POKERFACE, SOLITY, FEELAMENT, MY OWN GHOST

Geleen (NL), Café Zaal De Reunie, 08.04.2018

Es ist ein herrlicher Sonntag Nachmittag, als ich mich auf den Weg ins etwa 100 Kilometer entfernte Geleen in den Niederlanden mache. Heute Abend ist Pokerface aus Russland angesagt, eine hierzulande noch recht unbekannte Band, deren neues Album ich vor einiger Zeit rezensiert habe. Diese Hammer-Scheibe hat sich fest in meine Gehörgänge eingebrannt, und ich hatte nicht erwartet, die Band einmal zeitnah live zu sehen. Sicher gibt es auch Gigs im Ruhrgebiet, aber hier bei Theo und Astrid im altehrwürdigen Café Zaal De Reunie ist es weitaus gemütlicher. Auch heute wieder ein Musterbeispiel an Gastfreundschaft: Überall stehen Ostereier aus Schokolade sowie echte Ostereier zum Verzehr für die Gäste bereit. Während ich mit den Bandmitgliedern von Pokerface und Feelament entspannt im dazugehörigen Biergarten sitze, brutzelt Theo am Grill. „Komm, iss doch etwas mit!“, lautet die freundliche Aufforderung, die ich natürlich nicht ablehnen kann. Und auch die Musiker sind begeistert, da sie erfreulicherweise noch nicht dem veganen Wahn verfallen sind und sich so die Hähnchenkeulen, Grillwürstchen und Steaks schmecken lassen, dazu ein leckeres Bierchen. Das Leben ist schön!

My Own Ghost - live - 2018Nun fordert das schöne Wetter, die Formel Eins-Übertragung im TV und eine Motorradsegnung ganz in der Nähe leider Tribut, und es verlaufen sich nicht wirklich viele Zuschauer in den schönen Saal De Reunie. Trotzdem geht es pünktlich um Zwanzig Uhr mit My Own Ghost los. Die Band aus Luxemburg um Frontsängerin Julie Rodesch, Gitarrist David Soppelsa, Bassist Joe May und Schlagzeuger Michael Stein spielt frischen Rockpop, den man sich gut anhören kann. Sie variieren die verschiedenen Einflüsse zu einem leicht verdaulichen Extrakt über dem Julies warme und doch sehr kräftige Stimme thront. Für meinen Geschmack könnte jedoch alles etwas härter sein, im Hinblick auf den Headliner jedenfalls.

Setlist: Footprints In The Sand, Broken Mirror, ETS, Beautiful Mistake, Waiting In The Wings, Crystal Ball, Don’t Say You Love Me, Intoxicated

Feelament - live - 2018Als zweite sind jetzt Feelament aus der Nähe von Moskau an der Reihe, und Sängerin Maria sieht man an, dass sie ein wenig frustriert ist ob der wenigen Zuschauer. Trotzdem gibt sie direkt Gas, eben professionell wie sich das für einen Rockmusiker gehört. Und jetzt habe ich auch direkt Spaß inne Backen, wie man im Ruhrpott sagen würde. Ein kleines bisschen wie Jinjer denke ich, schöner sauber gespielter Metalcore, Nu Metal oder wie auch immer man das einordnen möchte. Mir doch egal, Hauptsache es rockt, denke ich. Und das tut es ordentlich! Die Front-Elfe bangt und schüttelt ihr Haar absolut prachtvoll. Dazu ist der Sound sehr geil, und die Band nutzt den Platz auf der Bühne weidlich aus. So spielt die Band sich direkt in mein Herz, und ich werde ein Auge darauf haben, wenn sie mal wieder in unserer Gegend gastieren. Timur Jabbarov an der Gitarre, Yaroslav Bugakov am Bass, Schlagzeuger Nikita Ladygin und die stimmgewaltige Mascha Balyasova (oder eben mit dem Künstlernamen Maria Feelament) haben wirkliches Potential. Einzigartig ihr Pantera-Cover „Walk“; das Mädel hat wirklich Power in der Kehle! Die muss ich unbedingt noch einmal sehen!

Setlist: Trapped, Hate Delivery, Obsessed, Power & Glory, What's The Price, Walk, Incurable Disease

Solity - live - 2018Als Ausnahme-Erscheinung belegt eine „Male-Fronted“-Kombo aus Schweden den dritten Slot heute, die Jungs von Solity. Die rocken gleich los, als ob sie vor einer ausverkauften Venue stehen würden. Und hier wird ein grooviges Menu aus den verschiedenen Ingredienzen serviert. Kein Stück ist wie das andere, immer gewürzt mit ein paar altbekannten Versatzstücken der Rock-Geschichte. Ziemlich energiegeladen überrascht die Truppe jetzt das Publikum durch ihren eingängigen Losgeh-Rock. Ein Haufen Thrash liebender Verrückter mit einem Hauch der Arena-Rocker aus den Achtzigern, melodische Gitarren und ein sattes Schlagzeug-Fundament sorgen für die richtige Stimmung. Sänger Jonas Flink, Gitarrist Max Eriksson, Bassist Jesper Nielsen und Schlagzeuger Henrik Dahlgreen begeistern die Gäste mit ihrer relaxten Rock-Show.

Setlist: Intro, Things, Playboy Boogie, Spitfire, Mr. Majesty, For You, Noone, We Are Not Dead Yet, Shit Rolls Downhill

Pokerface - live - 2018Jetzt wird es Zeit für den auch aus dem fernen Russland kommenden Headliner Pokerface, und wahrlich es gibt kein Halten; direkt Vollgas auf die Zwölf. Nach einigen Wechseln im Line-Up hat man nun scheinbar die optimale Besetzung der Band gefunden, was deutlich zu hören ist. Front-Lady Alexandra Orlova, besser bekannt als Lady Owl, röhrt wie eine Hirschkuh, kann aber auch ganz sanfte Töne; ein Wechselbad der Stimmen, dahinter eine bestens eingespielte Band bestehend aus Xen Ritter an der Gitarre, Roman Pankow an der Schießbude, Dmitry Morozov am Bass und - last but not least - ein zusätzlicher Live-Gitarrist, dessen Name mir leider entfallen ist. Eine mörderische Riff-Maschinerie, die hier mit durchgetretenem Pedal über die Bühne fegt, dazu eine sich den Arsch abbrockende Rampensau! Kaum zu glauben, dass es sich hier um die gleiche, unauffällig smarte Lady handelt, mit der ich eben vor der Show noch zusammen im Biergarten zu einem locker, entspannten Interview-Termin gesessen habe. Pokerface ist gekommen, um zu zerstören und verbrannte Erde zu hinterlassen. Sie pusten dir auch die letzten Reste Schmalz aus den Ohrmuscheln. Ähnlichkeiten mit Sodom, Kreator oder auch Testament sind durchaus gewollt und gehören auch zu den Einflüssen der Band, wie man heute Abend deutlich hören kann. Den krönenden Abschluss bildet dann noch eine Cover-Version von „Ace Of Spades“, bevor der Abend zu Ende geht. Ein Klasse Metal-Paket zu einem lächerlich geringen Eintrittspreis, und wer den Arsch nicht hoch bekommen hat, ist selber schuld!

Setlist: Kingdom Of Hate, Play Or Die, The World Is Yours, Creepy Guests, Straight Flush, The Fatal Scythe, No Gods/You Will Know, Cry Pray Die, Game On, Pentagram, Ace Of Spades



Autor: Pistol Schmidt - Pics: Pistol Schmidt