H.E.A.T. - Festival

Ludwigsburg, Rockfabrik, 02.-03.12.2107

Nach einer langen Fahrt aus Nordrhein-Westfalen ins schöne Schwabenländle, inklusive Einquartierung im Landhotel irgendwo im Niemandsland, ging es schon etwas müde pünktlich zum Einlass des diesjährigen H.E.A.T.-Festivals in die schöne Rockfabrik nach Ludwigsburg. Etliche Melodic-Hardrock-Fans hatten sich bereits eingefunden und voller Erwartung in die große Halle begeben. Der erste Tag war leider geprägt von technischen Problemen, die zu Verzögerungen führten. Vor allem das Vintage-Drumkit, an dem jeder ständig etwas verstellte, war eine Herausforderung für die Techniker. Dennoch tat dies der insgesamt fantastischen Stimmung keinen Abbruch.

Heat - live - 2017 - start-neu2

 

Samstag, 02.12.2017

Los ging es mit einer feurigen, lokalen Band. Supernova Plasmajets waren ein gut gewählter Opener für das H.E.A.T.-Festival in der Rockfabrik in Ludwigsburg. Die Mannheimer Band, deren gleichnamiges Debutalbum am 24.02.2017 bei AOR Heaven erschienen ist, wusste die Chance zu nutzen, ihre modernen, vom Sleaze Rock der Achtziger Jahre inspirierten Hardrock-Songs einem geneigten Publikum zu präsentieren. Sängerin Jennifer Crush brachte mit ihrer wunderbaren Stimme sogar die Cover-Version „Maniac“ aus Flashdance gut rüber, auch wenn nur wenige der anwesenden Gäste zu erkennen geben wollten, dass sie den Film kennen. Auch der Rest der Band wusste durch starkes Posing und gute Fähigkeiten an den Instrumenten zu überzeugen und interagierte eifrig mit dem Publikum. Ein Bombenstart!

Dante Fox gefiel dem Publikum weniger, was zum einen am schlechten Sound lag und zum anderen an Sue Willetts schrillem Gesang, der zum Teil schon an der Schmerzgrenze lag. Die Musik kommt auf Platte definitiv besser rüber. Ein bisschen mehr Bewegung auf der Bühne wäre zudem sicherlich positiv aufgenommen worden. Solider Melodic-Rock, nicht mehr und nicht weniger.

Der erste Auftritt von Art Nation in Deutschland war einfach nur fantastisch und erntete frenetischen Applaus. Die Schweden, die erst seit 2014 gemeinsam Musik machen, schafften es, für viele der Anwesenden zu einem Highlight des Abends, wenn nicht sogar des Festivals zu werden. Ihr zweites Album „Liberation“ war jedenfalls nach ihrem Auftritt ausverkauft, sehr zur Freude der sympathischen Jungs. Die Performance von Art Nation wirkte professionell und war auch soundtechnisch hervorragend. Sänger Alexander Strandell hatte eine enorme Ausstrahlung und zog das Publikum in seinen Bann, das ihn textsicher unterstützte, vor allem bei den Songs vom Debütalbum „Revolution“: „Start A Fire“ im wahrsten Sinne des Wortes.

Der Schwede Jim Jidhed, ehemals Sänger von Alien, macht härteren AOR, auch wenn vereinzelte Gesangspassagen an Magnum erinnerten. Unvergessen sind die Evergreens, die er in den Achtzigern mit Alien eingesungen hatte, und daher war es umso schöner, ihn wieder live erleben zu können. Das jüngst bei AOR Heaven erschienene Album ist eine klasse Scheibe geworden und die Songs knüpfen problemlos an alte Heldentaten an. Die Songauswahl des Sets hätte nicht besser sein können und Herr Jidhed präsentierte sich live in Bestform.

Shameless und Tuff sind ja schon ein eingespieltes Team und waren in der Vergangenheit des Öfteren in Deutschland live zu sehen. Die Band um Frontmann Stevie Rachelle zockte ein solides Set an typischen Glam- beziehungsweise Hairspray-Songs aus den glorreichen L.A.-Sunset-Strip-Tagen runter, konnte dabei jedoch nicht vollends überzeugen. Die Nummern kamen für den einen zu weichgespült, für den anderen zu banal rüber. Und auch Herr Rachelle ohne Haare, aber dafür mit Kopfsocke, ist einfach nicht mehr wirklich Glam. Vor allem die Songs vom Debutalbum wurden jedoch vom Publikum gewürdigt und abgefeiert. Sehr schön war, dass sich Stevie später am Merchandise-Stand die Zeit nahm, mit den Fans zu plaudern und sein reichliches Angebot an T-Shirts und CDs zu veräußern.

