CONTORSION - Auch unter den dunkelsten Wolken muss mal gelacht werden


In letzter Zeit gibt es viele Thrash Metal-Bands aus der Schweiz, auf die ich aufmerksam werde. Allein in diesem Jahr waren das schon FreaKings, Comaniac und Contorsion, die alle den guten alten Spirit der Achtziger versprühen, ohne jedoch wie billige Plagiate zu klingen. Als die ersten Töne ihres neuen, dritten Albums „United Zombie Nations“ aus den Boxen tönten und Erinnerungen unter anderem an Testament wachriefen, war ich erstaunt darüber, dass sie alle ihre Alben ohne Label im Rücken rausgebracht haben. Dementsprechend wenig Aufmerksamkeit haben Contorsion daher bislang erregt. Um dies zu ändern, kontaktierte ich Sänger Marc Torretti, der freudig und ausführlich Rede und Antwort stand.

logoDaniel: Hi Marc! Na, alles klar? Lass uns doch erstmal ganz vorne anfangen: Wann und wie kam es zur Gründung von Contorsion?

Marc: Die Gründung von Contorsion reicht ins Jahr 2004 zurück. Unser Drummer Mättu und ich lernten uns in einem Musikgeschäft kennen und bemerkten schnell, dass wir musikalisch auf die gleichen Bands stehen. Nachdem er bei seiner vorherigen Band ausgestiegen war und ich etwas Neues machen wollte, begannen wir, zusammen zu jammen. Ich spielte damals noch Gitarre. Nach und nach kamen dann die restlichen Bandmitglieder dazu. Den Sängerposten konnten wir lange nicht besetzen, und so beschloss ich, dies zu übernehmen, und stattdessen suchten wir einen weiteren Gitarristen. Dies erwies sich als der viel einfachere Weg. Ungefähr Anfang 2006 waren wir dann komplett.

Daniel: Hattet Ihr zuvor schon in anderen Bands gespielt?

Marc: Ja, alle von uns spielten vorher schon in verschiedenen Bands. Jedoch waren dies auch eher regionale Acts, die vorwiegend in der Schweiz unterwegs waren. Mit unserem Gitarristen Sime habe ich vor Contorsion schon gemeinsam in einer anderen Thrash Metal-Band gespielt. Die Szene in der Schweiz ist sowieso gut überschaubar und man kennt sich untereinander.

Daniel: Welche Bands zählen zu Euren Haupteinflüssen? Und haben sich diese Einflüsse in all den Jahren geändert?

Marc: Unsere Wurzeln liegen ganz klar im Thrash Metal, was ja sicherlich nicht zu überhören ist. Einflüsse, die man heraushört sind Slayer, Testament, Sepultura oder Exodus. Wahrscheinlich überwiegt bei uns schon der Thrash der alten Schule aus der Bay Area. Natürlich gibt es auch immer wieder modernere Parts, die in die Songs einfließen. Da bei Contorsion alle fünf Bandmitglieder an den Songs mitschreiben und Ideen liefern, ergibt sich eine interessante Mischung und Abwechslung.

Daniel: Worum geht es in Euren Texten: nur um die Erfüllung der üblichen Metal-Klischees? Oder steckt auch eine Art Kernaussage dahinter, die Ihr vertretet?

Marc: Wir sind alle einer zünftigen Party und den Klischees des Metals definitiv nicht abgeneigt, aber in die Lyrics fließt dies nicht ein. Unsere Texte befassen sich zum größten Teil mit aktuellen Missständen, den Gräueltaten unserer Zeit und auch mit den Gefahren von aktuellen Techniken, wie beispielsweise das Internet oder Social Media. Generell kommen da schon eher die Schattenseiten unserer Gesellschaft zum Tragen. Es gibt aber auch persönliche Themen, die ich in den Texten verarbeite. Und ganz selten entsteht ein Spaßtext wie „Thrash Metal Domination“ von unserem ersten Album, der hauptsächlich eine Aufzählung bekannter Thrash Metal-Songs ist. Auch unter den dunkelsten Wolken muss mal gelacht werden.

Daniel: Es gibt viele junge Thrash Metal-Bands, die ihre Vorbilder, meistens Sodom oder Exodus, nur billig kopieren. Aber niemanden, der Chuck Billy so ähnlich klingt wie Du! Wie schwierig war ist es für Dich, gleichzeitig melodisch und aggressiv zu klingen und dabei noch ordentlich Wums in der Stimme zu haben? Und wie lange hat es ungefähr gedauert, Dir diesen Stil anzueignen? Kannst Du das überhaupt sagen?

