KÄRBHOLZ - Wo Kärbholz draufsteht, ist auch Kärbholz drin


Der Deutschrock hat mit den Böhsen Onkelz und Rammstein einen völlig anderen Stellenwert bekommen. Kein Wunder, dass etliche Bands nahtlos anschließen wollen und können. Natürlich hat jeder seine eigenen Nuancen, aber manchmal mit den gleichen Problemen zu kämpfen. Kärbholz besteht seit dem Jahr 2003, kann mittlerweile auf acht Alben und ein handfeste Zuhörerschaft zurückgreifen. Man gehört vielleicht zum zweiten Frühling, kann sich aber mit Erfolg durchaus behaupten. Das neue Album warf bei den Fans einige Kontroversen auf, dass selbst die Band erstaunte, und so wollte ich Gitarrist, Band-Mitbegründer, Komponist und Texter der Band, Adrian Kuhn, zu einem Gespräch einladen.

logoSteve: Früher habe ich den Satz: „Wo XY drauf steht, ist auch XY drin“, ziemlich blöd gefunden; so als faule Ausrede für jemanden, der keine Lust hat zu schreiben. Heute nach über dreißig Jahren als Rezensent geht mir das ziemlich oft so, und es ist auch der Fall bei Eurem neuen Opus. Kann man das für Dich so stehen lassen, oder gibt es da Innovationen, die ich überhört habe?

Adrian: Eigentlich habe ich mir das auch so gedacht, aber die Realität sieht anders aus. Die Schere der Aussagen von Fans geht da etwas auseinander. Das eine Lager fragt sich, was das für eine Grütze ist, „Fällt denen nichts mehr ein?" oder, „Warum sind wir nicht mehr so fetzig?", und das andere Lager ergötzt sich an den Texten und empfindet das Album als Götterdämmerung. Wir bekommen teilweise Komplimente, die es noch nie gab. Diese Diskrepanz an Reaktionen hat mich schon gewundert. Wir alle haben gedacht, dass wir ein nahtloses Anknüpfen ans letzte Werk geschafft haben. Bei den schnelleren Stücken sind wir sogar flotter geworden und haben angefangen, mit Riffs zu arbeiten oder die Gitarre auf Drop-Tuning umzustimmen. Das hat sich seit dem letzten Album so eingeschlichen, damit hatte ich vorher keine Berührungspunkte. Wir haben immer alles gemacht, wie uns der Schnabel wächst, und von Quantensprüngen sind wir weit entfernt. Wir waren nie total festgefahren, aber auf „Herz & Verstand“ gibt es amtliche Kärbholz-Musik. Aber es scheint, nur weil wir etwas gut finden, muss es nicht unbedingt beim Hörer auch so sein.

Steve: Dann sehen wir die Sache ja ähnlich, denn ich habe geschrieben, dass Ihr melodischer geworden seid und die Hooklines etwas interessanter sind, und die Gitarren-Riffs teilweise in den Metal driften. Ansonsten habe ich ein reines Kärbholz-Album gehört. Ich muss gestehen, ich habe vorher noch mal auf unserer Seite recherchiert, und wir hatten bis dato fünf verschiedene Redakteure, die Eure Alben besprochen haben. Es gab fünf Mal die gleiche Meinung und die hohen Bewertungen. Das hat bei uns absoluten Sonderstatus und spricht für Euch! Ich habe mal bei der Konkurrenz reingeschaut und manchmal, gerade für Balladen, gibt es für Euch derbe Kritiken. Wie geht Ihr damit um, wenn eigentlich alles konstruktiv erarbeitet wurde und dann solche Kommentare kommen?

Adrian: Konstruktive Kritik finde ich immer gut. Natürlich ist das aktuelle Werk absolut Kärbholz, wenn auch mit leicht veränderten Nuancen, wie besondere Melodiebögen oder den Riffs. Textlich ist es ebenfalls ein sehr persönliches, autobiografisches Werk geworden. Ich weiß das, denn die Lyrics stammen von mir. Wenn dem Hörer das auffällt, ist es schön, weil es nicht frei erfunden ist, der Song recht tief geht und aus einer Emotion heraus entstanden ist. Ein Album muss nicht alles bedienen und wenn jetzt jemand der Meinung ist das diese Herangehensweise für uns zu fade oder nicht aggressiv genug ist, kann ich das nachvollziehen. Wir müssen nicht jedem Hörer gefallen. Wir wollen uns nur nicht in Belanglosigkeiten verlieren. Aber es gibt auch Facebooker oder Redakteure, da wird es zu einer persönlichen Sache. Die wollen uns einfach „scheiße“ finden. Da musste ich mich heuer echt ein paar Mal zusammenreißen, dass ich nicht darauf reagiere oder mir einige Aussagen extrem zu Herzen nehme. Ein totaler Verriss der auch auf persönlicher Ebene angreift. Da muss sich derjenige der ein Jahr Arbeit, Energie und Herzblut in ein Album gesteckt hat in Ruhe hinsetzten, sich sammeln und erstmal einen Kaffee trinken, haha.

