SCHLOSSGARTEN OPEN AIR 2018

Osnabrück, Schlossgarten, 10. und 11. August 2018

Das Schlossgarten Open Air in Osnabrück, präsentiert vom Rosenhof, geht in die vierte Runde und wartet am zweiten Wochenende im August mit einem Programm auf, wie es konträrer kaum ausfallen kann. Während der Freitag mit den deutschen Folkrockern Fiddler´s Green, den amerikanischen Dropkick Murphys und der lokalen Punkgröße Donots, ganz im Zeichen des Rock, Metal und Punk, beziehungsweise der härteren, gitarrenorientierten Mucke steht, gibt es am Samstag poppigen Rock von Daniel Wirtz, sanften Pop und Soul von der hochdekorierten Sarah Connor (unter anderem Word Music Award, Echo, Goldene Kamera, Comet, Bravo Otto) und zudem feiert die deutsche Ausnahmekünstlerin Nena ihr vierzigjähriges Bühnenjubiläum. Das Konzept geht voll auf und die weiträumigen Areale des Schlossgartens werden in den beiden Tagen bei bestem Wetter von rund 20.000 Gästen besucht. Neben bester Unterhaltung hat das Festival auch einen karitativen Ansatz. So kommt der Pfand von je einem Euro für die in gesonderten Behältern abgegebenen Plastikbecher der HelpAge Deutschland zu Gute.

 

Freitag, 10.08.2018 

Fiddlers - 1Nach dem Einlass, der an beiden Tagen jeweils um 16:00 Uhr beginnt, wird der Freitag um 18:00 Uhr von Fiddler´s Green aus Erlangen eröffnet. Das Quintett mit Sänger Ralf Albi Albers, der unter anderem noch Gitarre und die irische Bouzouki spielt und dem phänomenalen Dr. Robert Oppel an der Violine, empfängt die sich langsam füllende Location mit feinstem irischen Folkrock mit ordentlichem Speedeinschlag. Nach dem Opener "The More The Merrier" ist spätestens beim zackigen "Sporting Day" alles auf den Beinen, tanzt und hat ordentlich Spaß. Die Areal füllt sich immer mehr mit quietschfidelen und tanzwütigen Rockfans und spätesten ab "A Night In Dublin", welches mit viel "Whoowhoo"-Chören begleitet wird, ist bis zum ersten Wellenbrecher alles proppevoll. Nach dem traditionellen Cover "John Kanaka" wird beim nächsten Traditionssong "Rocky Road To Dublin" eine breite Gasse im Publikum angelegt und alles für eine Art "Wall of Death", hier eher "Dance of Death", bereit gemacht. Klasse kommt auch "The Night Pat Murphy Died", eine typische Folknummer mit ordentlichen Chorusanteilen. "The Leaving Of Liverpool" kennt jeder und mit der tollen Mitmachnummer "Folk´s Not Dead" geht die klasse Rockparty viel zu schnell zu Ende. 

 

Donuts-2Zum meiner Schande muss ich gestehen, dass mir die Donots noch nie zuvor untergekommen sind, obwohl sie seit Jahren die Szenelocation Rosenhof in Osnabrück, teils mehrere Tage hintereinander ausverkaufen und als ein Art lokale Größe zählen. Der Fünfer stammt dabei nicht aus Osnabrück sondern dem benachbarten Ibbenbüren, wenn auch Sänger Ingo Knollmann einige Zeit um die Ecke gewohnt hat, was nach entsprechender Angabe beim heutigen Gig durch lauten Jubel honoriert wird. Die Donots, abgeleitet von don´ts = do nothing, gründeten sich 1993 über die beiden Brüder Ingo und Guido, der für die Gitarre zuständig ist. Das die beiden miteinander verwandt sind, wird beim Gig überdeutlich. Während Ingo, dabei rotzfrech rein schnauzend ins Mikro, die Bühne rauf und runter rennt und bevorzugt im mittleren Bühnenpart artistische Sprünge mit weit gespreizten Beinen absolviert, wobei ihm die Sprungrichtung zum Leidwesen der Fotografen schnurzpiepsegal ist, so dass man des häufigeren den Shouter nur von hinten im Sprung erwischt, kann Guido seine Beine beim Hochreißen der Gitarre so dermaßen verkreuzen, dass man meint eine knochenlose Marionette vor sich zu haben. Abgeliefert wird frecher Punkrock mit ordentlicher Arschtrittgarantie, begleitet von "Nazis raus!"-Rufen bei "Whatever Forever". Hier merkt Ingo an, dass die Rufe zwar sehr passend sind, aber bei ihren Gigs mit entsprechend gerichtetem Publikum nur wenig Sinn machen und besser auf anderen Veranstaltungen lauthals zum Besten gegeben werden sollten. Sein Dank geht an Fiddler´s Green für einen schweinegeilen Gig und bei "Ich Mach Nicht Mehr Mit", "Dann Ohne Mich" und "Kaputt" wird wieder richtig abgerockt und der eine oder andere Circle Pit in das Grün des Schlossgartens gestampft. Das die Donots nicht nur volle Pulle können sondern auch gute Songschreiber sind beweisen sie mit dem ziemlich ruhigen, melodischen und wie eine Hymne aufgezogenem "Stop The Clocks". Ingo quasselt irgendwas von Batikshirts und schon erheben sich einige, bunte Gesellen auf den Rücken der Massen. "We´re Not Gonna Take It", ein Cover von Twisted Sister, ist den Donots wie auf den Leib geschrieben und beim Rausschmeißer "So Long" setzen sich ganze Reihen hin und fangen an zu rudern. 

