HAVEN - VESSEL


Label:ARGONAUTA
Jahr:2020
Running Time:26:08
Kategorie: Neuerscheinung
 

Haven stammen aus Berlin und veröffentlichen aktuell ihre zweite EP, die von der Aufmachung, genau wie der Rest, den die Band von sich präsentiert (Internetauftritt, Videos, Merchandise), äußerst professionell wirkt. Laut Pressetext vereint die Post-Rock Band „manische Aggression, düstere Schwere und zerbrechliche Melodien“ und präsentiert energiegeladene Liveshows. Letzteres lässt sich gerade schwerlich beurteilen. So muss das neue Werk „Vessel“ herhalten. Mit einer Spieldauer von knapp einer halben Stunde beinhaltet es drei Tracks zwischen vierzehn und drei Minuten. Da ich tatsächlich vor knapp zwanzig Jahren das letzte Mal vergleichbare Musik hörte, müssen ältere Bands zum Vergleich herhalten. Haven hat etwas von Suicide Silence, die zusammen mit HIM Songs von Linkin Park covern. Ruhige, melodischere Passagen mit einer gewissen Schwere und einer melancholischen Note treffen auf härtere Gitarrenparts. Die ruhigen Passagen sind sehr monoton gehalten, was eine hypnotische oder auch enervierende Stimmung aufbauen kann. Die Riffs sind simpel, aber äußerst intuitiv.

Überhaupt finden sich keine Überraschungen oder unvorhersehbare Wendungen auf „Vessel“, was auch der Hauptgrund ist, warum diese Scheibe nicht so recht funktionieren will: die ganze Musik wirkt durchkonstruiert, es fehlt ihr an Seele, an ehrlichen Emotionen. Der Sänger hat eine warme und angenehme Stimme (die mich tatsächlich ab und zu an Sopor Aeternus erinnert), in den klaren Gesangspassagen vermag er es, sein Potential zu zeigen, es macht Freude zuzuhören, aber die gekreischten Abschnitte wirken sehr gekünstelt. Es hat nichts von authentischem Ausrasten oder Aufbegehren gegen Hoffnungslosigkeit, sondern wirkt kalkuliert und aufgesetzt. Die Riffs, besonders, wenn es an die härteren Passagen geht, kommen dem Hörer, wenn er denn dann Metal hört, oft sehr bekannt vor, es sind halt klassische (Rhythmus-) Gitarrenriffs aus dem Baukasten. Die Produktion ist voll und sauber, alle Instrumente sind vollkommen fehlerfrei eingespielt, klar erkennbar und der Mix ist Klasse.

Vermutlich bin ich als (Black) Metal Hörer nicht der richtige Rezipient für diese Art von Musik. In gewissen Kreisen wird das hier Präsentierte vermutlich als „voll hart und deep“ beschrieben, mir wäre beinahe mein Kamillentee im Porzellantässchen eingeschlafen. „Vessel“ präsentiert sich als Hommage an den Emocore/Screamo der frühen Zweitausender, wem das gut gefiel, der wird hier der alten Zeiten wegen seine Freude dran haben. Die Musik ist handwerklich wirklich gut gemacht, aber auch eben nicht wirklich innovativ genug, um aus der Masse anderer Veröffentlichungen dieses Genres herauszustechen. Es wäre dem Quintett zu wünschen, dass auf einem folgenden Werk mehr Authentizität eingefangen werden könnte, der nahezu perfekte Mix lässt das Gehörte zusätzlich steril wirken. Ich kann mir vorstellen, dass die fünf Berliner*Innen live ordentlich Stimmung verbreiten, von Platte wollen sie leider nicht so recht überzeugen.

Note: Keine Wertung
Autor: Andreas Sprack


zurück zur Übersicht