AEGONIA - In Bulgarien ist Metal leider nicht profitabel...


Kaum jemand kennt Metal aus Bulgarien. Allein für CROSSFIRE sind Aegonia aber – nach Eufobia und Metalwings – bereits die dritte interviewte Band aus diesem Land. Ich bin durch Zufall an diese Band geraten, finde sie aber sehr interessant. Dass Fantasy-Romane von Metal-Bands vertont werden, ist längst nicht mehr ungewöhnlich, wohl aber der Sound dieser Band, die gekonnt Symphonic Metal, mittelalterliche Musik und Folklore eigenständig mit einander paart und sich in keine Schublade stecken lässt. Vergleiche zu anderen Bands fallen mir nicht wirklich ein. Das verträumte Album „The Forgotten Song“ ist aber richtig schön geworden. Klingt kitschig? Ist aber so! Ich nahm zu Gitarrist und Sänger Nikolay Nikolov Kontakt auf, der auch eine Kawal (Längsflöte / Hirtenflöte) auf ihrem bislang einzigen Album „The Forgotten Song“ spielt, und rollte die gesamte Band-Geschichte mit ihm noch einmal von hinten auf.

logoDaniel: Hi Nikolay! Wie geht´s Dir? Bitte erzähl uns doch zunächst, wann und wie es zur Gründung von Aegonia kam!

Nikolay: Hallo! Mir geht es gut, danke! Eli (eigentlich Elitsa Stoyanova, Gesang und Violine) und ich hatten zuvor in einer anderen Band gespielt. Sie spielte Violine und ich Bass. Wir machten Musik nur zum Spaß. Wir spielten nicht live und hatten auch sonst keine ernsthaften Pläne. Es stellte sich irgendwann heraus, dass die anderen Mitglieder keine Zeit für Musik hatten, also haben Eli und ich uns dazu entschlossen, ein neues Projekt zu starten. Zunächst hatten wir nur zu Hause mit Akustikgitarre und Geige gespielt, und dabei sind viele kurze Stücke entstanden. Damit hat alles angefangen. Eines Tages sang Eli einfach in paar Textideen zu meiner Gitarre. „Wanting more of it and never finding… Oh, she'll come”. Wir dachten: „Wow, diese Worte scheinen eine interessante Bedeutung zu haben. Wer ist sie?“ Es war der Song „Rain Of Tears”. Dann schrieb sie noch mehr Texte für andere Songs und fanden heraus, dass sie alle im Zusammenhang stehen und eine komplette Geschichte erzählen. Wir sind alle große Fans von Fantasy-Büchern, und es war sehr interessant für uns, diese Geschichte nach und nach zu verraten. Wir haben über die Geschichte diskutiert, und durch die Musik ist dann „The Forgotten Song“ entstanden. Eli schrieb diesen Roman unter dem Pseudonym Nea Stand. In weniger als einem Jahr schrieben wir zwölf Songs und entschieden uns, daraus ein Album zu machen. Zu dem Zeitpunkt war die Band noch nicht einmal komplett.

Daniel: Hattet Ihr zuvor schon in anderen Bands gespielt?

Nikolay: Wie bereits erwähnt, spielten wir zuvor in einer anderen Band: Krik Gret. Die Mitglieder waren zwei Freunde aus meiner Kindheit, mein Bruder und ich. Eli kam später hinzu. Wir spielten sogar sehr originelle Musik mit vielen verschiedenen Einflüssen, von Metal über Funk und Folklore bis Doom. Allerdings waren wir noch keine sonderlich guten Musiker und hatten auch noch keine Aufnahmen gemacht zu der Zeit.   

Daniel: Welche Bands zählen zu Euren Haupteinflüssen?

Nikolay: Wir sind große Fans von skandinavischen und vor allem finnischen Metal-Bands. Wir mögen alle die dunkle, melancholische Stimmung in ihrer Musik. Um mal ein paar Namen zu nennen: Insomnium, Trees Of Eternity, Amorphis, Opeth, In Flames, Therion, Nightwish. Es ist allerdings interessant, dass wir nie versucht haben, so wie sie zu klingen. Der Grund dafür liegt wahrscheinlich darin, dass wir nicht sonderlich gut beim Covern von Songs sind, hehe!   

Daniel: Bitte lass uns doch mal über die Texte Eures bislang einzigen Albums „The Forgotten Song” reden! Es scheint sich um ein Konzeptalbum zu handeln. Worum geht es da genau?  

