HYEMS - ANATOMIE DES SCHEITERNS


Label:BLACK SUNSET
Jahr:2020
Running Time:47:57
Kategorie: Neuerscheinung
 

Alle Regler auf elf und Vollgas! Hyems blasen wieder zum Angriff auf die marode Gesellschaft, mit „Anatomie Des Scheiterns“ legen die fünf Marburger ihr drittes Album vor. Präsentiert wird sehr intelligent komponierter, variantenreicher Black Metal aus Deutschland mit dem der Band ureigenem Stil. Präsentiert sich „Anatomie des Scheiterns“ im Vergleich zum letzten Album „Devianz“ etwas melodischer, schafft es die Platte aber dennoch über die komplette Länge, ihr hohes Tempo zu halten. Rasende Blastbeatpassagen wechseln sich mit Doublebassgewittern ab, eingestreute, wunderbar zum Headbangen einladende Midtempoparts bremsen das Tempo kurz runter. Riffs, die sich dem Hörer nicht sofort erschließen und kurze, ruhigere Abschnitte erschaffen durch dissonante Gitarrenmelodien eine Stimmung, die sich irgendwie ungemütlich anfühlt, was definitiv zum Konzept von Hyems passt. Hier wird nichts glorifiziert, hier wird angeklagt! Der sehr variantenreiche Gesang, wechselnd zwischen klagendem Schreien, bedrohlichem Sprechen und aggressivem, kehligen Gesang ist immer stimmig und transportiert die Message schonungslos ins Ohr des Hörers. Hyems schaffen es wieder, ihrem Stil treu zu bleiben, ohne sich selber zu kopieren. Dem Album liegt ein lyrisches Konzept zugrunde, beschäftigen sich, passend zum Albumtitel, alle Tracks mit dem Scheitern, sowohl dem Individuellen, aber auch dem Gesellschaftlichen. Besonders die Texte von Hyems sind hervorzuheben, handeln sie sich nicht von klassischen Black Metal Themen, sondern sind ganz klar gesellschaftskritisch. Aus ihrer politischen Haltung machen Hyems keinen Hehl, bezogen sie doch mit „Nazi Black Metal Fuck Off“ auf ihrer letzten EP „1997“ klare Position.

Hyems sind eine Band, die es schafft, ihre Message gut hörbar zu verpacken. Die Musik an sich ist sehr ansprechend, wer will, kann sich aber auch mit den Texten näher beschäftigen, die jedoch im Normalfall (mit eben genannter Ausnahme) nicht plakativ sind, sondern allerlei Spielraum lassen, sich eigene Gedanken zu machen. Mich erinnern sie dadurch lyrisch ein wenig an Totenmond. „Anatomie Des Scheiterns“ endet recht abrupt, auf ein Outro wird verzichtet, so dass den Hörer nach den letzten Takten eine Leere umfängt, der man gut entgegnen kann, in dem man die Scheibe erneut startet. Dadurch, dass die Songs an sich recht variantenreich sind und die ein oder andere unerwartete Wendung beinhalten, wird das Album an keiner Stelle langatmig und eignet sich zum Dauerhören. Es ist gut abgemischt und verfügt über eine angenehme Tiefe, klingt dennoch kalt und bedrückend. Es erinnert klanglich stellenweise ein wenig an Nagelfar zu „Virus West“ Zeiten oder Bluttaufe auf „Mein Fleisch An Deinen Lippen“. Wer melodischen, dennoch schnellen, kalten Black Metal mag und die Band bislang nicht kennt, sollte unbedingt reinhören, alle anderen wissen, was sie erwartet. „Anatomie Des Scheiterns“ ist ein Album, dass trotz der musikalischen Hommagen an späten neunziger Jahre zeitlos wirkt und sich vom Black Metal Standard deutlich abhebt, ohne experimentell zu werden.

Note: 8 von 10 Punkten
Autor: Andreas Sprack


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