Die alten Helden von Tyketto sahen alles andere als alt aus – getreu dem Motto: „Forever Young“. Wie macht Danny Vaughn das bloß, dass er noch genauso jung aussieht wie damals? Cool und lässig spielten sie einen Hit nach dem anderen, zum Beispiel „Burning Down Inside“ vom Debütalbum und „Strength In Numbers“ vom gleichnamigen zweiten Album gleich zu Anfang. Entsprechend voll war es vor der Bühne und die Fans gingen vom ersten Ton an begeistert mit. Klangtechnisch gab es auch nichts auszusetzen. Die Musiker haben im Laufe der Jahre nichts verlernt, so dass sich auch die Songs der letzten Alben „Reach“ und „Dig In Deep“ wunderbar in die Setlist einreihten. Am Ende noch die obligatorischen Hits „Lay Your Body Down“ und natürlich „Forever Young“ – und ein perfekter Gig hinterließ rundum zufriedene Gesichter.

Dare spielten dann ruhigere, aber wunderschöne Musik zum Runterkommen. Hier waren definitiv Profis am Werk. Die Band um den Ex-Thin Lizzy Keyboarder Darren Wharton hat ja schon einige starke Alben im Repertoire, von denen vor allem das starke Debütalbum „Out Of The Silence“ von 1988 und die zweite Scheibe „Blood From Stone“ aus dem Jahre 1992 immer noch hervorstechen. Zudem hatten sie mit dem Ausnahmegitarristen Vinny Burns einen Mann am Start, der eine erstklassige Stimmung erzeugte – egal ob bei softeren, keltischen Songs oder bei echten Hardrock-Krachern. Zudem sorgte die etwas rauhe Stimme von Darren für Abwechslung. Ein wirklich gelungener Auftritt, zwar mit etwas zähem Anfang, aber mit sich im Verlauf ständig steigerndem Niveau.

Der Headliner des ersten Tages war dann Hardline. Die Band um den charismatischen Frontmann Johnny Gioeli hat mit dem ersten Album „Double Eclipse“ einen klaren Genreklassiker geschaffen, der seinerzeit für ordentliches Aufsehen sorgte. Nicht zuletzt auch durch prominente Bandmitglieder wie Neal Schon an der Gitarre und Deen Castronovo am Schlagzeug. In dieser starken Besetzung waren sie zwar in Ludwigsburg nicht mehr zu hören und zu sehen, aber auch die jetzige Band ließ keine Wünsche offen. Die Interaktion zwischen den Musikern war stimmig und das Publikum wurde auch einbezogen. Anna Portalupi am Bass war zudem ein Augenschmaus für die männlichen Besucher.  Johnny Gioelis Bühnenpräsenz war so intensiv, dass er zeitweise einen irren Blick hatte und seine Gestik fast schon aggressive wirkte. Völlig hyperaktiv und unter Strom sprang er über die Bühne und ließ das Publikum nicht zu Atem kommen. Am Ende des Abends waren wir alle angenehm geschafft.

 

Sonntag, 03.12.2017

Auch am zweiten Tag hatte die Crew wieder technische Probleme zu bewältigen, die Verspätungen verursachten. Doch dies war nur ein kleiner Wehrmutstropfen. Ansonsten war auch der Sonntag vollgepackt mit tollen Liveacts, und auch der einsetzende Schneefall wollte niemandem die gute Laune verderben.

Zum Einstieg sorgten Lioncage dafür, dass die ersten Besucher nach dem Frühstück oder direkt aus dem Bett gelockt in Stimmung kamen. Die erst 2013 gegründete deutsche Band aus befreundeten Musikern, die vorher als Coverband gespielt hatten, bot einen recht netten Mix aus teils balladesken, teils rockigen Nummern, die leider keinen besonders nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben.

Die vom Publikum als „Lee Aaron Nachwuchssängerin“ bezeichnete Martina Edoff trat als zweiter Act des Tages auf. Sie sieht definitiv gut aus, was ihr Bonuspunkte beim männlichen Publikum einbrachte. Allerdings ließ ihre gesangliche Leistung zu wünschen übrig und entsprach nicht den CD-Aufnahmen. Ihre Stimme klang sehr angestrengt und überschattete bedauerlicherweise ihre eigentlich guten Songs. Zur Abwechslung gab es bei diesem Gig mal Probleme mit der Verkabelung der Gitarre.

Crystal Ball waren die Nächsten im Line-Up und definitiv die härteste Band des Festivals. Ihr Song „Suspended“ war das erste Highlight ihres Sets mit vielen knackigen, harten Tracks, die sich sofort in die Gehörgänge der Anwesenden schraubten. Steve Mageney aus Wuppertal ist ein super Frontmann und ergänzt die Schweizer Hardrocker vorbildlich. Sie machten ordentlich Dampf und brachten das begeisterte Publikum zum Bangen und Tanzen. Die Band wirkte äußerst routiniert und eingespielt und braucht sich hinter Szenegrößen wie Shakra keineswegs zu verstecken. Die erste richtig gute Band des Festival-Sonntags!

