MOONSPELL, ROTTING CHRIST, SILVER DUST

Bochum, Matrix, 25.10.2019

Moonspell - live - index - 2019Moonspell und Rotting Christ sind schon seit Ende der Achtziger aktiv und waren immer schon wie eine Bruderschaft miteinander verbunden. Beide waren in den Neunzigern bei Century Media unter Vertrag und haben in dieser Zeit musikalisch schon die eine oder andere Odyssee durchgemacht. Während dieser Zeit hatte ich sie auch schon einmal gemeinsam auf der Bühne gesehen: 1996 auf den legendären Out Of The Dark Festivals in den Ruhrrock-Hallen in Dortmund. Nun gehen sie wieder gemeinsam auf Doppel-Headliner-Tour. Beide Bands spielen am heutigen Abend eine jeweils knapp anderthalbstündige Show. Da hat es der nahezu unbekannte Opener natürlich nicht leicht. Da muss optisch schon was her, um das Publikum geduldig in den ersten Reihen zu halten.

Silver Dust - live - 2019Und genau das passiert hier heute auch. Die erste Band heißt Silver Dust und kommt aus der Schweiz. Nie gehört. Aber über diesen Auftritt wird man sicherlich noch lange sprechen. Denn zum einen ist die Musik sehr abwechslungsreich und alles andere als eingängig, dennoch ist die Halle bei ihnen schon sehr gut gefüllt. Zum anderen setzen Silver Dust aber auf bühnentaugliche Theatralik, was live sehr unterhaltsam ist. Die Bühnendeko macht schon mal etwas her: Da steht – neben zwei Bannern links und rechts auf der Bühne – eine Leinwand, die wie ein antiker Spiegel aussieht. Und in diesem Spiegel gibt es sich bewegende Bilder zu sehen, unter anderem den Geist einer blonden Frau mit leeren Augenhöhlen, Schlossgemächer und den Sensenmann im Gewand an einer Orgel sitzen. Das hat Geisterfilm-Atmosphäre. Sänger und Gitarrist Lord Campbell und der andere Gitarrist Tiny Pistol, der auch etwas Gesang beisteuert, treten in alten Gewändern und mit Zylinder auf. Optisch gibt es also einiges zu bieten. Die Musik ist dagegen etwas gewöhnungsbedürftiger, denn Silver Dust lassen sich in keine Schublade stecken. Der Opener ist doomig und tonnenschwer. Beim zweiten Track wird dann aber munter drauflos geballert. Manchmal gibt es Growls, mal aber auch klaren Gesang, der mich an die letzten Crematory-Alben erinnert. Die Musik ist mal rockig und mal groovig, mit seinen tiefen Gitarren auch ziemlich modern. Seid ihr jetzt schlauer? Ich auch nicht. So richtig gefallen will mir das nicht, aber es ist auch zu faszinierend, um einfach die Halle Richtung Getränkestand  zu verlassen. Nach dem dritten Track folgt ein Gitarrenduell mit dem maskierten Orgelspieler im Spiegel, welches von einem nervigen Drumcomputer unterlegt ist. Man sieht anfangs auf dem Bildschirm auch die anderen Bandmitglieder von hinten, wie sie in den Schlosskatakomben verschwinden. Abgefahren! Nach diesem Intermezzo kommt die Band aber zurück und macht dort weiter, wo sie angefangen hatte. Ich weiß nicht, ob mir ihre beiden Alben gefallen würden, aber live hat das als Anheizer schon mal richtig Spaß gemacht!

Rotting Christ - live - 2019Dagegen sind die Griechen Rotting Christ richtig bodenständig. Sänger und Gitarrist Sakis Tolis und sein Bruder Themis am Schlagzeug touren sich seit Jahren förmlich den Arsch ab. Nicht jeder kann da mitziehen, und so kommt es, dass man seit diesem Jahr wieder zwei neue Mitstreiter im Live-Line-Up hat. Der stämmige neue Gitarrist Giannis Kalamatas erinnert dabei optisch an Zakk Wylde. Der Gig ist aber so, wie man es von den Griechen kennt: Der Großteil ihrer Setlist stammt dabei von ihren letzten drei Alben „Kata Ton Daimona Eaytoy" (2013), „Rituals" (2016) und „The Heretics" (2019). Ein paar alte Klassiker gibt es erst in der zweiten Hälfte des Sets. Gestartet wird mit dem doomigen „666“, bevor es mit „Fire, God And Fear“ vom neuen Album deutlich flotter weitergeht. Hier überrascht Sakis übrigens mit einer deutschsprachigen Ansage. Düster wird es bei „Apage Satana“, bei dem es donnernde Kriegstrommeln, Background-Shouts und geheimnisvoll geflüsterte Passagen gibt. Sakis animiert das Publikum immer wieder zum Circle Pit, diesen gibt es aber erstmals beim Auspacken der alten Klassiker. Der erste heute Abend ist das schnelle „The Sign Of Evil Existence“, und das kommt genauso gut an wie das atmosphärische „The Forest Of N´Gai“. Auch beim thrashigen Thou Art Lord-Coversong „Societas Satanas“, einem Nebenprojekt von Sakis, ist in der Menge richtig die Hölle los. Auf „King Of A Stellar War“, welches sie zuletzt immer gespielt hatten, wird heute leider verzichtet. Dafür hat man „Nemecic“ vom tollen 2007er Album „Theogonia" wieder ausgepackt. Danach wird es mit „In Yumen-Xibalba“ wieder richtig düster. Mit „Under The Name Of Legion" reiht sich noch ein weiterer, wenn auch unbekannterer, älterer Titel vom 2002er Album „Genesis" ein, bevor das obligatorische „Non Serviam“ vom 1994 erschienenen, gleichnamigen Meisterwerk der letzte Song des Sets ist. Die Band ist super aufeinander eingespielt. Dass die beiden Neulinge erst seit kurzem dabei sind, ist ihnen nicht anzumerken. Die Spielfreude ist ohne Zweifel da, aber dennoch gefällt heute nicht alles. Zum einen werden die ganzen orchestralen und folkigen Arrangements sowie alle Keyboards nur gesampelt, zum anderen ist natürlich der Sound mal wieder richtig Scheiße hier unten. Der Tunnel ist viel zu lang und viel zu schmal. Noch weniger Platz hat man heute, weil das Mischpult nicht hinten, sondern direkt hinter dem Moshpit mitten im Raum steht. Ich werde nie verstehen, warum die Konzerte in der Matrix nicht in den vorderen Raum verlagert werden, wo der DJ immer die Afrershow-Partys macht. Anvil hatte ich dort schon einmal gesehen, Es war genügend Platz da, und der Sound war auch besser. Keine Ahnung. Dennoch bleibt auch bei Rotting Christ die Hütte voll bis zum Schluss, und die Stimmung im Publikum ist richtig auch gut.

