SPIRITBELL - Ehrlichkeit auf Ungarisch


Mit Spiritbell aus Ungarn taucht endlich mal eine recht junge Band aus dem Nichts auf, die traditionellen Metal spielt, ohne bloß die alten Helden stumpf zu kopieren. Durch ihre Mischung aus harten Riffs, doomiger Schwermütigkeit und rauem, aber stets melodischem Gesang schaffen sie sich eine eigene Nische. Dass sie bereits mehrfach Cirith Ungol gecovert haben, ohne wirklich wie sie zu klingen, macht sie auch für Kauzmetaller zunehmend interessant. Allzu rosig war die Vergangenheit von Spiritbell jedoch nicht. Nun sind die Fronten allerdings endlich geklärt. Sänger Sándor „Pixi“ Patak ließ die komplette Bandgeschichte noch einmal Revue passieren.

logoDaniel: Hi Sándor! Bitte erzähl uns doch zunächst etwas über die Entstehung, den Werdegang und die Veröffentlichungen von Spiritbell! Wie kam der Stein ins Rollen?

Sándor: Seid gegrüßt, Daniel und alle Metalheads weltweit! Wir starteten 2010, nachdem wir beschlossen hatten, unter unsere Accept-Coverband Aiming High einen Schlussstrich zu ziehen. Wir wollten halt auch eigene Songs spielen und nicht bloß covern. Wir haben dann ein paar Eigenpressungen rausgebracht: „Spiritbell” (Demo 2011), „Stay True!” (EP 2012), „When Silence Meets The Dark” (Demo-Album 2012), „True Spirit Carries On” (Cover-Album 2012) und „Breath Of The Raven” (Maxi 2013). Danach wollten Gitarrist Zoltán Márkó und die anderen Bandmitglieder, Bassist Csaba Golyák und Schlagzeuger Ákos Heil, eine komplett andere Band mit Doom-Einflüssen und einem anderen Sänger gründen. Diese kam aber nie zustande. Spiritbell lagen zu der Zeit jedoch auf Eis. Ich war allerdings nicht faul, da mir Musik im Blut liegt, gründete eine neue Band mit dem Namen Moonriver mit András Sovány, einem guten Freund von mir. In dieser Band singe ich auf Ungarisch. Die Zeit verging und ich wurde immer wieder nach Spiritbell gefragt, da wir zuvor ein Album angekündigt hatten. Also kontaktierte ich Anfang 2016 wieder Zoltán Márkó und fragte ihn, ob es möglich wäre, das Spiritbell-Album noch fertigzustellen. Er meinte, wenn ich mich mit seiner alten Musik, für die er keinen geeigneten Sänger gefunden hatte, auseinandersetzen wolle, hätte ich freie Hand. Und so nutzte ich diese Gelegenheit, haha!

Daniel: Hattet ihr zuvor schon in anderen Bands gespielt?

Sándor: Wir waren vorher in ein paar kleineren Bands und Projekten involviert. Lediglich unser Bassist Csaba Golyák war vorher schon bekannter in der Szene und hat in den Metalbands Morris, Halley und Algernon in den Achtzigern und Neunzigern gespielt. Morris war eine sehr gute Band, die in den Achtzigern zwei Demos veröffentlicht hat und in Ungarn Kultstatus genießt. 

Daniel: Woher stammt der Name Spiritbell eigentlich? Ist er von einem Autor, Buch, Film oder Ähnliches inspiriert?

Sándor: Der Name kam mir einfach in den Sinn, hat aber keine tiefere Bedeutung und verfolgt auch kein bestimmtes Konzept. Er klang für mich einfach gut. Wenn ich jedoch auf mein bisheriges Leben zurückblicke, dann ist dies schon der passendste Name. Ich höre diese Geisterglocken einfach viel zu oft.

Daniel: Ich finde, dass ihr einen sehr eigenständigen Sound habt, der sich nur schwierig mit anderen Bands vergleichen lässt. Welche Bands zählen denn überhaupt zu euren Haupteinflüssen? 

Sándor: Wenn du das wirklich Ernst meinst, dann danke ich dir sehr! Zoltán Márkó und ich sind die Hauptsongschreiber bei uns. Zoltáns Haupteinflüsse sind Trouble, Candlemass, Iced Earth, Iron Maiden, Black Sabbath und Cirith Ungol. Als Sänger mag ich am liebsten vor allem Rob Halford, Midnight (Crimson Glory, R.I.P.), David Wayne (Metal Church, R.I.P.), King Diamond und viele andere.

Daniel: Ich habe mich darüber gewundert, dass ihr bislang zwei Cirith Ungol-Songs gecovert habt, „Frost And Fire” und „Doomed Planet”, obwohl ihr eigentlich gar nicht wie Cirith Ungol klingt. Also erzähl doch mal etwas über eure Vorliebe zu Cirith Ungol und wie es zu diesen beiden Coversongs kam!  