Nikolay: Ja, „The Forgotten Song” ist der Titel des Albums und des Fantasy-Romans von Nea Stand. Das Album und das Buch basieren auf derselben Geschichte. Das Buch ist nur ein Teil von mindestens drei Büchern. Der Titel der gesamten Saga lautet „Tales From The Lands Of Aegonia”. Aegonia ist der Name einer alten Stadt in dieser Fantasy-Welt. Das erste Buch wurde 2012 in Bulgarien veröffentlicht. Es wird noch in diesem Jahr auch auf Englisch als eBook erscheinen. Auch das zweite Buch wird noch in diesem Jahr erscheinen. Das dritte Buch ist noch nicht fertig geschrieben. Die Geschichte beginnt in einem kleinen Dorf in den Bergen. Plötzlich geschieht etwas Ungewöhnliches: Die Sonne geht nicht mehr auf… 

Daniel: Könntet Ihr Euch vorstellen, in Zukunft noch weitere Konzeptalben aufzunehmen; vielleicht sogar über alte bulgarische Sagen in Eurer Landessprache? Oder welche Fantasy-Autoren oder Sagen wären für Dich noch dafür interessant? 

Nikolay: Die bulgarische Folklore ist auch ein großer Einfluss für unsere Musik. Wir haben zwei Songs mit bulgarischen Texten, die wie normale Folk-Songs klingen. Sie sind nur kein Teil des Konzeptes auf „The Forgotten Song” und sind deshalb auch nicht auf dem Album enthalten. Die beiden Songs erzählen ihre eigene Geschichte. Der erste Song heißt „The Maid And The Mountain” und der zweite „Samodiva”. Wir werden sie Ende Mai 2019 veröffentlichen. Beide Songs sind eng miteinander verbunden. Sie erzählen eine zusammenhängende Geschichte. Für zukünftige Alben haben wir bereits vier Songs geschrieben, die wieder die Welt von Aegonia behandeln; basierend auf der Geschichte, die im Buch Drei unserer Serie erzählt wird. Es kam so, dass es keine Songs basierend auf Buch Zwei gibt, weil es die Vorgeschichte von Buch Eins erzählt.   

aegoniaDaniel: Die meisten Songs auf dem Album sind mit fünf bis acht Minuten ziemlich lang, was da Ganze für mich epischer macht. Ist das etwas, worauf Ihr bewusst achtet? Oder ist das einfach so passiert?  

Nikolay: Ganz ehrlich: Das ist echt einfach so passiert, hehe! Wir hören alle sehr gern Doom Metal, und in diesem Genre sind die Songs halt alle immer recht lang. 

Daniel: Wie lange habt Ihr gebraucht, um die Songs zu schreiben und aufzunehmen?

Nikolay: Wir haben sehr schnell Ideen für zwölf Songs beisammen gehabt. Als wir uns dazu entschieden, das Album aufzunehmen, stellten wir fest, dass wir noch eine Menge lernen mussten. Wir haben uns deshalb dazu entschlossen, alles selbst in die Hand zu nehmen; vor allem, weil das Aufnehmen und Mischen von Musik ein spannendes Thema für mich war. Der erste Song, den wir aufgenommen hatten, war „Gone”. Das war noch, bevor wir die Band komplett zusammen hatten. Es war eine Aufnahme mit einem elektronischen Schlagzeug usw. Das Resultat war gar nicht mal so schlecht, aber es war von einer professionellen Aufnahme noch meilenweit entfernt. Bald darauf waren wir eine richtige Band – mit Rosen Paskulov am Schlagzeug und Atanas Georgiev am Bass. Die Songs entwickelten sich während der Zeit, in der wir entschieden, die Album-Aufnahmen zu machen.   

Daniel: Wo habt Ihr aufgenommen, und wer hat produziert? 

Nikolay: Wir nahmen das Schlagzeug von Rosen Paskulov und die Rhythmusgitarren im X3M Studio mit unserem Freund Simeon Panov (dem Schlagzeuger der Band Center) auf, der ein sehr guter Mischer für Live-Shows ist. Die restlichen Instrumente und den Gesang haben wir in unserem eigenen Studio aufgenommen. Ich denke, Eli und ich haben das Album letztendlich produziert, hehe. Den Großteil des Abmischens habe ich aber gemeinsam mit Georgi Latev von Ghost Warfare und Simeon Panov gemacht.

Daniel: Euer Album ist als Digipack in Eigenregie erschienen. War das nicht sauteuer? Und gab es kein Label, das an einer Veröffentlichung interessiert gewesen wäre? Wie sieht die Label-Situation überhaupt in Bulgarien aus? Haben kleine Bands bei Euch überhaupt eine Chance? Oder seid Ihr mehr oder weniger auf Euch allein angewiesen?  

Nikolay: Da kann ich leider nichts zu sagen, da wir ja von vornherein alles alleine machen wollten. In Bulgarien ist Metal leider nicht profitabel. Deswegen gibt es hier wohl auch keine Metal-Labels. Für kleine Bands ist es sehr teuer, in einem professionellen Studio aufzunehmen, und vielleicht ist das auch der Grund, warum viele Bands lieber alles alleine machen. Musik machen ist nicht unser Hauptberuf, aber wir stecken all unser Geld in die Musik, so wie viele andere Bands auch.       

Daniel: Es gab vorher keine Demos oder EPs von Euch. War das von Anfang an so geplant? 