 

Dropkick -2Um 21:15 Uhr ist dann irisch-amerikanischer Folk-Punk von den Dropkick Murphys aus Boston angesagt. Wer je einen Gig des Sechsers mit dem kappentragenden Shouter Al Barr, in vielen Songs unterstützt durch den singenden Basser Ken Casey, erlebt hat, der weiß was nun kommt. Der Punk mit allerlei illustren Instrumenten wie Mandoline, Tin Whistle und Banjo, der natürlich richtig gut ist, verkommt eher zur Nebensache und ist nur Beiwerk für die Party, die nun abgeht. Mosh- und Circlepits werden ab sofort zuhauf und ohne Unterbrechung in den Grund gestampft, die Crowdsurfer (unter anderem auch ein Rollstuhlfahrer) kommen nun reihenweise an den Bühnenrand und nachdem man sich bei den Donots noch angeschickert hat, fließt der Gerstensaft nun in Strömen. Das meiste des Gebräus geht in die Kehlen, ein Teil wird über die nachbarschaftlichen Mosher verteilt und der Rest fließt im hohen Bogen durch die Crowd und erzeugt im Lichtgewitter interessante Tropfenstrukturen. Nach "Captain Kelly's Kitchen" ist richtig Mitgrölen bei "The Boys Are Back" angesagt und mit der Mandoline geht es rein das zackige "Prisoner´s Song". Den irischen Folk von "Johnny, I Hardly Knew Ya" kennt jeder und wird daher auch aus tausenden Kehlen mitgesungen und richtig geschunkelt wird beim traditionellen Cover "The Wild Rover". Während es bei "The State Of Massachusetts" noch einigermaßen gesittet zur Sache geht, ist bei "The Walking Dead" wieder volle Pulle angesagt. Das großartige "Paying My Way" stammt vom letzten Output "11 Short Stories Of Pain & Glory" aus 2017 und kann in Phasen durchaus als hymnisch und zum inne halten angesehen werden, ganz anders als das zappelige "The Irish Rover". "Firts Class Loser" ist auch so eine geile Nummer mit allerlei Pfeifen und Flöten und, nach zahlreichen "Let´s go Murphys" - Chören gibt es dann natürlich die Übernummer "Rose Tattoo". In der Zugabe ein Cover von The Progues mit "The Body Of American", die bandeigene Hymne "I´m Shipping Up To Boston" und nochmal ein Cover von AC/DC mit "Dirty Deeds Done Dirty Cheap", ehe es mit "My Way" von Frank Sinatra nach draußen geht. 

 

Samstag, 11.08.2018 

Der heutige Morgen startet mit ziemlich viel Stress. Fälschlicherweise bin ich davon ausgegangen, dass meine Akkreditierung für das gesamte Open Air und nicht nur für den Freitag gilt. Also ran ans Telefonieren bis die Akkus glühen und mit viel Glück und einer lieben Dame des lokalen Veranstalters bin ich auch am Samstag dabei. Insbesondere Nena, mit der am 29. März 1984 meine Konzertbesuche in der damals zum Bersten gefüllten Halle Münsterland losgingen, wollte ich mir nicht entgehen lassen. Leider kam die Akkreditierung für den Samstag zu spät, so dass ich für die Nena-Show keinen Fotopass mehr bekomme und auch Sarah Connor darf nur vom FOH aus fotografiert werden. 

