ATOM SMASHER - Wir haben uns entschieden, maximal anti-kommerziell zu bleiben!


Ich war neulich echt erstaunt, als ich zufällig auf eine Epic Metal-Band namens Atom Smasher traf, die es zwar schon über zehn Jahre gibt, die aber erst kürzlich ihre ersten zwei Songs auf einer 7" veröffentlicht hat. Noch dazu ist Rhythmusgitarrist und Sänger Florian Piwek mir seit ungefähr dieser Zeit auch persönlich durch zahlreiche Bands und Festivals bekannt. Und auch seine Band Messerschmitt (wo er jedoch Bass spielt), die gerade ein neues Album draußen hat, ist mir schon ewig ein Begriff. Zufall ist diese Unbekanntheit von Atom Smasher jedoch nicht, wie er ausführlich und sympathisch in unserem Interview verrät.

logoDaniel: Hi Flo! Na, alles fit? Bitte erzähl uns doch zunächst, wie es 2010 zur Gründung von Atom Smasher kam!

Flo: Hey Daniel! Läuft soweit... mal davon abgesehen, dass mir der Konzert- und Festivalentzug übel gegen den Strich geht. Aber das geht uns wohl Im Moment allen so. Den Grundstein für Atom Smasher hat der Splatter C-Movie Kurzfilm „Du bist, was dich frisst!“ von Doggysmile Pictures gelegt. In dem Film wurde ich nicht nur von einem schrecklichen Schimmel-Monster von innen heraus aufgefressen, sondern zudem auch gebeten, den Soundtrack zu dem Streifen beizusteuern. Zu dem Zweck hab´ ich mich mit dem Judge zusammengetan, von dem ich wusste, dass er ein erstklassiger Musiker ist, und das Ergebnis war ein bombenstarker Old School Heavy Metal-Song, der in Ausschnitten in dem Film zu hören ist. Jedenfalls hat uns das Projekt selber dermaßen begeistert, dass wir Atom Smasher aus der Taufe gehoben haben, um weiter gemeinsam unserer Leidenschaft für die alte Schule des Heavy Metal – insbesondere der epischen Variante – zu frönen.

Daniel: Wer ist eigentlich Dein Bandkumpane The Judge? Kennt man ihn auch von anderen Bands her?

Flo: Ich denke nicht, dass du den Judge kennst. Er spielt hauptamtlich in ´ner Blues Rock-Band, die aber deutlich mehr mit Jimmy Hendrix zu tun hat als mit Heavy Metal. Was uns verbindet, ist zum einen unsere Leidenschaft für epischen, gerne auch mal kauzigen Rock und Metal, der große Geschichten erzählt, und zum anderen eine sehr ähnliche Art, Musik zu machen. Wir können zehn Stunden zusammen im Studio sitzen und uns nur auf die Musik konzentrieren, ohne dabei das Gefühl zu haben, uns irgendwie gegenseitig unterhalten zu müssen. Wir sind wohl beide nicht die extrovertiertesten Typen, weswegen uns das unheimlich gut tut. Abgesehen davon ist der Judge auch einer der besten und talentiertesten Musiker, mit denen ich bisher die Ehre hatte, zusammen zu spielen. In der Hinsicht ist er quasi das genaue Gegenteil von mir. Na ja, er schätzt an mir dafür andere Talente, unter dem Strich ergänzen wir uns hervorragend, und vor allem gelingt es uns zuverlässig, uns mit der Musik, die wir spielen, zu begeistern. Klingt vielleicht ein wenig eingebildet, aber ich bin mir sicher, dass wir selbst unsere größten Fans sind. Letztlich ist das der Hauptgrund dafür, dass die Band existiert. Komplette musikalische Selbstbefriedigung.

Daniel: Der Bandname entstammt natürlich dem gleichnamigen Song von Cirith Ungol, der Gesang erinnert mich dagegen eher an Manilla Road. Welche Bands haben Euch noch für Atom Smasher inspiriert?

Flo: Du hast natürlich recht, was die Namenspatenschaft von Cirith Ungol angeht. Auch musikalisch lässt sich da die eine oder andere Inspiration finden, wenn ich z. B. an das Bass-Solo bei „The Age Of Ice“ denke oder an den Grundbeat von „There Lives A Beast Within This Cave“, bei dem wir uns ein wenig von „Chaos Rising“ inspirieren haben lassen. Die bewussten Haupteinflüsse sind aber, denke ich, Manilla Road, Jaguar und Slough Feg. Erstere nicht nur wegen meiner Stimme, die tatsächlich ein wenig in eine ähnliche Richtung geht, sondern auch wegen der generellen Melodieführung beim Gesang. Jaguar sind vielleicht nicht so auffällig, aber tatsächlich basieren die beiden Songs der 7“ jeweils auf einer Variation eines ganz alten Jaguar-Riffs, den wir in einen anderen, epischen Kontext gesetzt haben, der den Songs aber trotzdem diesen Schuss zügellose Wildheit verpasst, den wir an Jaguar unglaublich schätzen. Slough Feg schließlich liefern die ideologische Blaupause, denn sie sind der Inbegriff einer Band, die kompromisslos ihr eigenes Ding macht, ohne sich groß darum zu kümmern, was der Rest der Welt davon hält. Spürbar wird das für uns z. B. an der Stelle von „The Age Of Ice“, an der der Judge dem Song einfach mal ohne Rücksicht auf Verluste ein klassisches Rock 'n´ Roll-Solo verpasst hat, obwohl der Standard-Bausatz für Old School Heavy Metal da eigentlich anderes vorgesehen hätte. 

