Brofest #5

Newcastle Upon Tyne (UK), Northumbria University, 24.02.2017 - 25.02.2017

Tag 1, Freitag, 24.02.2017: Toledo Steel, Berlyn, Mythra, Battleaxe, Oliver Dawson Saxon.

toledo steelIm Hotel haben wir noch auf Youtube den Toledo Steel Auftritt vom Brofest#2 gesehen. Jetzt scheinen die Jungs eine ganz andere Hausnummer geworden zu sein, legen wesentlich selbstbewusster und tighter los. Songs wie der Opener "Speed Killer", "Children Of The Sun" und "City Lights" avancieren gepaart mit agilem Acting sehr zur Zufriedenheit der Banger, dass in den ersten Reihen schnell die Post abgeht. Hellere Vocals müssen auf den Punkt kommen, sonst kommts zu schräg. Da hat sich bei den Jungs aus Burnemouth einiges getan. Zwar tragen sie den Sound von Iron Maiden auf der Fahne, covern aber "See You In Hell" von Grim Reaper, aufgrund der jüngsten Operation von Steve Grimmet sicher die beste Wahl. Professionell auch, dass Shouter Rich Rutter die Schlusstakte mit seiner tieferen Stimme singt. "Black Widow" beendet einen sehr beeindruckenden Eröffnungsgig, denn einen besseren Auftakt kann man sich nicht wünschen.

 

berlynFür die ersten vier Bands hat das Orga-Team eine Spielzeit von vierzig Minuten angesetzt. Diese wird auch ziemlich genau eingehalten, abweichend von Verschiebungen geringeren Ausmaßes. Die Urgesteine von Berlyn legen mal etwas später los, was sich aber nachher wieder in die Spur schiebt. Sänger Tony erinnert optisch durch seine Haltung am Mikrofonständer und seiner Glatze an einen größeren Angry Andersson (Rose Tattoo) und ist auch stimmlich nicht sehr weit davon entfernt. Ihr Gitarrist rechts sieht mit Brille und zurückgekämmten Haaren sehr spießig aus, spielt aber einen sehr auffällig lockeren Finger, sehr cool und markant in "Nightmares". Natürlich stehen das bekanntere "Streetfights" und "Maniac" weiter hinten im Set, von dem man sagen kann, dass es gut war, diese alten Recken einmal live auf der Bühne gesehen zu haben.

 

mythraDie Dinge laufen ganz anders bei den Publikumslieblingen von Mythra, denn die sind fleißig unterwegs und hatten bereits einige Abstecher nach Deutschland. Shouter Vince verkündet keine Riesenüberraschung, als er ein neues Album ansagt. Es wird passender Weise "Still Burning" heißen und soll im April 2017 erscheinen. Der Titelsong mischt sich mit dem weiteren Neuen "A Call To All" bei aller Härte problemlos ins Set und räumt temporeich und mit ordentlich Aggressionen ab wie alle anderen. Was man immer wieder als Vergleich heranziehen muss, und das nicht nur in diesem Review, ist das Xmas Rocka Festival in Sheffield, das im Dezember 2016 über die Bühne ging und sich im diesjährigen Dezember dort wiederholen wird. Dort traten sie krankheitsbedingt nur mit einem Gitarristen auf, blieben aber dennoch absolut positiv in Erinnerung. Da die Hafenstadt South Shields die Heimat des Fünfers ist, die ganz in der Nähe von Newcastle liegt, kommt für sie heute noch ein Heimvorteil dazu. Auch bei seichteren Tönen regiert die Spiel- und Bewegungsfreude aller fünf Protagonisten. "Overlord" und "Death And Destiny" machen den Sack zu und haben nur eine Message, dass mit diesen Briten weiter zu rechnen ist!

 

battleaxeBattleaxe sind aus Sunderland, also auch aus der Nähe von Newcastle. Sie haben es schon bis auf das Keep-It-True Festival geschafft. Dort spielt man als NWOBHM Band meist schon nachmittags, doch heute dürfen sie kurz vor Schluss ran. Getrieben von einem Dauerfeuer von Riffs gibt ihr kleiner Linkshänder Derwisch für ihr straightes Uptempo Material den Ton an, von denen ihre Songs leben. Für den Rhythmus sorgt heute Gary von Avenger, der an den Drums einspringt. Gespielt wird frühes Material wie "Hands Off" wie auch der Titeltrack ihres aktuellen Albums "Heavy Metal Sanctuary". Mit der ersten Single "Burn This Town" kommt man langsam zum Ende, doch ihr wohl größter Kracher "Fortune Lady" bleibt leider ungespielt.