Wirtz - 1Der Samstag beginnt, wie gewohnt um 18:00 Uhr, mit dem deutschen Sänger und Songwriter Daniel Wirtz, besser bekannt als Wirtz, der seit 2007 auf Solopfaden daher kommt und vorher bei Sub7even als Fronter und Sänger agierte. 2008 erschien mit "11 Zeugen" sein Debütwerk und "Die Fünfte Dimension" von 2017 ist bereits sein fünfter Longplayer. Cool, mit Bart und Sonnenbrille und umgehängter Klampfe, begleitet von einer rockigen Truppe aus zwei Hüte tragenden Gitarristen, Basser und Schlagzeuger performt Wirtz seinen Auftritt und konzentriert sich dabei räumlich vornehmlich auf die Mitte. Im Vergleich zum Vortag ist hier nun eine Art Laufsteg in Richtung Publikum aufgebaut, den Daniel aber primär den nach ihm auftretenden Damen überlässt. Eine runde Stunde begeistert Wirtz seine Fans im steten Wechsel zwischen hardrockigen Riffs, hier und da mal stromlosen Gitarreneinlagen und vor allen Dingen mit gefühlvollen und nachdenklich machenden Nummern. "Die fünfte Dimension", "Wer Wir Waren", "Liebe", "Entdeckung Der Langsamkeit", "Gib Mich Nicht Auf", "Bilder von Damals", "Moment für die Ewigkeit" oder "10 Jahre" sind Songs vom letzten Album und zeigen schon vom Titel her, wohin die Reise geht. Am Ende referiert Daniel über ertrunkene Flüchtlinge im Mittelmeer, die Not dieser Menschen und unsere Pflicht zur uneingeschränkten Hilfe, erhält dafür ganz viel Beifall und widmet diese Thematik auch seinem letzten Song des Abends.

 

 

Nena - liveMit 25 Millionen Tonträgern ist Nena eine der erfolgreichsten deutschen Künstlerinnen und seit mittlerweile vierzig Jahren dabei. Die aus Hagen stammende Sängerin mit dem richtigen Namen Gabriele Susanne Kerner begann mit der Punk- und Rockgruppe The Stripes, die zwischen 1978 und 1982, die regionalen Bühnen im Sauerland unsicher machten. Danach wurde im Zuge der Neuen Deutschen Welle die Gruppe Nena ins Leben gerufen, deren kometenhafter Aufstieg noch im ersten Jahr mit dem Song "99 Luftballons" aus dem Debütalbum "Nena" begann und sie zum Aushängeschild der deutschen Musikbewegung machte. Im Februar 2015 erschien mit "Oldschool" das mittlerweile achtzehnte und bislang letzte Studioalbum der Band. Der heutige Auftritt beim Schlossgarten Open Air ist Teil der "Nichts Versämt" - Tour der mittlerweile 58-jährigen Sängerin. Neben der Band wirken auch Nena`s Kinder, nämlich Tochter Larissa und Sohn Sakias an den Backing-Vocals mit und bei "Weisses Schiff" singt der Sohnemann sogar alleine. Nena, mit langen, glatten, schwarzen Haaren, gedresst in einer schwarzen Lederhose und mit einer weißen Lederjacke mit zig herum wirbelnden Fransen, gibt sich auf der Bühne unglaublich spritzig, schnell, rennt und tanzt die Bühne rauf und steckt voller Energie und verkörpert pure Lebensfreude. Sie sieht einfach umwerfend aus, hat nichts von ihrem Charme verloren und deutlich merkt man ihr den Spass an, wenn sie mit dem Publikum spielt, mit den Fans interagiert und sich über die abhottenden Reihen freut. Hits wie "Indianer", "Nur Geträumt", "Rette Mich", "? (Fragezeichen)", "Tanz auf dem Vulkan" und "Feuer Und Flamme" sind selbstverständlich Teil der heutigen Setlist. Nach einem sehr sanften Liebessong, gesungen mit Tochter Larissa, schlägt die Sängerin ein paar Licks auf der Gitarre an und wechselt zu einer kleineren Bühne, die vor dem FOH aufgebaut wurde. Sie hat nun ihre weiße Fransenjacke abgelegt und erinnert im schwarzen T-Shirt an eine Joan Jett, die zusammen mit dem Schlagzeuger und dem Basser heftigeren Punkrock zelebriert, wohl in Erinnerung an die alten Zeiten mit The Stripes. Während Sakias auf der Hauptbühne mit wirklich toller Stimme das Publikum unterhält, wechselt Nena mit Gefolge, quer durch die Zuschauer, wieder zur Hauptbühne. Nach ein paar weiteren Nummern, unterer anderem auch "Leuchturm" wird wieder ein bisschen auf den Klampfen geschrabbelt. Das müsste "Jumpin´ Jack Flash" von The Rolling Stones sein. Dann erklingt "Hast du etwas Zeit für mich ..." und wieder mal gehen tausende Hände in die Höhe wenn die "99 Luftballons" erklingen, die in der Realität aus vier riesigen Ballons mit dem Aufdruck "Love" bestehen und von der Bühne, angeschoben von ein paar Kids in Richtung Publikum fliegen. Fast überganslos gehen die Ballone im Song in eine weitere Übernummer, nämlich "Hey Jude" von The Beatles über, der das fulminante Finale ankündigt. In der Zugabe gibt es dann mit "Oldschool" den Titeltrack des letzten Albums, gefolgt von "Willst Du Mit Mir Gehen" mit wiederum musikalischer Unterstützung von Nenas eigenen Kids. Mit "Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann", verpackt in ein Medley, ist dann endgültig Schluss. 