Da Vinci kamen fast eine halbe Stunde verspätet auf die Bühne, weil es technische Probleme mit dem Keyboard gab. Erstaunlich, wie viele ihrer Songs man aus den 80ern kannte, wie zum Beispiel „Touchdown“ von ihrem Album „Back In Business“. Erling Ellingsens massiger Körper bietet ein großes Klangvolumen und davon profitierten insbesondere Songs wie „See U When I See U“ oder „Little Lonely“. Fast 30 Jahre nach einem letzten Album haben sie dieses Jahr das neue Werk „Ambition Rocks“ bei AOR Heaven veröffentlicht, deren Songs perfekt an alte Glanzzeiten anknüpfen können. War dann doch schade, dass sie nur eine halbe Stunde Spielzeit hatten.

Sinner begannen ihr Set mit „Always Look On The Bright Side Of Life” – eine merkwürdige Wahl. Der Titelsong ihres aktuellen Albums „Tequila Suicide” passte so gar nicht zur Bühnenausstattung, denn die beiden Background-Sänger, die seitlich hinter einer Bar standen, schenkten Whisky Cola statt Tequila aus. Gitarrist Tom Naumann genehmigte sich erst einmal zwei davon auf ex. Der Schlagzeuger Francesco Jovino, der am Abend zuvor auch bei Hardline die Stöcke schwang, sah an diesem Tag wesentlich fitter aus. Statt eigene Songs zu spielen, präsentierte Mat Sinner eine kleine Geschichte der Rockmusik, gesanglich zum Teil unterstützt von Sascha Krebs. Während einige „Rebel Yell“ von Billy Idol abfeierten, kam die Cover-Wahl bei anderen Fans nicht so gut an und es flog Bier. Weiter ging es mit „Message In A Bottle“ (Police) und „Jail Break“ (Thin Lizzy). „Germany Rocks“ versöhnte das Publikum dann wieder. Unserer Meinung nach ein gelungenes Heimspiel für Mat Sinner.

Brother Firetribe bekamen den größten Applaus von allen Bands. Die fünf Finnen wirkten völlig entspannt auf der Bühne und absolut glücklich darüber, von ihren Fans derart überschwänglich gefeiert zu werden. Es gibt die Band bereits seit vierzehn Jahren und das H.E.A.T.-Festival seit 15 Jahren. Warum Brother Firetribe also zum ersten Mal dort spielten, fragte sich auch Sänger Pekka Ansio Heino. Vom ersten bis zum letzten Album zeigte sich das Publikum textsicher. Vor allem die Hits vom dritten Album „Diamond in the Firepit“ sind fantastische Ohrwürmer, zum Beispiel „For Better Or For Worse“, aber auch „Shock“ vom aktuellen Album „Sunbound“ wurde dieser Status attestiert. Mit Gitarrist Emppu Vuorinen an der Gitarre, der auch bei Nightwish aktiv ist und sein Instrument meisterlich beherrscht, ist es kein Wunder, dass die Songs live genauso gut klingen wie auf Platte. Fazit: Brother Firetribe war die mit Abstand beste und sympathischste Band des Festivals, die zu recht so frenetisch abgefeiert wurde.

FM wählten einen lahmen Opener, aber als dann der Hit „I Belong To The Night“ ertönte, dachten wir nur noch, wie schön FM live zu erleben. Hier reihte sich einfach Hit an Hit: „Don’t Stop“, „Someday“, „Bad Luck“ und so weiter. Die Gruppe hat aber auch derart viele Knaller im Repertoire, dass sie einfach nichts falsch machen konnten. Sie wirkten live auch dementsprechend professionell und Steve Overland hat einfach eine tolle Stimme. FM sorgten jedenfalls für gute Stimmung bei den Zuschauern.

An dieser Stelle mussten wir uns verabschieden, um die lange Rückfahrt durch Eis und Schnee anzutreten. Deshalb gaben wir die Verantwortung für den Headliner vertrauensvoll in die Hände von Jürgen Weber.

(Autoren: Birgit Kuklinski und Maurice Schreiber)

Dan Reed Network war ein echter Augen- und Ohrenschmaus. Die sehr gut eingespielten Musiker überzeugten mit ihrem groovigem Fusion-Rock nach und nach die anfangs doch mehrheitlich skeptischen Zuschauer. Dan Reed Network zogen sie in ihren Bann. Dan Reed, der seine Musik ganz offensichtlich liebt, ist ein wahres Energiebündel mit Rhythmus im Blut und in seinen Bewegungen. Er lebte seine Leidenschaft  am Sonntag auf der Bühne voll aus und machte am Ende sogar noch einen Ausflug ins Publikum. Kaum einer konnte sich diesem energetischen Funk-Rock entziehen. Man musste zwangsläufig mitwippen. Als Zugabe gab es ein (für mich allerdings entbehrliches) gospelähnliches A Cappella-Stück mit Steve Overland von FM. Für viele war diese Band die Überraschung des Festivals.

(Autor: Jürgen Weber)



Autor: Birgit Kulinski, Maurice Schreiber, Jürgen Weber - Pics: