LECTERN - Gar keine Klischees und vollste Überzeugung!


Ich finde es immer wieder faszinierend, wie viele Bands sich seit Jahren in der Szene tummeln, ohne dass man überhaupt von ihnen Kenntnis nimmt. Eine dieser Death Metal-Bands sind Lectern aus Italien, die uns über Facebook nach einem Interview fragten. Nachdem ich die Musik für gut befunden hatte, schickte ich Bassist und Sänger Fabio Bava meine Fragen. Und obwohl er ankündigte, dass er für die Antworten etwa eine Woche benötigte, trudelten sie bereits einen Tag später bei mir ein.

logoDaniel: Hi Fabio! Erzähl uns doch bitte zunächst, wann und wie es zur Gründung von Lectern kam! Und hattet Ihr zuvor schon in anderen Bands gespielt?  

Fabio: Wir starteten Lectern zunächst als Hobby, weil wir Bock hatten, klassischen US Death Metal zu zocken. Wir hatten dabei Riffs im Stil von Deicide, Cannibal Corpse und Morbid Angel im Sinn. Diese Einflüsse sind offensichtlich und wir schrieben dann Songs im Stil dieser Bands. Die Reaktionen darauf waren zwar sehr gut, aber aufgrund einiger Besetzungsprobleme lösten wir die Band dann kurzerhand wieder auf.  

Daniel: Was genau bedeutet der Bandname eigentlich? Und inwieweit passt er zu Eurer Musik und Euren Texten?

Fabio: „Lectern“ bedeutet so viel wie „Kanzel“. Ich wollte einen Bandnamen haben, der kurz und prägnant ist und nicht zu verweichlicht klingt.  

Daniel: Eigentlich hattest Du diese Frage ja schon am Anfang beantwortet. Welche Bands zählen zu Euren Haupteinflüssen?

Fabio: Die bereits oben erwähnten Florida Death Metal-Bands, aber auch New Yorker Horden, wie Suffocation, Internal Bleeding, Pyrexia und Immolation. Natürlich haben auch Incantation große Spuren bei uns hinterlassen. Aus Europa mögen wir vor allem Sinister, Infernal Torment, Avulsed und Benediction.

Daniel: Eure Texte sind durchweg satanisch. Wie viel Klischee bzw. wie viel Überzeugung steckt da genau drin?  

Fabio: Gar keine Klischees und vollste Überzeugung!

Daniel: Italien ist ein Land voller gläubiger Christen. Ist das auch ein Grund für Eure satanische Ausrichtung gewesen?  

Fabio: Mir ist es egal, ob sie Christen oder Italiener oder sonst was sind! Ich hasse sie einfach alle gleichermaßen!

Daniel: Bist Du mit satanischen Schriften vertraut? Kennst Du „Die Satanische Bibel“ von Anton Szandor LaVey? Und was denkst Du, im Gegensatz dazu, über Aleister Crowley?

Fabio: Dumme Dinge basieren auf dummen Individuen, die an etwas glauben, was sie nicht kennen! Man kann seine satanischen Ideale nicht mit der menschlichen Natur gleichsetzen! Rituale, schwarze Magie und unkontrollierte Dinge, die von negativen Instinkten hervorgerufen werden, haben nichts mit dem Teufel zu tun! Wer kann ernsthaft so etwas glauben? Das ist krank! Gottheiten anrufen, die aus der Tiefe emporsteigen, um dem Menschen zu gehorchen? In unseren Texten geht es nicht bloß um stumpfe Beschwörungsformeln, sondern sie sind das böse Resultat eines Endzustandes. Das Böse existiert, auch ohne menschlichen Einfluss, weil es nicht greifbar ist und zu dieser Welt und unserer Dimension gehört. In der Dunkelheit kann man viel fühlen, aber nicht jeder kann etwas sehen.     

Daniel: Habt Ihr auch Kontakt zu anderen okkulten Bands aus Eurem Land, wie Death SS oder Mortuary Drape?