kaerbholzSteve: Na gut, in den sozialen Medien hat halt jeder seine Meinung; jede Couchpotatoe, die auf der Straße noch nie die Fresse aufgemacht hat. Das bringt die Sache so mit sich; halt wie früher die alten, dicken und versoffenen Säcke, die zur Saison in der Kneipe um die Ecke alle zu Fußballtrainern avancierten, haha. Das kennen wir bei uns in der Redaktion auch. Durch den Zusatz von „Metal“ im Domainnamen, weil „Crossfire“ nicht mehr zu kriegen war, dürfen wir für einige Leser nichts anderes präsentieren. Da haben wir uns damals vielleicht zu wenig Gedanken gemacht, aber wir sind ein Musik-Webzine. Egal, wir werden durchaus öfter als „Verräter“ deklariert, haha, und das von erwachsenen Menschen. Da habt Ihr ja sicherlich schlimmere Anfeindungen erlebt. Schließlich drückt man Euch nicht selten in die rechte Szene oder behauptet, dass Ihr damit kokettiert. Wie geht Ihr damit um?

Adrian: Im Prinzip wehren wir uns gar nicht dagegen. Wir haben es schlichtweg aufgegeben, dagegen zu argumentieren. Man kann mit uns persönlich auf Konzerten mit uns über das Thema reden aber in der Öffentlichkeit macht das nur noch wenig Sinn. Wer uns kennt weiß es besser. Das nervt einfach nur noch. Eigentlich müsste unsere Musik es unmissverständlich anzeigen, wo wir stehen. Man muss uns halt eine Chance geben aber das will auch nicht jeder. Wir haben mit Rechtsradikalismus nichts am Hut. Ganz im Gegenteil! Eigentlich kann man unsere Texte gar nicht falsch interpretieren. In unseren Songs geht es um Selbstreflexion. Man soll den Kopf zum Nachdenken einschalten und auch nicht immer als für bare Münze nehmen. Allein aufgrund der Texte ist das mit dem „Nazisein“ schon hinfällig und das Thema geht mir am Allerwertesten vorbei!

Steve: Warum ist es dann trotzdem so - letztens war ich bei Eisbrecher, da war es ähnlich… - dass ich immer noch meine, dass Ihr eine beträchtliche Anzahl rechte Fans anzieht? Wie kommt es zu diesem Phänomen? Wie bekommt man als bekennender „Nicht-Nazi“ von diesen Fans noch Zuspruch?

Adrian: Also, ich empfinde das nicht mehr so, wie im Gegensatz zu früher, wo wir Gäste des Konzertsaales verweisen mussten. Dennoch ist es verblüffend, wie vielschichtig unser Zuhörerkreis ist. Zudem sind ebenso aller Altersschichten vertreten. Das finde ich großartig. Und wenn sich in diesem Kreis Rechtsradikale angesprochen fühlen, muss es daran liegen, dass sie versteckt ein zartes Seelchen pflegen und sich in irgendwelchen Texten wiederfinden. Das kann durchaus sein, aber ich empfinde es nicht so, dass wir ein Sammelbecken für politisch Desorientierte sind.

Steve: Es gibt ja mittlerweile satt Konkurrenz im Genre. Ihr schießt jetzt ein bisschen nach vorne, aber was ist der Unterschied von Euch zu Bands wie Betontod, Frei.Wild, BRDigung und vielleicht Haudegen? Inwiefern seid Ihr anders, was macht Euch speziell?

Adrian: Ich würde mich jetzt gar nicht gern mit anderen Bands vergleichen wollen. Ich will mich auch nicht über andere Bands erheben. Was uns vielleicht ausmacht, ist, dass wir unseren Weg stets konsequent gegangen sind, ohne auf Erfolg aus zu sein. Trotz der Erfolge, die sich eingestellt haben, machen wir dennoch so weiter, und ich denke, das ist eine Sache, die man uns anhören kann. Intuitive Musik entsteht bei uns. Wir wollen beim Komponieren keine Erwartungen erfüllen. Wir wollen nicht den Mainstream mit der richtigen Anzahl an Balladen bedienen oder am Reißbrett arbeiten. Wir wollen auch nicht gewisse aktuelle politischen Themen als „Muss“ aufnehmen, nur um dabei zu sein. Wir machen eben persönliche Musik, die sich nach den jeweiligen Erlebnissen von Album zu Album etwas ändert und sind deswegen sehr nah bei den Fans.