Marc: Danke für die Blumen! Natürlich bekomme ich öfter zu hören, dass meine Stimme einem gewissen Herrn Billy ähnelt. Mir ist das selber nicht so bewusst oder ich nehme es nicht wahr. Natürlich bin ich ein großer Fan von Testament, und unterbewusst fließt wohl das eine oder andere davon mit in die Gesangslinien. Diese Art zu singen liegt mir einfach am besten. Als ich bei Contorsion anfing zu singen, hatte ich nicht wirklich Erfahrung und musste erst eine Stimmlage finden, die zu mir passt. Dies ist ein langwieriger Prozess, und ich musste auch erst lernen, mit meiner Stimme zu arbeiten – und auch glücklich damit zu sein. Ich hatte nie Unterricht und singe einfach drauflos. Das half wahrscheinlich, diese Stimmlage zu formen. Aber da ich beim Singen nicht besonders auf die Technik achte und ziemlich viel Druck anwende, ist es auch nicht wirklich schonend für die Stimmbänder. Somit sicher nicht die beste Art zu singen, aber es ist auch schwierig, jetzt noch was zu ändern nach all den Jahren.

Daniel: Ihr hattet Eure ersten beiden Alben „Solace Through Lies“ und „Planet Parasite“ noch in Eigenregie, also ohne Plattenfirma im Rücken veröffentlicht. Wieso? Gab es seinerzeit keine interessierten Labels, die an einer Veröffentlichung der Alben interessiert waren? Oder hat Euch das gar nicht interessiert?

Marc: Auch unser neuestes Werk ist in Eigenregie veröffentlicht. Wir haben aber bei allen drei Alben Non Stop Music Records als Vertrieb im Rücken. Es ist aber jetzt das erste Mal, dass sie die Scheibe europaweit vertreiben – aber leider nur über Amazon. Wir haben gar nie aktiv nach Labels gesucht. Wir wollten einfach unsere Songs aufnehmen und ein Album raushauen. Mittlerweile sind wir so an unsere Selbstständigkeit gewohnt, dass wir es anders fast nicht vorstellen können. Wir können alles genauso machen, wie wir wollen – und uns auch die Zeit nehmen, die wir brauchen. Dies ist ein angenehmer Luxus, und es entsteht kein Druck. Der Vertrieb hingegen ist sehr wichtig. Wir sind können uns glücklich schätzen, mit Non Stop Music Records einen Partner zu haben, der dies übernimmt, obwohl wir ein sehr kleiner Fisch sind. Bei so kleinen Bands wie uns ist sowieso ein Minusgeschäft, wo man eigentlich nur Geld investiert. Aber wir haben dies ja wirklich als Hobby und arbeiten alle Vollzeit nebenher.

contorsionDaniel: Sind die ersten beiden Alben überhaupt noch erhältlich? Wie hoch waren die Auflagen überhaupt?

Marc: Ja, unsere Alben „Solace Through Lies“ und „Planet Parasite“ sind beide noch erhältlich. Wir lassen von unseren Alben im Normalfall tausend Exemplare pressen. In der Schweiz kann man sie eigentlich bei jedem Plattenhändler oder Versand bestellen. Über unsere Website kann man sie nebst anderem Merchandise auch beziehen. Wir bieten weltweiten Versand an. Da kann es schon vorkommen, dass man CDs nach Japan, Kasachstan oder in die USA versenden darf. Daneben gibt es alle auch als reguläre Downloads und Streams bei den bekannten Portalen wie iTunes, Amazon, Spotify etc.

Daniel: Wie seid Ihr an das Label Non Stop Music Records gekommen, die Euer neues Album „United Zombie Nations“ veröffentlicht haben?

Marc: Non Stop Music Records agieren bei uns nur als Vertrieb, das heißt, sie kümmern sich um die Logistik und bringen die Scheiben in die Shops. Vor unserem ersten Album habe ich einen Freund gefragt, ob er jemanden von einem Musikvertrieb kennt, den er empfehlen könnte. Wir haben dann unser Material an Stefan von Non Stop Music Records geschickt, und er war sofort bereit, unser Album zu vertreiben. Diese Zusammenarbeit war immer völlig unproblematisch und angenehm, daher haben wir auch nie nach Alternativen gesucht.

Daniel: Das Cover finde ich witzig. Wer hat es gemalt? Und wie seid Ihr mit dem Künstler in Kontakt gekommen?

Marc: Der Künstler ist Tom Mischler von ROAR Design in Bern. Unser Gitarrist Jon kennt ihn schon länger. Er hat auch schon Designs für seine Zweitband gemacht. Wir haben uns dann mal mit ihm getroffen und unsere Vorstellungen ein wenig geschildert. Er war sofort Feuer und Flamme und hat sich richtig reingekniet. Mit dem Endergebnis sind wir alle total happy.

Daniel: Wird es von dem neuen Album auch eine Vinylversion geben? Ist  da schon irgendetwas in Planung?