Fabio: Ich stehe total auf Death SS und verfolge auch den Werdegang von Steve Sylvester! Mortuary Drape mag ich zwar auch, habe ihre Karriere allerdings nie sonderlich verfolgt.

Daniel: Eure ersten drei Veröffentlichungen waren EPs. In welchen Formaten sind sie erschienen? Und sind sie heute überhaupt noch erhältlich?  

Fabio: Sie sind alle auf CD erschienen und wurden vorher auf Dat aufgenommen. Die letzten beiden EPs sind auch noch erhältlich. Lediglich „Bisbetical“ ist leider komplett vergriffen.

Daniel: Warum gab es eigentlich zwischen den ersten beiden EPs „Bisbetical” (1999) und „Salvific Of Perhaps Lambent” (2010) eine so lange Pause? War die Band überhaupt all die Jahre über aktiv?  

Fabio: Die Anfangszeit von Lectern war kurzlebig. Wir haben viel geprobt, die vier Songs für die „Bisbetical“-EP aufgenommen, ein paar Interviews gegeben, einen Auftritt geben und uns danach wieder aufgelöst. Erst 2008, nachdem wir viele Fehler mit anderen Bands gemacht hatten, dachte ich darüber nach, den Namen Lectern wieder zu verwenden. Und es fühlte sich einfach richtig an. Die Band existiert also nicht schon seit zwanzig Jahren durchgängig, wenn Du das meinst.    

lecternDaniel: Euer Debüt-Album „Fratricidal Concelebration” wurde sowohl auf CD als auch digital veröffentlicht. Warum hattet Ihr Euch auch für die digitale Option entschieden? Ist es für einen Musiker nicht viel schöner, einen echten Tonträger mit einem richtigen Cover und schönen Booklet in den Händen zu halten, anstatt nur leblose Dateien auf dem Computer zu bunkern? Wie stehst Du dazu?   

Fabio: Die digitale Option wird heutzutage immer von den Plattenformen angeboten. Für mich persönlich kommen aber nur Kassetten, CDs und Vinyl in Frage. Leider schreiben wir heute das Jahr 2017 und nicht mehr 1989 oder 1990. Heute interessiert sich niemand mehr dafür, ein Album in den Händen zu halten. Selbstverständlich ist Musik auch eine Form von Kunst, und ein Booklet oder ein Gatefold-Cover haben viel mehr Aussagekraft! Fotos, Zeichnungen und Layout gehören zusammen und bilden ein gesamtes Konzept. Und für mich ist es auch nur dann ein Album, wenn man es in den Händen halten kann und es nicht nur online als Download angeboten wird! Zwar kannst Du Dir das im Netz auch anhören und Dir dabei ein Cover-Artwork ansehen, aber für mich ist das nicht dasselbe!

Daniel: Wie seid Ihr an den Plattendeal mit Via Nocturna für Euer aktuelles Album „Precept Of Delator” gekommen, welches 2016 erschienen ist?

Fabio: Unser erstes Album „Fratricidal Concelebration“ erschien seinerzeit über Sliptrick Records. Sie waren aber nicht mehr an Lectern interessiert und wollten uns in eine andere Richtung lenken. Wir wollten aber einfach nur Death Metal spielen, suchten uns deshalb nach einer anderen Plattenfirma um und haben ein paar Labels angeschrieben. Letztendlich hatten Via Nocturna uns das beste Angebot gemacht.

Daniel: Wird es von dem neuen Album auch eine Vinyl- oder Kassettenversion geben? Ist da irgendetwas geplant?  

Fabio: Das wäre der Hammer! Hoffentlich wird das bei unserer nächsten Veröffentlichung so sein!

Daniel: Nach der Veröffentlichung Eures zweiten Albums „Precept Of Delator” stieß Gabriele Cruz als zweiter Gitarrist hinzu. War das etwas, was Ihr immer schon einmal vorhattet? Und glaubst Du, dass zwei Gitarristen bei Eurer musikalischen Ausrichtung überhaupt zwingend notwendig sind?  