Sándor: Damit hast du nur fast recht, denn eigentlich waren es sogar schon drei: Wir haben auch noch „I’m Alive“ auf unserem Cover-Album „True Spirit Carries On” gehabt, haha! Aber du hast recht: Wir klingen tatsächlich nicht wirklich wie Cirith Ungol eigentlich, obwohl wir die Band lieben und respektieren!

Daniel: Wovon handeln eure Texte? Geht es nur um die Erfüllung der üblichen Metal-Klischees oder steckt mehr dahinter?

Sándor: Ich versuche immer, mit meinen Texten die Atmosphäre von Zoltans Musik einzufangen. Es endet letztendlich zwar immer darin, über Klischees zu schreiben, aber das stört mich auch nicht sonderlich, haha! Ich muss nicht immer viel nachdenken und über alles philosophieren. Und ja, meine Texte beinhalten einige Botschaften. Wenn jemand etwas darüber herausfinden will, dann muss er jedoch zwischen den Zeilen lesen. 

Daniel: Die meisten ungarischen Metalbands singen in ihrer Landessprache, ihr jedoch nicht (bis auf eine mir bekannte Ausnahme). Warum eigentlich nicht?

Sándor: Auf der „Stay True” EP hatten wir ein paar ungarische Songs, aber die Leute wollten irgendwie nicht, dass wir auf Ungarisch singen, und wir wollten ihnen nichts aufzwingen. Wenn ein Metalhead die Texte verstehen will, dann kann er sie ja immer noch übersetzen. Heutzutage ist das, glaube ich, kein Problem mehr.  

Daniel: Dann lass uns mal über die einzige, mir bekannte Ausnahme reden: “Horgonyl Fel!” von eurem neuen Album „Guided By Evil Light“. Warum hat dieser einen ungarischen Text? Und worum geht es da genau?

Sándor: Witches Brew wollten unbedingt einen ungarischen Song auf der “Guided By Evil Light” CD haben. Das war der einzige Grund. Dabei handelt es sich um einen lustigen Piratensong, der nicht wirklich ernst gemeint ist, haha!

Daniel: Werdet ihr in Zukunft wieder vermehrt auf ungarische Texte zurückgreifen? Oder war das ein einmaliges Experiment?

Sándor: Das kann ich dir nicht sagen. Aber wer weiß? Ich schreibe ja für meine andere Band Moonriver auch immer ungarische Texte. Es könnte also sein, dass dies auch bei Spiritbell mal wieder der Fall sein wird.  

Daniel: Ist die englische Sprache eigentlich immer noch ein so großes Problem in Ungarn wie früher?

Sándor: So wie ich das sehe, ist Ungarn in dieser Hinsicht immer noch sehr speziell. Die meisten Leute hören auch heute noch ausschließlich Bands mit ungarischen Texten; nur wenige Leute Bands mit englischen. Aber das ist hier nicht das Hauptproblem. Wenn ich dir sage, dass Ungarn nicht gerade eine Metal-Hochburg ist, dann kannst du dir den Rest ja denken.  

Daniel: Ich habe auf eurer Bandcamp-Seite gelesen, dass „Guided By The Light” euer offizielles Debüt sein soll. Bei Metal Archives ist jedoch „When Silence Meets The Dark” als euer erstes Album angegeben. Handelt es sich bei „When Silence Meets The Dark” demnach überhaupt um ein richtiges Album?

Sándor: 2012 sind wir viel zu voreilig an die Sache herangegangen. Wir haben innerhalb von nur einem Jahr drei Veröffentlichungen rausgehauen und glaubten, dass wir ein Debüt mit einem Sound hatten, der eigentlich gut genug war. Aber wenn du dir „When The Silence Meets The Dark“ mal anhörst, dann hat es eigentlich nicht mehr als nur Demoqualität. Unser legendärer Fußballer Ferenc Puskás sagte mal: “Wenig Geld – wenig Fußball”, haha!

Daniel: Kann man eure alten Aufnahmen denn heute überhaupt noch bekommen? Sind sie alle noch erhältlich?

Sándor: Wenn sie sich jemand anhören will, dann kann er uns gerne eine E-Mail schreiben!

Daniel: Ihr seid bei dem deutschen Label Witches Brew Records unter Vertrag. Wie seid ihr mit ihnen in Kontakt gekommen?

Sándor: Wir sind Zoltán Papi, dem Gründer und Inhaber des ungarischen Burning Sun Fanzines, sehr dankbar, denn seine Promotion ermöglichte der Band das Angebot von Witches Brew. Er kniet sich für uns rein wie ein richtiger Manager. Ich kann ihm nicht genug dafür danken! 

Daniel: Ich finde das Albumcover voll geil! Wer hat es gemalt? Und wie seid ihr mit dem Künstler in Kontakt gekommen?