Marc: Wir haben tatsächlich über eine Vinylversion gesprochen bei diesem Album. Aktuell ist Vinyl wieder ziemlich gefragt, und auch das Artwork hätte sich für sowas definitiv geeignet. Jedoch waren wir von der Vorlaufzeit für die Produktion ein wenig spät, und auch das Budget war schon komplett ausgereizt. Darum haben wir es schlussendlich doch nicht gemacht. Aber wer weiß, was die Zukunft bringt? Es würde uns schon reizen, eine Vinylversion zu machen.

Daniel: Spielt Ihr eigentlich auch live? Und werden wir vielleicht auch bald die Gelegenheit bekommen, Contorsion auch mal auf deutschen Bühnen zu erleben, vielleicht auch als Support einer bekannteren Band, wie kürzlich etwa Comaniac, die ja ebenfalls aus der Schweiz kommen und hier im Vorprogramm von Overkill spielten?

Marc: Natürlich sind wir so oft es geht live unterwegs, aber vorwiegend in der Schweiz. Jedoch können wir neben unseren Fulltime-Jobs keine großen Touren machen. Ebenfalls sind die meisten von uns schon etwas älter und haben teilweise Familie. So konzentriert es sich eher auf Weekend-Shows. Comaniac sind, im Gegensatz zu uns, Jungspunde und setzen momentan ziemlich auf die Musik-Karte. Ich finde cool, wenn man dies machen kann. Aber in unseren persönlichen Lebenssituationen wäre dies eher schwierig zu bewerkstelligen. In Deutschland sind wir auch noch nicht wirklich bekannt, daher gibt es nicht viele Anfragen. Diesen Frühling haben wir mal in Ulm gespielt, was eine großartige Erfahrung war; mal abseits der Schweiz, wo man völlig unbekannt ist. Da merkt man schnell, ob es funktioniert oder nicht. Trotzdem hoffen wir, dass wir mit dem neuen Album auch vermehrt bei euch spielen können.

Daniel: Habt Ihr bei Euch in der Schweiz vielleicht schon einmal mit größeren Bands zusammen gespielt?

Marc: In der Schweiz haben wir uns in den letzten Jahren einen guten Ruf als Live-Band erspielt und durften für einige coole Bands eröffnen. Unter anderem supporteten wir Heathen, Evile, Nuclear Assault, Hirax, Nervosa, Born From Pain, Moonspell, Sanctuary, Coroner und einige mehr. Aber natürlich spielen wir oftmals auch in kleineren Clubs mit anderen lokalen Bands, was genauso Spaß macht.

Daniel: Bleiben wir mal kurz in der Schweizer Szene! Wenn man über Thrash Meta-Länder redet, erwähnt eigentlich niemand die Schweiz. Dabei gab es in der Vergangenheit geile Bands wie Coroner, Drifter oder Poltergeist und heute junge Bands wie FreaKings, Comaniac oder eben Contorsion. Wie ist der Szenezusammenhalt in Eurem Land? Und kannst Du uns noch weitere gute Bands aus der Schweiz empfehlen, egal ob alt oder neu?

Marc: Die Schweiz ist ein kleiner und geht vielleicht dadurch ein wenig unter auf der Thrash Metal-Landkarte. In der Vergangenheit waren halt schon Amerika und Deutschland prägend für den Thrash. Aber es gibt ja aus jedem Land immer wieder erwähnenswerte Thrash-Bands. Aus der Schweiz kann man sicher GurD empfehlen, welche damals aus Poltergeist hervorgingen, als sie sich das erste Mal auflösten. Daneben gibt es wie uns noch viele kleinere Bands, wie beispielsweise Final Cut, Mortal Factor oder Total Annihilation. Wenn man noch Schweizer Bands mit Thrash-Schlagseite dazu nimmt, kann man auch Exit oder Hellvetica wärmstens empfehlen. Unter den Bands herrscht generell eine freundschaftliche Beziehung. Neid und Missgunst bringt keinem etwas. Man muss sich gegenseitig unterstützen, um etwas erreichen zu können.

contorsionDaniel: Wie sehen Eure Zukunftspläne mit Contorsion aus?

Marc: Aktuell probieren wir, so oft wie möglich live zu spielen, um unser Album zu promoten. Parallel arbeiten wir auch bereits wieder an neuen Songs, damit wir auch in Zukunft wieder etwas zum Veröffentlichen haben.

Daniel: Alles klar, Marc! Dann wären wir erstmal durch. Hast Du noch ein schönes Schlusswort?

Marc: Wir möchten allen Thrash-Maniacs da draußen danken, die unsere Szene unterstützen. Natürlich machen wir auf unserem Level die Musik hauptsächlich für uns. Aber ohne all die großartigen Supporter, die an Konzerten abgehen und Spaß an unseren Songs haben, würde es nicht halb so viel Freude machen!

http://www.contorsion.ch/

https://de-de.facebook.com/pages/contorsion/399071970435?v=info

https://contorsion.bandcamp.com/



Autor: Daniel Müller