MICHAEL SCHENKER - Ein Fest der Sänger


Nach der Mission Michael Schenker´s Temple Of Rock hat der ehemalige UFO-Gitarrist eine neue Wirkungsplattform gefunden, die er mit etlichen Sängern aus seinem Bekanntenkreis und ehemaligen Wegbegleitern untermauert. Bislang brachte man es auf zwei Longplayer, wovon Nummer Zwei „Revelation“ gerade zur Debatte steht und ordentlich promotet werden soll. Dazu hat man in den Kölner Burger Palast Rock Pit eingeladen. Da ich der letzte Interviewpartner war, konnte ich mich etwas mehr austoben oder Michael einfach mal weiter ausholen…also zumindest fast bis zum Schluss. Dann wurde es doch etwas knapp. Zu einer kleinen Foto-Session konnte ich den Axtschwinger jedoch noch hinreißen. Da ging Herr Schenker nochmal richtig aus sich heraus. Da können andere Promis sich noch eine Scheibe von abschneiden.

logoSteve: Im Vergleich zum letzten Album gibt es ein paar neue Aspekte auf „Revelation“, von denen die Fans wissen sollten?

Michael: Mein Partner in Crime, Michael Voss (Mad Max), hat auf dem Album „Resurrection“ mit dem Song „Warrior“ ein wahres Wunderwerk geschaffen. Das gelang ihm ein weiteres Mal mit dem Track „The Last Supper“. Auf beiden Nummern singen alle vier Shouter: Robin McAuley, Gary Barden, Graham Bonnet und Doogie White. Vossi hat nicht nur die Lyrics geschrieben, sondern auch die Vocal-Lines für jeden. Herrlich! Heuer wollte ich dieses Happening auf vier Beiträgen verwirklichen. Leider haben wir nur drei Lieder geschafft. Bei dem Vierten haben wir festgestellt, dass es zu kompliziert wurde, und bevor wir uns letztendlich völlig verfranzt hätten, brachen wir ab. Das wurde dann „We Are The Voice“, und ich konnte Ronnie Romero begeistern, der schon für Rainbow auf der Bühne stand, die Stimme zu leihen. Er eröffnet für uns nochmal eine komplett andere Dimension. Er singt halt mal ganz anders. Unsere Überraschungs-Gäste sind dann die beiden Drummer Simon Phillips (ex-Toto) und Bodo Schopf. Durch den Tod von Ted McKenna sind wir erstmal in ein tiefes Loch gefallen. Wie er gestorben ist, war einfach nur brutal. Ich habe immer gesagt: „Jungs, der Ted guckt zu. Er will, dass wir weiter rocken“. Auf der „Resurrection Tour“-Part 2 in Nordamerika habe ich auf der Bühne immer zwei Minuten mit ihm gesprochen… also vor dem Publikum. Er war folglich immer dabei. Er ist auch auf der Platte dabei. Es gibt ja die drei Bonus-Live-Tracks. Wir fingen im November 2018 mit den Recordings an und waren Ende März 2019 fertig. Ted starb am 19. Januar. Jetzt mussten wir einen neuen Drummer finden, der bis April 2019 für die anstehende Tour circa fünfundvierzig Songs einübt. Simon Phillips hat begeistert für das Album zugesagt. Aber aufgrund dieses Umstandes habe ich mit Vossi darüber gesprochen, die Gästeliste für das Album zu streichen. Das wäre zu aufwendig geworden. Das nächste Problem war, dass Simon nur für das Studio zur Verfügung stand. Bodo bat sich Gott sei Dank für die Bühne an. Er war ja bekanntlich schon bei McAuley Schenker Group dabei. Simon hat dann zehn Tracks und Bodo drei für „Revelation“ eingespielt. Dann ging der ganze Release-Tross los. Danach kamen etliche Konzerte, sogar mit ZZ Top, und einige Festivals.

michael schenker festSteve: Wenn man Songs für mehrere Sänger schreibt, gibt es da irgendwelche spezifischen Probleme, die man meistern muss?