 

Sarah - 1Mit etwas Verspätung, nämlich um 21:30 Uhr ist dann Zeit für den Headliner. Sarah Connor, toll zurecht gemacht, in einem hellblauen Jumpsuit mit ein paar Verzierungen, sehr kurzem Beinteil und locker getragenem Hut, hat gerade noch in Uelzen gespielt und ist nebst Band per Hubschrauber nach Osnabrück geflogen, wie sie ihren Fans verkündet. Ganz offensichtlich hat ihr das Fliegen dabei wenig Spaß gemacht, denn sie ist völlig überrascht in den ersten Reihen einige Fans vorzufinden, die ebenfalls in Uelzen waren, den Weg allerdings ohne Helicopter bestritten haben. 2015 erschien mit "Muttersprache" Sarahs erstes, durchweg deutschsprachiges Album, welches von Kritikern zum besten Album im deutschen Soulpop avancierte, ihr zweites Nr. 1 - Album in Deutschland wurde und für eine Million verkaufte Exemplare dann Fünffach-Platin bekam. Mit sechs deutschsprachigen Titeln, unter anderem "Halt Mich", "Deutsches Liebeslied" und "Meine Insel" beginnt sie ihre Performance, geprägt von sanftem, poppigem Soul mit Unterstützung einer hervorragenden Band und drei schwarzen Soulsängerinnen aller erster Güte. Richtig sympathisch und ganz locker agiert auch sie, wie Nena, über die sie voll des Lobes ist und als eine der größten Sängerin im deutschen Musikbusiness bezeichnet, mit dem Publikum, flachst hier und da mit den Fans, freut sich über den Erfolg von "Muttersprache" und verspricht weitere Songs in deutscher Sprache aufzunehmen. Sarah - 2Dann geht sie zu ihren musikalischen Ursprüngen zurück und es folgen nun eine ganz Reihe englischsprachiger Titel, wie "French Kissing" oder "Let´s Get Back To bed - Boy" von ihrem allerersten Album "Green Eyed Soul" von 2001. Von "Unbelieveable" von 2002 folgt "Bounce" und mit "Rock With You" gibt es ein Cover von Michael Jackson. Das richtige dunkle, soulige "From Sarah With Love" trägt sie ganz alleine, nur in Begleitung ihres Gitarristen, dabei fein gespottet, vor. Zum Titeltrack "The Time Of My Live" von "Dirty Dancing" mit Patrick Swayze und Jennifer Gray in den Hauptrollen kommt mit dem Mädchen Nadine eine megagroßer Fan von Sarah auf die Bühne, die zwar nicht so ganz stimmsicher aber dafür erstaunlich textsicher den Song daher trällert und bereits fünfzehn Jahre auf eine Selfie mit Frau Connor gewartet hat. So was rührt natürlich die Besucher und der Jubel will kaum enden. In Begleitung nur einer Akustikgitarre gibt es danach das super sanfte "Das Leben Ist Schön", gefolgt von "Keiner Ist Wie Du", einem Cover von Gregor Meyle. Auf Zurufen eines weiteren Fans, der seit einer gefühlten halben Stunde "Bonnie & Clyde" ruft, gibt Sarah dem Drängen dann scheinbar wiederwillig nach. "So wie ich?, So wie Ihr? ist der Refrain von "Kommst Du Mit Ihr" und "...Mit all deinen Farben und deinen Narben..." ist aus dem abgeklatschten "Wie Schön Du Bist". Nach dem insgesamt eher ruhigerem Pop und Soul folgt dann mit "Baby Love" ein richtig rockiges und zum Tanzen einladendes Cover der amerikaníschen Funk-Rock-Soul-Band Mother´s Finest mit Sängerin Joyce "Baby Jean" Kennedy. Mit Marvin Gaye und seinem "Sexual Healing" geht der schwarze Soul weiter, ehe Sarah dann ihre tolle Band vorstellt und zum Abschluss mit "Es War Richtig Geil" noch einen ganz neuen Song vorstellt. Es ist noch etwas Zeit bis 23:30 Uhr und so folgt dann mit "Augen Auf" und der Textzeile "...wen du liebst..." der wirklich letzte Song dieses rundum gelungenen Abends und eines richtig tollen Open Airs.



Autor: Andreas Gey - Pics: Andreas Gey