Der Weg führt nach Dortmund ins FZW heute. Ein Veranstaltungsort in der Nähe des großen „U“ und positiverweise mit einer Vielzahl an nahe gelegen Parkmöglichkeiten für lau. Das hat man in den größeren Städten heutzutage äußerst selten. An der Halle angekommen fällt sofort auf, dass trotz eines ausverkauften Hauses, keine Ticketschwarzhändler umherschwirren. Scheinbar ist es denen zu kalt, denn um den Laden hier weht ein eisiger Wind. Ideal wäre jetzt ein Glühweinstand, aber der nächste Weihnachtsmarkt ist weit entfernt, obschon diese teilweise heute eröffnet wurden. So ergibt sich das eine oder andere Gespräch mit den Menschen in der Warteschlange, und ist stelle fest, dass nicht wenige Die Hard Fans darunter sind, die schon etliche Shows auf dieser Tour gesehen haben.  Nun öffnen sich endlich die Tore und ab geht es in den Club, warum man allerdings bei der großen Kartennachfrage nicht auf den Saal ausgewichen ist, bleibt mir schleierhaft. Schließlich ist heute nicht die einzige Show der Tournee die ein Sold Out vermeldet.

Überpünktlich startet jetzt auch die Anheizerkapelle, eine junge motivierte Boygroup namens Casino Blackout aus Füssen. Ja, genau da wo auch das Schloss Neuschwanstein rumsteht und einst eine sehr erfolgreiche Eishockeymannschaft residierte. Diese Jungs hier aber spielen melodischen Punk mit deutschen Texten und werden vom ersten Takt an ordentlich gefeiert. An ihren Reaktionen sieht man, dass das wohl nicht immer so ist. Natürlich gab es nach ihrem durchschlagendem Debütalbum recht schnell einen Deal beim Plattenlabel „Drumming Monkey Records“ vom Die Toten Hosen Schlagzeuger. So ein wenig Schützenhilfe schadet ja nie.  Jedenfalls spielen die Jungs ihr Set mit Leidenschaft und viel Drive. Die Songs sind bis auf eine Ausnahme, alle vom neuen Album „Fragment“ Okay ja, sie klingen manchmal ein wenig nach den Broilers, aber welcher Riff ist noch nie gespielt worden? Eben, keines das es nicht schon gibt. Die Truppe ist noch sehr jung, hat also noch Zeit genug sich in eine eigene Richtung zu entwickeln. Für heute Abend ist das Programm auf jeden Fall mehr als in Ordnung, wie die mitrockende Menge begeistert zeigt.

Setlist: Von Bedeutung, Nietenjacke, Novo, Geschichten, Hier Unten, Wach, Bestehen Bleiben, Distanz

Nun ist der Umbau fertig und der Introsong für Deine Cousine läuft. Wenn mich nicht alles täuscht, ist es ein alter Sham 69 Gassenhauer, jedenfalls im gleichen Stil. Jetzt kommt die Band auf die Bühne und wenige Takte später stürmt das blonde Energiebündel Ina Bredehorn auf die Bretter. Das Mädel vom Land wurde von Altmeister Udo Lindenberg entdeckt und gehört mittlerweile zur festen Livebesetzung des Panikorchesters. Wenn sie mit Lindi performt, hat das schon etwas . Natürlich geht es heute eine ganze Ecke punkrockiger zu, obwohl auch der eine oder andere Lindianer im Publikum zu erspähen ist. Laut eigener Aussage spielt Deine Cousine Punkrock für „Brigitte“ LeserInnen. Das muss man ihr lassen, denn trockenen norddeutschen Humor hat sie drauf. Nicht umsonst finde ich die Dame daher äußerst sympathisch und authentisch zugleich. Sie verkörpert einfach die jungen Wilden, da wo handgemachte Musik noch einen Wert hat ohne aufgesetzt und konstruiert zu wirken. Und wenn es sie zwischendurch mal nach einem Schnaps gelüstet, marschiert sie quer durch das Publikum zur Theke und sucht sich jemanden der mittrinkt. Heute Abend hieß die Saufkumpanin Annette. Es ist wohl sehr schön an der Bar im FZW, also ein kurzes Kommando zu Gitarrist Flo er solle doch mal die Akustik Gitarre rüberschicken. Diese geht dann quasi crowdsurfend auf den Weg zu ihr du sie gibt den Song „Freund oder Feind“ in einer akustischen Version zum Besten. Solche Aktionen steigern natürlich den Beliebtheitsgrad immens. Die Leute mögen es einfach, wenn ihre Stars nicht unnahbar erscheinen. Ob sie das immer noch macht, wenn mal größere Venues anstehen bleibt abzuwarten. Jetzt ist sie aber zurück auf der Bühne und weiter geht die rasante Fahrt. Die Momente, in denen sie einmal still verharrt, sind mehr als selten. Das Mädel ist einfach ständig in Bewegung und flitscht über die Bühne wie ein Flummi. Einen Augenblick der Besinnlichkeit gibt es dann doch, als sie nur am Keyboard das Stück „Sollbruchstelle“ spielt. Da wirkt das starke Mädchen fast schon zerbrechlich.  Ein echter Gänsehautmoment, der allerdings nur kurz nachwirkt, weil sie dann schon wieder Vollgas gibt, inklusive einer Bierdusche für die ersten Reihen. Und bei “Attacke“ im Pogopit mit den anwesenden Punks abfegt. Pure Energie! Immer wieder gibt sie Schwänke aus ihrem Leben zum Besten. Vom Heimatdorf Jaderberg in Friesland, das jeder kennt weil dort ein Tier-und Freizeitpark ist. Ja, da war ich sogar schon. Von der Dorfdisco und dem Vorhaben Rock Star zu werden. Und natürlich über all die Arschlöcher, auf die man im Leben so trifft. Gut die Zugabe der Düsseldorfer Alt Punks mit dem Lutschbonbon als Frontmann, Campino sind doch Kamellen oder, hätte ich jetzt nicht unbedingt gebraucht. Aber wir sind ja hier in Dortmund und da singt jeder mit. Naja, eigentlich wie die ganze Show über, trotz eines sehr gemischten Publikums jeglicher Altersklassen, waren fast alle textsicher und konnten jede Zeile mitsingen. Zum Abschluss hechtet Ina freudig in die Menge und surft Richtung Merchandise, wo sie bereitwillig Autogramme gibt, nicht ohne auf ihre „Sauklaue“ hinzuweisen, und für Fotos bereit steht. Die gelernte Industriemechanikerin hat den richtigen Weg eingeschlagen und lässt sich hoffentlich nicht davon abbringen weiterhin Rock Star zu sein.

Setlist: Introsongs, Küss Mich, Kiez Oder Kinder, Aufhören Wenn’s Am Schönsten Ist, Unkaputtbar, Scheiß Auf Ironie, Männer (Grönemeyer Cover), Freund Oder Feind, Runaway Girl, Sollbruchstelle, Wenn Das Liebe Ist, Dorfdisko, Attacke, Bauchgefühl, Alles Aus Liebe (Die Toten Hosen Cover), St. Pauli