 

oliver dawson saxonZeit für ein paar große Hits. Auf dem Headbangers Open Air 2016 wurden Oliver Dawson Saxon mit den langsameren Songs groß abgefeiert, nun bringen sie auf dem Brofest bei voller Lightshow eine ähnliche Setlist, beginnend mit "Rock 'n' Roll Gypsy" und "Strong Arm Of The Law". Nach "Denim And Leather" wird mit "Hungry Years" ein Stück von 1981 angesagt, welches aber auf dem "Strong Arm Of The Law" Album von 1980 steht. Die alten Recken und Saxon Mitgründer, Gitarrist Graham Oliver und Bassist Steve Dawson mögen es, zwei träge epische Walzen wie "The Eagle Has Landed" und "Crusader" nacheinander zu zocken, bevor der Mitgröler "747 (Strangers In The Night" und der wohl wichtigste Heavy Metal Song "Princess Of The Night" alles wieder auflockert. Optisch zeigt man sich ebenfalls farbenfroh. Mit Gitarren in Grün über Hellblau bis Dottergelb ist alles dabei. Schön auch, dass "Dallas 1 PM" noch gespielt wurde, wie auch das bei Saxon eher rare "Motorcycle Man". Schauen wir mal, ob in Zukunft unbekanntere Granaten wie "Freeway Mad", "To Hell And Back Again", "Fire In The Sky" oder "Machine Gun" den Weg auf die Setlist finden werden. Abschließend sei noch der heutige Geburtstag von Basser Steve Dawson angemerkt, dem man noch über die Spielzeit von 75 Minuten anständig feiert und ihm ein Ständchen bringt.

 

Tag 2, 25.02.2017: Starborn, Blackmayne, Stormtrooper, Traitors Gate, Saracen, Demon, High Spirits, Ghoul, Tokyo Blade.

starbornDie Festivalbesucher haben offensichtlich in der vergangenen Nacht unterschiedlich viel Schlaf bekommen, doch das Gros ist heute wieder pünktlich zur ersten Band am Start. Starborn kommen aus Newcastle, ein Heimvorteil, den sie kaum nutzen können. Die Vocals sind wackelig und man sucht oft die treffenden Töne, findet aber die richtigen Dankesworte für die Erlaubnis, auf dem NWOBHM Festival spielen zu dürfen, weil sie sonst nicht hier wären. Klar, zur Zeit der Bewegung lag man noch als Quark im Schaufenster, doch so wie es Toledo Steel am Vortag konnten, ist man noch weit entfernt. Sicher fängt eine Band mal irgendwann und irgendwo an. Für einen Auftritt ist es für sie aber noch zu früh, erst recht auf einem renommierten wie dem Brofest, wo sich sehr viel Fachpublikum tummelt.

 

blackmayneBlackmayne haben 1985 mal ein Album gemacht, dessen rotes Cover mit dem schwarzen Pferd sehr markant ist. Man covert zu Anfang des Auftritts "Redline" von Saxon, das ihnen stattlichen Applaus einbringt und von Oliver Dawson Saxon am Vortag nicht gespielt wurde. Die fragile Stimme des Shouters ist ihr Markenzeichen, wenn auch gewöhnungsbedürftig. Doch es wird amtlich gerockt, wofür sich sichtlich ins Zeug gelegt wird. Man wirft seine Mütze weg, der Gitarrist mit Patronen- als Gitarrengurt seine Brille und man rockt Songs wie "Twilight Of Lear" vom oben angeführten Album. Schließlich spielt der Fünfer noch ein weiteres Stück nach, nämlich "Whisky In The Jar", das mehr nach der Version von Metallica klingt, als nach Thin Lizzy. Blackmayne hauen gut ins Mett und können letztendlich mit überwältigender Spielfreude überzeugen.