Michael: Also, ich mach ja den Blueprint. Seit dem siebzehnten Lebensjahr höre ich keine andere Musik und kopiere keinen anderen Gitarristen, denn wir sind schließlich alle einzigartig. Was ich von Herzen erschaffe und komponiere, ist ehrlich meins. Als Bonus-Produkt habe meinen eigenen Stil entwickelt. Slash und viele andere waren der Meinung, so etwas noch nie gehört zu haben. Klar, ist ja auch aus dem Inneren entstanden. Das bin nur ich. Wenn die Musik steht, verschicke ich sie. Der Doogie ist immer schnell. Der haut als erstes zu und nahm die ersten beiden Stücke. So hat sich jeder was ausgesucht, und Graham wollte dieses Mal sogar selber seine Lyrics und Vocal-Lines schreiben. Das hat er echt majestätisch gemacht. Wenn die Parts der Sänger stehen, hole ich mir die Musiker zusammen, und wir machen das Haus schön.

Steve: Jetzt kenne ich Michael Voss und seine Arbeit, circa gefühlte achthundert Jahre lang, haha, weil er unheimlich viele Produktionen gemacht hat. Oftmals lege ich eine neue Scheibe ein und höre seine Arbeit gleich raus, insbesondere wenn er seine Backing-Vocals bereit gestellt hat. Wie schaffst Du das, dass er sich bei Dir nicht so ganz hörbar einbringt?

Michael: Ich beschütze Michael Schenker Musik, haha. Das weiß er auch. Anfangs fing er immer an, mir beim Gitarre spielen zuzugucken. Ich musste ihm dann sagen, dass es hier keine Gitarrenstunde sei, er sich umdrehen und auf die Produktion konzentrieren soll. Und von dem Zeitpunkt an, also ungefähr vor neun Jahren, hatte er nach jedem Tag für ein Lied im besten Fall bereits die Lyrics und die Gesangsmelodien parat. Er sitzt ja acht Stunden in eine Richtung schauend und muss kreativ mit der Zeit umgehen. Das Gute an Michael Voss ist, er ist Michael Schenker- und MSG-Fan, und er war Fan der Achtziger Jahre. Er wäre selber gerne ein Achtziger Jahre-Rock-Star gewesen. Er ist leider zu spät geboren. Man sieht ihm an, dass es eine schmerzvolle Sache für ihn ist. Ich sage immer, er ist für etwas anderes geboren. Manchmal entwickelt sich etwas völlig anderes, und dann macht es Sinn. Er ist einfach perfekt für das, was ich mache… vor allem mit den verschiedenen Sängern. In den Texten, „With the Guitar in his Hand“ zum Beispiel, da stellt er sich wahrscheinlich in seiner eigenen Fantasie vor, wie ich das gemacht habe, haha. Aber im Grunde genommen war es seine Fantasie, wie ihm es gerne passiert wäre. Er hat ein bisschen seine eigene Geschichte erzählt.

Steve: Die Cover der beiden Alben haben ja einen biblischen Aspekt…

Michael: Das ist jetzt nicht die eigentliche Intention gewesen. Ich wollte im Prinzip zum Bandteilnamen „Fest“ beim ersten Album ein Bild haben. Ein Partytisch mit Essen drauf und so, haha. An kam „The Last Supper“, haha. Das war in Ordnung, ging dann an das Nuclear Blast Department. Die waren sogar sofort begeistert und alsbald mit der Bearbeitung dabei. Dazu kam der Albumtitel „Resurrection“, ist ja so eine Art Comeback… sowieso, dazu nannte ich das Instrumental „Salvation“, und dann haben wir die Sache abgeschlossen.

MICHAEL SCHENKER FEST index INTI 2019Steve: Und dann kommen immer noch genug doofe Fragen, haha…

Michael: Für die aktuelle Scheibe hatten wir drei verschiedene Bilder. Ich hatte mich für eine selbstgezeichnete Skizze entschieden, die ich entworfen hatte, nachdem ich den Scorpions mit ihrer „Lovedrive – 50th Anniversary Deluxe Edition“ ausgeholfen habe. Da waren alle von begeistert. Als die Jungs die „Lovedrive"-Story veröffentlicht haben und ich sie gelesen hatte, musste ich feststellen, dass alles so ziemlich gelogen war. Das war mir gegenüber absolut respektlos. Seitdem wurde die Büchse der Pandora geöffnet. Als ich nach der Arbeit von „Lovedrive“ weiterziehen wollte, hat man mich bekniet zu bleiben. Mein Bruder Rudolf hat am Telefon geweint, haha.

Steve: Du hast ein paar Soli eingespielt, ja?

