke und in die nachfolgende Disco entlässt. Die Show von Inquisition ist erdrückend und schweißtreibend. Vom Debüt-Album „Into The Infernal Regions Of The Ancient Cult“ gibt es heute leider gar nichts zu hören, dafür gibt es aber eine gute Übersicht quer durch die sechs Alben danach, was auch mal eine schöne Abwechslung ist. Denn Inquisition wird zwar oft nachgesagt, dass alle ihre Alben gleich klingen, dennoch wartet man aber meistens doch nur die alten Songs. Unterm Strich kann man von einer gelungenen Veranstaltung sprechen. Alle Bands haben bewiesen, warum sie schon lange im Geschäft sind, und dass sie auch heute noch Daseinsberechtigung haben. Der Sound in der Matrix ist auch heute stellenweise chaotisch, wenn auch schon deutlich besser als in der Vergangenheit. Letztendlich gehen aber nur fröhliche Gesichter nach Hause, und das ist die Hauptsache.



Autor: Daniel Müller - Pics: Daniel Müller