Setlist: 666, Fire God And Fear, Kata Ton Daimona Eaytoy, Apage Satana, Dies Irae, The Sign Of Evil Existence, The Forest Of N´Gai, Societas Satanas (Thou Art Lord-Cover), Nemecic, In Yumen-Xibalba, Grandis Spiritus Diavolos, Under The Name Of Legion, Gloria De Domino Inferni, Non Serviam   

Moonspell - Live - 2019Da kann man doch glatt gespannt sein, was Moonspell heute anstellen. Im Vordergrund steht natürlich immer noch die Promotion für das aktuelle Werk „1755“, welches erstmals ausschließlich portugiesische Texte enthält und 2017 erschienen war. Sänger Fernando Ribeiro erklärt im Vorfeld einiges zu den jeweiligen Songs. Er betritt zunächst allein mit Hut die Bühne und hält eine alte Laterne in der Hand. Moonspell geben sich zum aktuellen Konzept-Album also auch theatralisch. Bis auf Bassist Aires Pareira, der seit 2004 dabei ist, sind hier noch alle Musiker aus den Neunzigern zu sehen. Das ist mir in dieser Form nicht bewusst gewesen. Dementsprechend gut ist die Band aber auch aufeinander eingespielt. Die ersten vier Tracks des Sets sind auch die ersten vier von „1755“. Mit „Opium“ und „Awake“ geht es dann erstmals zurück in das Jahr 1996, in dem das unsterbliche Meisterwerk „Irreligious“ erschienen war, welches „hier ganz in der Nähe aufgenommen wurde“ (O-Ton Fernando Ribeiro; er meint das Woodhouse Studio in Hagen). Die Setlist ist bunt gemischt. Es gibt insgesamt sechs Songs von „1755“ (2017), drei von „Irreligious“ (1996), zwei von „Extinct“ (2015) und jeweils einen von „Night Eternal“ (2008), „The Antidote“ (2003) und „Wolfheart“ (1995), wobei „Alma Mater“ vom letztgenannten Album von allen Songs des heutigen Abends am räudigsten rüberkommt. Der Sound ist insgesamt besser als bei Rotting Christ, was vermutlich daran liegt, dass die orchestralen, bombastischen Sounds alle vom Keyboard (und nicht vom Band) kommen, welches nur aus goldenen Orgelpfeifen zu bestehen scheint und optisch sehr skurril wirkt. Die Band spielt sauber und hat richtig Bock, Sänger Fernando ist ein toller Frontmann und gut bei Stimme. Seinen variablen Gesang, mal aggressiv gegrowlt und mal tief und melodisch gesungen, bringt er live genauso gut rüber wie auf CD, was bei der Dauer des Sets schon ziemlich beeindruckend ist. Nach knapp anderthalb Stunden sind alle im Arsch, aber glücklich. In der engen – übrigens restlos ausverkauften - Halle ist es sehr heiß und proppenvoll. Es ist toll, beide Bands zum ersten Mal seit 1996 mal wieder zusammen gesehen zu haben, und ich bin sehr dankbar für diese nostalgische Zeitreise. In dieser Form ist mit Moonspell und Rotting Christ auf jeden Fall noch lange zu rechnen. Und auch die mir bis dato unbekannten Schweizer von Silver Dust hinterlassen – zumindest showtechnisch – einen bleibenden, positiven Eindruck.   

Setlist: Em Nome Do Medo, 1755, In Tremor Dei, Desastre, Opium, Awake, Night Eternal, Breathe (Until We Are No More), Extinct, Everything Invaded, Ruínas, Evento, Alma Mater, Todos Os Santos, Full Moon Madness



Autor: Daniel Müller - Pics: Daniel Müller