Steve: Werden Auftritte von Euch noch ab und an mit einem Boykott belegt?

Adrian: Das hatten wir nur einmal in Potsdam. Da gab es ein Festival mit mehreren anderen Bands wie 9MM, Betontod und uns, wo Rechte ihrer Gesinnung freien Lauf gelassen haben. Nächstes Jahr wollten wir an der gleichen Location einen Auftritt machen, aber die örtliche Antifa sorgte mit fettem Druck für einen Boykott. Das gab es aber nur einmal. Einen Monat später haben wir im Schwarzwald gespielt, wo die örtliche Antifa uns in den Himmel gelobt hat, haha. So ist das manchmal.

Steve: Ihr macht regelmäßig ein Fan-Wochenende. Kannst Du darüber ein paar Takte erzählen?

Adrian: Das geht mittlerweile in die vierte Runde. Es nennt sich „Heimspiel“ und findet dieses Jahr in Windeck statt. Es ist ein zweitägiges Festival zusammen mit dem örtlichen Fußball-Verein. Wir sind an beiden Tagen Headliner, wo wir jeweils ein anderes zweistündiges Programm spielen. Pro Tag laden wir im Vorprogramm noch fünf oder sechs andere Acts ein. Wir haben uns damit mittlerweile zu einem der größten Musik-Events der Region gemausert. Die Gemeinde hier hat sich erst gewundert, da ja alles Fans schwarz tragen, haha. In den ersten zwei Jahren wurde das schon misstrauisch beäugt, aber jetzt macht fast ein jeder mit. Beim Metzger gibt es Kärbholzfäller-Steaks und beim Bäcker Kärbholz-Berliner und Brötchen mit den Äxten aus unserem Logo drauf. Alle feiern mit. Der örtliche Fußballverein stellt die Leute für die Zapfanlagen, aber wir sind jetzt an die Grenzen unserer Kapazität angekommen. Es sind immer bis zu 3500 Gäste pro Tag, mit allem Drum und Dran, wie Camping-Platz und so weiter. Für mich ist das wie so ein Miniatur-Wacken. Du kannst durch den Ort gehen, und alles hat sich für zwei Tage lieb, haha.

Steve: Das Ding soll aber nicht mehr wachsen, oder?

Adrian: Nein, es ist mit der Zuschauerzahl sehr überschaubar und ziemlich stressfrei. Es gibt hier zwischen allen eine gute Verständigung, und das soll so bleiben. Es sieht beeindruckend von der Bühne aus, aber im Publikum findet man sich immer wieder. Eigentlich ist es wie so ein verkapptes Hippie-Fest. Wir haben hier zwei Polizisten, die Gott sei dank nie was zu tun haben. Der Eine sitzt im Auto, weil er die Musik nicht mag, der Andere schaut sich alles an, haha. Die Leute kommen mit ihren Kiddies an…drei Generationen…das ist geil.

Steve: Es gibt aber auch andere Events, wo Ihr zu Hause seid, oder?

Adrian: Klar. Auf dem Pfeffelbach Festival spielen wir sogar das fünfte Mal in Folge. Das ist schon erstaunlich. Ich habe den Veranstalter auch gefragt, ob er sich da sicher ist.

kaerbholzSteve: Ja, auf anderen Festivals, wie zum Beispiel dem Bang Your Head in Balingen, ist das häufige Auftreten gleicher Bands zum Einbruch der Besucherzahlen gekommen. Gibt es irgendwelche Besonderheiten, die Dir auf dem Herzen liegen?

Adrian: Ja, da ist diese unsägliche Zugehörigkeitserklärung, als Teil unserer Bandhistorie auf Wikipedia zum F.E.K.9 Festival, was für uns nur ein Auftritt war. Ich weiß nicht, wer das geschrieben hat, und es ist vielleicht auch ein Grund, warum man uns mit Frei.Wild ständig in einen Topf wirft. Und ich habe mich immer gefragt, wie die Leute darauf kommen, bis ich es selber auf der Internetseite gelesen habe. Also, das ist wirklich „aus der Maus einen Elefanten machen". Das war, wie gesagt nur ein Auftritt.

Steve: Was habt Ihr für die nächsten Monate geplant?

Adrian: Es wird natürlich so viel getourt wie möglich und geschaut, wie wir das aushalten… drei Wochen am Stück, haha. Dazu gehört natürlich ein kleines Fitness-Programm. Dazu kommen die Festivals im Sommer. Da kommen wir sogar auf die eine oder andere Burg. Natürlich spiele ich schon mit dem einen oder anderen musikalischen Gedanken. Aber da etwas Konkretes zu sagen, wäre noch zu früh.

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Autor: Steve Burdelak