 

stormtrooperAus den Boxen während des Umbaus tönte gerade noch "He Fell In Love With A Stormtrooper" von Tank, welches sich als ein passender Übergang zum Auftritt der nächsten Band entpuppt, ihr erster seit 35 Jahren. Stormtrooper gehören mit ihrer Gründung 1976 zu den ganz frühen Vertretern der Bewegung. Es sieht auch alles erstmal super aus, doch nach dem ersten Stück "Bounty Hunter" mussten schon technische Probleme am Drumkit beseitigt werden, was sich etwas zieht. Für die zuckersüßen Synthies in ihrem Sound ist der Basser zuständig, der nebenbei mit dem rechten Fuß die Pedale drückt. Das wirkt spacig und ernst, entfaltet sich wesentlich seriöser als leichtes Radiofutter. Erst das bekanntere "Still Coming Home" und die dazugehörige A-Seite "Pride Before A Fall", auch der Titeltrack des 'The Lost Albums', lockern die Audienz wieder durch.

 

traitors gateMit der "Devil Takes The High Road" EP aus 1985 haben Traitors Gate nur ein Lebenszeichen im Gepäck, das aber die Band mit Spannung erwarten lässt. Schon mit "Nothing To Lose" und "Backtown" wird mit schwerem Groove vorgelegt. Der Uptempobrecher "Shoot To Kill" bringt den Laden in Bewegung. Als Gitarrist Andi noch seine Gitarre stimmt, reicht mir Kumpel Thorsten die Bundesligaergebnisse rein, waren ja deutliche zu-Null Geschichten dabei. Das Duell zwischen Andi und seiner Gitarre gewinnt aber letztendlich der Protagonist selbst, der die Probleme behebt. Cool anzusehen wie er sein Brett bearbeitet und mit "The New Gods" und "The Crawl" Fahrt aufgenommen wird. Inzwischen hat sich nicht nur Mister Brian Ross in der Audienz eingefunden, sondern auch die Gitarristen von Blitzkrieg und Satan, die den Geschehnissen auf der Bühne folgen. Sie werden Zeuge davon, wie zu "The Devil Takes The High Road" alles durchdreht und es deutlich laute Mitsingparts gibt. Grandioser Auftritt einer sehenswerten Band, die noch auf dem Keep-It-True, dem Heavy Sound Festival und im Dezember auf dem Xmas Rocka in Sheffield zu sehen sein wird.

 

saracenEs gilt nun herauszufinden, ob Saracen bloß eine weitere Band mit klebrig süßen Sounds aus dem Keyboard sind. Von Platte her kennt man die Jungs aus Derbyshire mit sehr dominanten Tasten, dass man damit rechnen muss, live klingt das ähnlich. Und in der Tat bestätigt sich der Verdacht. Man kann ihnen aber auch bescheinigen, dass sie immer dann am stärksten sind, wenn die Gitarre die hochmelodiösen Keyboardwände einreißt. Ihr Sänger agiert wie ein Flummi, hüpft und springt kreuz und quer über die Bühne. Der Titeltrack des neueren "Red Sky" Albums und natürlich der Publikumsliebling "Heroes, Saints And Fools" dürfen nicht fehlen. Der Mehrheit aller Anwesenden gefällt das; Saracen-Sprechchöre sind die logische Folge. Den anderen sind diese Keyboards einfach zu klebrig.

 

demonWaren Demon in Sheffield einfach nur okay, rechnet man auf hiesigem Festival auch nicht mit einem Vollgasauftritt. Sie legen aber gut gelaunt mit "Night Of The Demon" los und machen damit schon mal absolut nichts verkehrt. Mit ihrem aktuellen Album "Cemetery Junction" blicken sie bereits auf mehr als ein Dutzend regulärer Studioalben zurück, waren also in der Vergangenheit recht fleißig. Doch es gibt auch noch ein Novum in ihrer Geschichte. Nach ihren Angaben haben sie mehr als 36 Jahre gebraucht, um nach Newcastle zu kommen. Sie sind hier noch nie aufgetreten, was sie selbst etwas verwundert. Mit ihrer Songauswahl schaffen sie heute mal wieder mehr im seichten Midtempo, erst zu "One Helluva Night" kurz vor Ende stimmt das Tempo wieder und man hat, nebenbei bemerkt, bislang den besten Sänger des heutigen Festivaltages. Zum Schluss waren mit "Don't Break The Circle" alle großen Hits gespielt, obwohl wir irgendwann mal "The Life Brigade" oder "Taking The World By Storm" hören wollen.