Fabio: Wir waren ursprünglich vier Leute in der Band, bis Enrico damals die Band verlassen hatte. Ja, zwei Gitarristen sind für Lectern zwingend notwendig; allein schon live! Bei einem Solo fehlt doch etwas, wenn man dann nur Bass und Schlagzeug als Fundament hat. Wir wollten das immer schon so, und Gabriele passt perfekt zu uns; glaub´ mir! Wir sind sehr froh, dass er jetzt bei uns ist, sowohl als Mensch als auch als Pol auf der Bühne!  

Daniel: Was mich auch gleich zur nächsten Frage bringt: Ihr spielt also live. Gibt es denn schon Pläne, dass Ihr mal nach Deutschland kommt?

Fabio: Kannst Du uns dabei helfen? Im Ernst: Wir hoffen wirklich, dass wir endlich bald mal in Deutschland spielen können! Ich liebe Euer Land und vor allem Euren Fußball! Jedes Mal, wenn Italien gegen Euch spielt, stockt mir der Atem! Ich mag Städte wie München, Hamburg, Freiburg und Bremen, denn ich bin schon oft dort gewesen. Ich stehe auch total auf deutschen Metal! Alte Bands wie Sodom, Destruction, Kreator, Blind Guardian, Rage, Fleshcrawl, Helloween, Gamma Ray, aber auch Primal Fear oder Requital haben meinen vollen Respekt und einen festen Platz in meiner privaten Musiksammlung!

Daniel: Habt Ihr denn bei Euch in Italien schon einmal im Vorprogramm von größeren Bands gespielt?

Fabio: Ja, vor Sepultura, Inferno und Angra bei uns in Italien und im Ausland schon vor Incantation, Lantern, Interment, Sacramental Blood und ein paar anderen.

Daniel: Du spielst auch noch in einer anderen Band namens Perfidy Biblical, die ebenfalls satanischen Death Metal spielt. Existiert diese Band überhaupt noch? Und wo genau liegen für Dich die Unterschiede zwischen beiden Bands, sowohl musikalisch als auch textlich?

Perfidy Biblical sind musikalisch viel näher an Morbid Angel angelehnt als Lectern und beschäftigen sich textlich mehr mit dem „Necronomicon“ als mit Satan.

Daniel: Wie sehen den Eure Zukunftspläne mit Lectern aus?

Fabio: Es stehen ein paar Konzerte und die komplette Promotion für „Precept Of Delator“ an. Wir proben intensiv und suchten uns die besten Songs für unser nächstes Album aus, das für 2018 anvisiert ist. Wir werden bald unter anderem in Wales spielen und hoffen, dass wir auch bald nach Deutschland kommen werden!

lecternDaniel: Mal etwas ganz Anderes am Schluss, da ich ein großer Fan von italienischen Horrorfilmen bin: Du bist nicht zufällig mit dem Filmemacher Mario Bava verwandt, der „Black Sabbath“ gedreht hat, oder? Haha!

Fabio: Du wirst es kaum glauben, aber die Antwort lautet: “Doch!” Dieser Nachname ist in Italien nicht allzu sehr verbreitet, und tatsächlich sind alle Bavas hier irgendwie miteinander verwandt! Du hast jetzt wahrscheinlich das komplette Gegenteil erwartet, oder? Haha! Aber Du hast tatsächlich jemanden aus der Familie ausfindig gemacht! Und noch etwas: „Bava“ heißt auf Deutsch übersetzt „Schaum“.

Daniel: Magst Du denn auch Horrorfilme von Ikonen wie Lucio Fulci und Dario Argento aus Eurem Land?

Fabio: Ganz ehrlich? Leider nur sehr wenige…

Daniel: Na gut, Fabio! Dann gehört Dir nun das obligatorische Schlusswort!

Fabio: Wir werden versuchen, Lectern nach Deutschland zu bringen! Bis dahin, hört nicht damit auf, Euren Gott zu hassen!

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Autor: Daniel Müller