Nikolay: Wir feilten sehr lange an dem Sound, der uns vorschwebte. Als wir dann Georgi Latev von Ghost Warfare kennenlernten, half er uns viel beim Abmischen. Dann veröffentlichten wir das Video zu „Restless Mind”. Es gibt noch eine weitere Auskopplung des Albums bei Youtube: „Rain of Tears”, und wir machten noch ein Lyric Video zu „In The Lands Of Aegonia”, nachdem wir das Album fertig hatten. Zunächst hatten wir die Idee, zu jedem einzelnen Song ein Video zu machen, aber das wäre für uns vermutlich zu schwierig geworden. Wir haben unseren Schwerpunkt darauf gelegt, neuen Ideen, die wir haben, Leben einzuhauchen.  

Daniel: Spielt Ihr auch live? Und habt Ihr vielleicht schon einmal im Vorprogramm von größeren Bands bei Euch in der Heimat gespielt? 

Nikolay: Ja, wir spielen live, allerdings nicht so besonders oft. Wir haben bislang nur mit bulgarischen Bands zusammen gespielt, zum Beispiel im Vorprogramm von Charm Designer, The Foreshadowing und Antimatter. Diesen Sommer werden wir auf dem Lost Age Festival in Plovdiv, hier in Bulgarien, spielen.

Daniel: Gibt es auch Pläne für Konzerte bei uns in Deutschland? 

Nikolay: Bislang haben wir in dieser Richtung leider noch nichts geplant. Wenn wir jedoch die Gelegenheit hätten, dann würden wir sie nutzen.  

Daniel: Eure Homepage in der bulgarische Landessprache inclusive kyrillischer Schriftzeichen verfasst. Ist Englisch immer noch so ein großes Problem bei Euch? Oder hat sich das nach dem Fall des Eisernen Vorhangs schon erheblich gebessert?  

Nikolay: Tatsächlich kann man auf unserer Seite Englisch und Bulgarisch anwählen. Englisch hat sich mittlerweile hier in Bulgarien eingebürgert. Kann schon sein, dass sich das nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gebessert hat. Unser Album „The Forgotten Song“ hat ausschließlich englische Texte, wir haben aber auch – wie bereits erwähnt – auch bulgarisch sprachige Songs. Unsere beiden Singles „The Maid And The Mountain” und “Samodiva” sind von bulgarischer Folklore beeinflusst.

Daniel: Bitte lass uns auch kurz über die bulgarische Metal-Szene reden, die weltweit fast niemandem geläufig ist! Ich kenne selbst auch nur ein paar Bandsm wie zum Beispiel Era, Konkurent, Epizod, Impuls, Er Malak, eine Black Metal-Band namens Ork, und von den neueren Bands nur Eufobia und Metalwings (Und lediglich die letzten drei genannten Bands haben englische Texte). Wie sieht die bulgarische Metal-Szene aus? Gibt es viele Bands und Konzertmöglichkeiten? Und unterstützen sich bulgarische Bands gegenseitig, wenn es zum Beispiel um Auftritte geht? 

Nikolay: Es gibt eine ganze Menge Metal-Bands hier in Bulgarien, allerdings ist die Szene nicht sonderlich groß. Das meiste spielt sich in kleinen Clubs und auf Festivals ab. Es ist schwierig, hier bekannt zu werden, weil es hier keine guten Metal-Promoter gibt. Wir versuchen uns immer gegenseitig zu unterstützen. Es gibt hier zum Beispiel das Symphonic Metal Gathering für Symphonic Metal-Bands in Bulgarien, welches die Bands selbst organisieren.

aegoniaDaniel: Seid Ihr in Kontakt mit einigen der oben genannten Bands? Und welche weiteren Metal-Bands aus Eurem Land kannst Du uns noch empfehlen?   

Nikolay: Es gibt sogar sehr viele gute Bands hier in Bulgarien. Um mal ein paar Namen zu nennen, wären da zum Beispiel: Ghost Warfare, Pagliacci, Odd Crew, Smallman, Der Hunds, The A.X.E. Project, Enthronement und Velian.

Daniel: Was steht in naher bis ferner Zukunft so bei Aegonia an? 

Nikolay: Diesen Monat werden wir das Video zu „Samodiva” veröffentlichen, das mit „The Maid And The Mountain” in direktem Zusammenhang steht. Danach werden wir einige Songs veröffentlichen, die bereits fertig zum Aufnehmen sind. Die meisten davon werden auch auf unserem nächsten Album landen, aber wahrscheinlich werden sie zunächst als Singles erscheinen. Wir arbeiten außerdem noch an anderen Ideen, die wir lange an die Seite geschoben hatten. 

Daniel: Na gut, Nikolay! Dann gebührt Dir das Schlusswort!

Nikolay: Vielen Dank für dieses Interview! Keep on rocking!

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Autor: Daniel Müller