 

high spiritsWer vor zwei Jahren auf dem Brofest#3 zugegen war, erinnert sich daran, dass High Spirits zu viert auftraten und Sänger Chris Black den Bass übernahm. Heute ist man komplett mit Tieftöner Bob dabei und der feiert sein erstes Brofest. Mit dem ganz alten Song "Torture" und danach "Full Power" steigt die sympathische Band aus Chicago ein, die zwar nicht zur NWOBHM gehört, aber von vielen als Soundalikes erachtet wird und von daher sehr willkommen ist. Die weißen Hosen hätten eigentlich den besten Festivalsänger in ihren Reihen, doch Chris hat hier mit den ganz hohen Tönen zu kämpfen. Dennoch kommen Songs wie "You Make Love Impossible", "Nights In Black" und "Thank You" absolut stark rüber und begeistern die Menge so sehr, dass die Chöre der Schlussnummer "High Spirits" danach noch lange anhalten. Bob wird zum Crowdsurfer und verabschiedet sich auch mit einem Gang durch die Menge. Schade nur, dass ihr Auftritt nach nicht mal vierzig Minuten zu Ende war, weniger Spielzeit als Demon zuvor.

 

ghoulStanden auf dem Brofest#4 Desaster aus Koblenz auf der Bühne, sind es diesmal Ghoul aus Oakland, die eigentlich so gar nicht in Billing passen. Auffällig anders erscheint schon ihr Logo auf dem Flyer, was nicht weiter verwundert, denn gespielt wird geschmeidiger Death mit Grindanteil. Der Vierer ist gerade auf Tour und von ganz viel Kunstblut ist im Vorfeld die Rede. So gehen die Fotografen auch nur ganz mistrauisch in den Graben, als ein maskiertes Männeken mit auffälligem Bauchversteck zum Intro die Bühne erklimmt. Und richtig, daraus spritzt Blut, während die selbsternannten 'Bringers Of Blood And The Bringers Of War' unter Strumpfmasken loslegen. Dazu lassen sie zwei Statisten als Voodoopriester und als sonst was Undefinierbarem verkleidet große Teile der Animationen übernehmen. Sie beißen einer Geflügelfigur in den Hals und verspritzen aus dem Korpus Kunstblut oder tun das gleich mit großen Wasserpistolen. Die Location leert sich und viele geben ihrer Neugier aus dem hinteren Bereich der Halle nach. Das Quartett lässt mit seiner Show die älteren Semester kalt, während ein paar Jüngere in den ersten Reihen die Irren aus Pennsylvania abfeiern.

 

tokyo bladeHöchste Zeit, dass wieder eine Band der Bewegung aufspielt und das Zepter übernimmt, da kommen Tokyo Blade gerade richtig. Sie haben einfach zu viele unsterbliche Songs aus der Zeit und bekleiden damit zu Recht den Posten des Headliners. Wir erinnern uns noch an ihren coolen Auftritt beim Xmas Rocka in Sheffield letztes Jahr und schon nach "Death On Main Street" und "Someone To Love" steht fest, die Stimme von Alan Marsh bleibt der Schwachpunkt an so mancher Stelle. Weil die Band aber einen Arsch voll genialer Songs präsentiert und sich selbigen abspielt, werden "Lightning Strikes" und "Lovestruck" abgefeiert ohne Ende. "Meanstreak" kommt mit kurzem Drumsolo und "Sunrise In Tokyo" wird schneller als das Original gebracht. Alan stellt sich nicht in den Vordergrund, geht auch mal nach hinten und lässt die Axtfraktion nach vorne . Und die reißt echt was weg. Nach "Night Of The Blade" wird der Bandhit "If Heaven Is Hell" ausgepackt und wer von der Band einfach nicht genug bekommt, kann sie im Juni 2017 auf dem Festival "Der Detze Rockt" noch einmal sehen.

Im Anschluss kann das klassische DJ-Metalprogramm der Aftershowparty eine Etage höher noch einmal alles, bevor für dieses Jahr auf dem fünften Brofest die Lichter ausgehen. Das Team der Veranstalter lässt uns noch wissen, dass es in 2018 auf jeden Fall eine sechste Ausgabe geben wird …



Autor: Joxe Schaefer - Pics: Joxe Schaefer