WHITESNAKE, SANTA CRUZ

Köln, Palladium, 07.07.2019

Whitesnake - 2019 - Live - 2Das neue fulminante Album „Flesh & Blood" ließ in diesem Frühjahr aufhorchen. Eine solche Scheibe hatte man David Coverdale nicht mehr zugetraut. Nach den beiden letzten Alben aus der neuen Ära, welche eher durchwachsen waren, konnte man diesmal an alte Heldentaten wie „1987“ oder „Slide It In“ anknüpfen. Ich persönlich finde das Opus sogar so gut, dass Whitesnake eine komplette Aufführung der Scheibe hätten machen können. Umso größer war die Spannung und Vorfreude auf das einzige Deutschland Konzert der Band am 7. Juli im Kölner Palladium. Einige meiner Bekannten und Freunde hatte sich aufgrund der stimmlichen Defizite Coverdales entschlossen, Whitesnake nicht mehr live erleben zu wollen. Weil ich nun mal Whitesnake und Davids Stimme liebe, machten wir uns auf den Weg nach Köln.

 

Santa Cruz - liveAls Vorband fungierten Santa Cruz, eine junge Poserband aus Finnland vom Schlage Reckless Love beziehungsweise Crazy Lixx, die bisher schon drei Alben vorweisen können. Power und Spielfreude ohne Ende. Allen voran Frontman Arttu „Archie Cruz“ Kuosmanen rockt, was das Zeug hält. Diese Band sollte man sich auf jeden Fall nochmal in einem Club als Hauptband anschauen. Stücke wie „Changing Of Seasons“ oder „We Are The Ones To Fall“ sind genau der Stoff, auf den auch Fans von Coverdale und Company abfahren. In den 80er Jahren wäre das eine Platin-Formation geworden. Leider blieb die Zeit nur für sechs Songs, und nach einer halben Stunde mussten die Jungs leider schon von der Bühne. Dann hieß es Umbau für Whitesnake.

 

Whitesnake - 2019 - Live - 3Um Punkt 20 Uhr war es dann soweit. Das übliche „Introlied“ „My Generation“ von The Who ertönte, „Are You Ready?“ und ab ging die Post mit „Bad Boys”, einer meiner Lieblingssongs und für mich auch einer der besten Heavy Rock-Knaller überhaupt. Wie auch schon bei den letzten Touren und auf den YouTube-Videos, ist hier zu beobachten, dass die Musiker - außer dem Drummer Tommy Aldridge - die Lead-Vocals von Anfang bis Ende komplett mitsingen. Stört mich jetzt erstmal nicht, wenn es gut kommt. Vermutlich bekommt der gute David den Song alleine in Sachen Volumen nicht mehr so hin oder ist an der Stelle noch nicht ausreichend warm und möchte sich nicht die Stimme am Anfang verheizen. Der Mann ist immerhin sechsundsechzig Jahre alt, und daher ist das vollkommen okay. Es folgten dann mit „Slide It In“ und „Love Ain't No Stranger“ zwei weitere Klassiker kurz hintereinander. Hervorzuheben ist nach wie vor diese auf höchstem Niveau agierende Band, in der jeder einzelne eine Bank ist. Die Aura und Klasse von Doug Aldrich (Gitarrist von 2003 bis 2014) erreicht Joel Hoekstra, trotz bald schon filmreifer Posen, einwandfreien Soli und Zahnpasta-Lächeln, jedoch nicht. Mit Doug hat David vor ein paar Jahren einen Sidekick vom Schlage Adrian Vandenberg (Gitarrist von 1987 bis 1997) beziehungsweise John Sykes (Klampfer von 1983 bis 1986) verloren, dessen Lücke meines Erachtens nicht vollständig ersetzt wurde. Reb Beach, als zeitlängstes Whitesnake-Mitglied, ist aber auch nach wie vor eine Größe und brilliert wie immer schnellen Soli und Licks.

Whitesnake - 2019 - Live - 4Dann mit „Hey You“ die erste Nummer vom neuen Album „Flesh & Blood“. Ein toller Song, der lauthals unterstützt wurde und von der Mannschaft auch gut rüberkommt. Hier merkt man zum ersten Mal deutlich Mister Coverdales begrenzte Stimmform. Ich hatte ihn 2009 zusammen mit Alice Cooper in Oberhausen gesehen. Damals befand sich der Sänger auf seinem Tiefpunkt. Die Stimme versagte stellweise fast komplett. Danach dann 2012 und 2016 war es wieder deutlich besser, obwohl immer noch weit von der früheren Form entfernt. Das restliche Programm bestand dann aus weiteren Klassikern, die einfach in ein Live-Programm reingehören. Leider kamen dann mit „Shut Up And Kiss Me“ sowie „Trouble Is Your Middle Name“ nur noch zwei weitere Songs vom neuen Album. Gerne hätte man da noch mehr gehört.  Das unvermeidliche, aber kurzweile Drumsolo und ein Solo beider Gitarristen, waren zwar nicht unbedingt nötig, aber zugegebenermaßen kam keine Langeweile wie bei manch anderen Solo-Einlagen anderer Acts auf.

Nach sechzig Minuten ertönt dann das Keyboardintro zu „Hear I Go Again“, welches das bald kommende Ende eines Whitesnake-Konzertes ankündigt. Da konnte man eher sagen, „Here I Go Already“. Nach dieser Hymne für die Ewigkeit wurde dann mit „Still Of The Night“, gefolgt von „Burn“, der Auftritt beendet.

Whitesnake - 2019 - Live - 5Bei den Strophen von „Still Of The Night“ versagte dann die Stimme des legendären Sängers teilweise. Man merkte ihm schon bei den Ansagen in der zweiten Hälfte des Konzertes an, dass seine Stimme angeschlagen oder am Ende war an. Das ist für mich als Fan aber verzeihbar. Was dem nicht so ist, ist für mich die Tatsache, dass bei einem komplett ausverkauftem Konzert, einem tobenden frenetischem Publikum von circa viertausend Fans, welche zum Teil viele hundert Kilometer angereist waren, um ihre Helden zu sehen, nach sage und schreibe vierundsiebzig Minuten das Ende eingeläutet wird. An der Stelle: David Coverdale, schäm Dich und schau Dir mal andere Kollegen wie Kiss mit einhundertzwanzig Minuten oder Guns N´Roses mit dreieinhalb Spieldauer an. Man fragt sich nun, woran es gelegen hat, die Fans derart abzuspeisen? War der Sänger am Ende seiner Kräfte, dass nicht noch wenigstens eine Nummer gegangen wäre? Wenn dem so ist, sollte sich der Gute mal überlegen, ob er sich nicht aufs Studio beschränken sollte oder vielleicht eine stimmkräftige zweite Sängerin als Unterstützung für die hohen Parts in die Band holen muss. Beide Varianten würden jedoch das Monument demontieren, und demnach wird er noch einige Zeit weiter so machen. Und wenn die Fans löhnen, wird die Kuh auch weiter gemolken. Ich würde mir wünschen, Dave erkennt den Zahn der Zeit und schickt seine Jungs mit einem neuen unverbrauchten Sänger als „Whitesnake 2.0“ auf Tour, vor weniger Leuten, aber mit einem geballten Programm und ausreichender Spieldauer. 



Autor: Stephan Georg - Pics: Andreas Gey