Sándor: Sein Name ist Armand György Szabó, der auf derselben Kunstschule war wie Gyula Havancsák, der schon Cover für Annihilator, Kreator, Grave Digger usw. verziert hat. Er ist ein wahrer Metal Maniac und ein sehr talentierter Künstler. Das Bandlogo, das wir benutzten, stammt von Péter Polgár. Er ist ein sehr bekannter Fotograf in Ungarn und ebenfalls ein richtiger Metalhead.

Daniel: Bei Metal Archives steht, dass es bei Spiritbell zwischen 2013 und 2014 ein Jahr Funkstille gab. Was war da los? Und wie kam es, dass ihr dann doch wieder zusammen gefunden habt?

Sándor: Ich weiß nicht so recht, woher diese Information stammt, denn eigentlich hat diese “Pause” sogar ganze drei Jahre gedauert! Dieses Album ist eigentlich aus der einen EP hervorgegangen, die wir damals nicht fertiggestellt hatten. Dieses Mal haben wir im heimischen Studio von András Sovány aufgenommen, der in meiner anderen Band Moonriver Gitarre spielt. Nachdem ich den Vertrag bei Witches Brew unterzeichnet hatte, redeten wir über die Zukunft der Band. Alle Bandmitglieder leben mittlerweile in anderen Städten, also mussten wir etwas mehr planen. Aber wir sind uns einig, dass es so mit der Band weiter gehen kann. Eines steht jedenfalls fest: Zoltán und ich schreiben weiterhin eifrig neue Songs. Von jetzt an bin ich der Kapitän an Bord und er ist der erste Offizier. Es ist keine gute Idee, mit ein und demselben Schiff zeitgleich in zwei verschiedene Richtungen zu fahren, so wie das bei uns früher einmal der Fall war.  

Daniel: Spielt ihr eigentlich auch live? Und gibt es schon Pläne für Auftritte in Deutschland in absehbarer Zeit? 

Sándor: Wir haben mit Spiritbell bislang erst zwei Konzerte gespielt, aber wie gesagt: Leider ist Ungarn kein guter Ort für richtigen Metal. Aber wir versuchen wieder, eine richtige Band zu sein und werden sicherlich auch bald wieder Konzerte spielen.

Daniel: Bitte lass uns auch noch kurz über die ungarische Metalszene reden, ja? Denn ich bin ein großer Fan von Bands wie Pokolgép, Kalapács, Ossian, Szfinx, Falanx, Rotor, Omen, Stress, Obstruction, Akela, Pandora´s Box, Sámán, Seneca, Mamut, Crossholder, Rebel, Words Of Blood und vielen anderen. Seid ihr mit einigen dieser Bands in Kontakt? Habt ihr vielleicht auch mal bei ihnen im Vorprogramm gespielt? Und gibt es noch andere coole Bands aus eurem Land, die du uns weiter empfehlen kannst?   

Sándor: Heutzutage befindet sich der ungarische Heavy Metal immer noch in Kinderschuhen. Aber die besten Bands, die du auch schon erwähnt hast, sind noch am Start und machen ihre Sache gut; jedenfalls die meisten. Mit Moonriver haben wir ein paar Male mit Joe Rudans Band gespielt, der früher unter anderem bei Pokolgép und P. Mobil gesungen hat. Und die älteren Musiker aus unserer Gegend kennen wir natürlich auch. Es gibt aber auch ein paar junge, neue Bands bei uns, die ziemlich gut sind, z. B. die Piraten Metalband Rumproof aus Pécs und die Thrash Metal-Band Inhalator aus Győr sowie Mörbid Carnage aus Szeged. Sie spielen richtig geilen Thrash im alten deutschen Stil. Ihr solltet sie euch anhören! Hier sind noch ein paar Namen von alten und neuen Bands, die ebenfalls sehr gut sind: Morris, Halley, Algernon, Nevergreen, Perfect Simmetry, Mood, Wall Of Sleep, Barbears, Hot Beaver, Stardust und die ungarischen Black Metal-Götter Bornholm.

Daniel: Wenn jetzt, nach Lesen dieses Interviews, jemand an all eurem Zeug interessiert ist, wie kann er zu euch Kontakt aufnehmen?

Sándor: Jeder kann Spiritbell oder mich persönlich bei Facebook finden oder eine E-Mail an spiritbellhungary@gmail.com schreiben. Unser Zeug könnt ihr auf unserer Bandcamp-Seite bekommen, sowohl digital als auch in physischem Format! 

Daniel: Wie sehen denn die Zukunftspläne von Spiritbell aus?

Sándor: In diesen seltsamen Zeiten am Leben zu bleiben und laute und ehrliche Musik zu spielen! Nein, ich bin nicht Joey DeMaio. Ich meine das wirklich ernst, haha!

Daniel: Na gut, Sándor! Dir gehört das Schlusswort!

Sándor: Vielen Dank für diese Gelegenheit, Daniel! Die wichtigste Botschaft wird sich niemals ändern: STAY TRUE!

https://www.facebook.com/Spiritbell

https://spiritbell.bandcamp.com



Autor: Daniel Müller