Michael: Viel mehr als du denkst. Pass auf, ich erzähle Dir mal was! Das ist eine interessante Geschichte. Während die Platte damals veröffentlicht wurde, habe ich gar nicht mehr zurückgeschaut, wusste gar nicht, was da passierte. Ich wollte damals einen Vertrag als sechstes Mitglied. Ich wurde in den inneren Zirkel aufgenommen, Matthias Jabs musste seinen Hut nehmen. Auf jeden Fall wurde man vertragsbrüchig. Ich habe jede Menge schlimme Sachen erfahren. Mein Foto erschien nicht auf dem Back-Cover, damals wie heute. Ich bekam keine Credits für die Songs „Holiday“, „Coast To Coast“, „Lovedrive“ und „Another Piece Of Meat”. Da Rudolf mich zudem noch um Erlaubnis bat, die schwarz-weiße Gitarre zu benutzen, waren die Fans nun völlig verwirrt. Er spielte die Gitarre und gab sich die Credits an meiner statt. Mein Image wurde kaputt gemacht. Die Menschen wurden in die Irre geführt. Wer war jetzt wer? Ich war neunzehn Jahre alt, als ich das erste Mal in Nordamerika war, die Scorpions im Schnitt dreiunddreißig. „Lights Out“ kam zwei Jahre vor „Lovedrive“ raus und hatte meinen Stil. Ich habe nie an Geld oder Ruhm gedacht. Für mich war alles „recreational fun“! Als ich mit UFO „Strangers In The Night“ erreicht hatte, sagten Menschen: „Michael Schenker ist Gott! " Dann rief Rudolf 1981 aus Amerika an und sagte: „Michael, die spielen alle Dein Gitarrenspiel.“ Mit anderen Worten, ich wusste überhaupt nicht, was ich da veranstaltet hatte. Jetzt war ich froh, erleben zu dürfen, wie es unter den Berühmten zugeht, um zu entscheiden, ob ich da bleiben wollte oder als Artist und Künstler weiter mache; am besten mit unbekannten Sängern. Ich habe dieses überflüssige System aus mir rausbekommen. Aber im Jahr 2008 wollte ich auf die Bühne. Früher hatte ich immer Lampenfieber und plötzlich drehte sich das Rad. Ich habe mir etwas in meiner mittleren Karriere etwas aufgebaut. Jetzt habe ich den Kuchen mit Zuckerguss. Wäre ich damals so berühmt wie Ozzy geworden, hätte ich nur den Zuckerguss gehabt. Um jetzt den Kreis zum Cover von „Revelation" zu schließen: Die Platte hätte auch „Purity And Passion Vs. Greed And Corruption“ heißen können. Caesar war so ein Kandidat, der immer mehr wollte und nie genug hatte. Letztendlich musste er noch aus Eifersucht den einen Mann töten, auf den alle hörten, haha. Wo wären die Scorpions heute, wenn ich nicht eingestiegen wäre und „Lovedrive“ mitkomponiert hätte? Wo wäre die Band, wenn ich nicht Uli Jon Roth angeschleppt hätte? Wo wären die Jungs heute, wenn ich nicht bei UFO eingestiegen wäre und sie Schritt für Schritt mitgenommen hätte? Ohne meinen Ausstieg bei UFO wäre kein „Lovedrive“ dagewesen… keine „Tokyo Tapes“… gar nichts. Mein Bruder und die anderen waren so von ihrem Erfolg und der Gier besessen, dass sie mich hintergangen und einfach ignoriert haben, woher alles stammt, mit dem sie sich brüsten. Niemand hat sich je bei mir bedankt. Man hat sich alles selbst auf die Fahne geschrieben; insbesondere jetzt, bei Interesse der Chinesen und der Russen, für die ganzen Wiederveröffentlichungen. Ganz unter dem Motto: „Wenn wir den Michael nicht kriegen, kriegt ihn keiner." Ich habe anfangs wie gesagt nur wenig mitbekommen, da ich mich nach Arizona zurückgezogen hatte. Selbst bei einem Gastauftritt zu dem Release drückte man mir eine verstimmte Gitarre in die Hand. Man hatte mich gedemütigt. Diese ganze Situation zeigt sich auf dem Bild von „Revelation“.  Ich bin der misshandelte an der Gitarre, der berühmten  „Flying V“.

michael schenker festSteve: Also Du bist Jesus an der Gitarre geschlagen, Rudolf ist der gierige Caesar, die Scorpions sind die römischen Legionäre und die Michael Schenker Boys die gehetzten Christen?

Michael: Mhmm…

Steve: Alles klar, die Zeit rennt, und Du musst zum Saturn zur Signing Session. Das klären wir das nächste Mal. Danke für Deine Zeit!

Michael: Danke Dir!



Autor: Steve Burdelak