Daniel: Eure Songtitel lesen sich ziemlich mystisch. Welche Bands, Buchautoren/Bücher oder Filme inspirieren Dich zu Texten?

Flo: Diese eiskalte Endzeit-Welt, die auf der A-Seite beschrieben wird und in welcher der Song der B-Seite spielt, hat kein direktes literarisches Vorbild, sondern stammt aus einer fragmentarischen Geschichte, die ich selbst geschrieben habe. Ob diese Geschichte irgendwann mal ein Ende finden wird, kann ich nicht sagen. Projekte zu einem endgültigen Abschluss zu bringen, gehört leider grundsätzlich nicht zu meinen Stärken. Gleichzeitig sind die Texte beider Songs für mich auch Allegorien auf bestimmte Phänomene unserer Gegenwart, die mich beschäftigen. Ich möchte da aber niemandem meine eigene Deutung aufdrängen. Die Lyrics lassen sich, denke ich, auch wunderbar als klassische Dark Fantasy-Texte verstehen, und wenn irgendjemand mehr darin findet, dann ist das wunderbar und keineswegs weniger wert als das, was ich selber zwischen den Zeilen lese.

atom smasherDaniel: Wie kommt es eigentlich, dass Ihr zwei Songs auf einer 7“ veröffentlicht habt, anstatt mehrere Songs für eine CD oder LP zu sammeln?

Flo: Die beiden Songs passen gut zusammen, weil sie sich inhaltlich in demselben Universum abspielen und auch musikalisch ein paar gemeinsame Themen haben. Von daher haben sie sich für die 7“ angeboten. Die spannendere Frage wäre aber eigentlich, wie es kommt, dass wir die Songs überhaupt veröffentlicht haben. Aber dazu später mehr.

Daniel: Die Single erschien über Gates Of Hell Records aus Italien. Wie kam dieser Kontakt zustande? Kanntest Du schon andere Veröffentlichungen des Labels?

Flo: Ich bin seit langer Zeit ein großer, bekennender Fan der Veröffentlichungen, die Bri und Enrico über Gates Of Hell und Cruz Del Sur publizieren. Sie haben einige meiner absoluten Favoriten der mittleren Vergangenheit herausgebracht... Slough Feg, Atlantean Kodex, Crescent Shield, Dark Forest, Grendel's Syster, Stygian Crown... oder auch Chevalier oder die mächtigen Convent Guilt via Gates Of Hell.
Der Anlass für den Kontakt zu Atom Smasher ist eigentlich ein sehr trauriger. Wie Du sicher mitbekommen hast, hat mein alter Kumpel Rich von Solstice derzeit ein paar ziemlich harte Tage durchzustehen. Um das Geld für seine anstehende Operation zusammen zu kriegen, wurden einige tolle Projekte aus dem Boden gestampft, u. a. eine Serie von Samplern mit befreundeten Bands, die über Cruz Del Sur erscheinen. Weil Rich zu den wenigen Leuten gehört, die bereits vor der Veröffentlichung der 7“ von Atom Smasher wussten, und weil er damals schon versucht hat, mich zu einer offiziellen Veröffentlichung zu bewegen, hab´ ich Enrico angeboten, einen unserer Songs für diese Sampler-Reihe zu verwenden. Dazu ist es zwar nicht gekommen, allerdings haben er und Bri uns stattdessen die Single-Veröffentlichung angeboten. Wäre das Angebot von irgendeinem anderen Label gekommen, wären wir wahrscheinlich hart geblieben, aber bei den beiden, deren Arbeit wir über alles schätzen und von denen wir wissen, dass sie in erster Linie absolute Maniacs sind und keine Geschäftsleute, konnten wir einfach nicht nein sagen.

Daniel: Beide Tracks der 7“ sind auch auf der Vierer-Split-CD „Iron And Hell“ mit Chevalier, Phaëton und Iron Griffin veröffentlicht worden. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit? Und kanntest Du alle anderen Bands vorher schon und wolltest eh etwas mit ihnen machen, oder war das die Entscheidung des Labels?

Flo:Die CD wurde komplett vom Label organisiert. Ich war zwar schon vorher – und nach dem Hören der neuen Songs noch viel mehr! - ein großer Fan von Chevalier, aber persönlich kenne ich bisher noch keinen Musiker der beteiligten Bands. Wir halten aber dieses Format und vor allem das musikalische Umfeld, in dem wir uns auf dieser Compilation befinden, für eine ganz hervorragende Weise, die Songs auf CD zu veröffentlichen. An einer „gewöhnlichen“ CD-Veröffentlichung habe ich als Vinyl-Fan eher wenig Interesse, aber so ist es etwas Spannendes, Besonderes, das zugleich ein Bild von einem kompromisslosen Underground aus Überzeugung zeichnet, in dem wir uns sehr wohlfühlen.

Daniel: Sowohl die 7“ als auch die Split-CD sind Gates Of Hell Records aus Italien nur über den Importweg erhältlich. Wo kann man die Dinger hier am besten ordern? Gibt es deutsche Vertriebe oder Ähnliches? Oder habt Ihr vielleicht selbst noch welche, falls jemand daran interessiert ist?

Flo: Wer Porto sparen möchte, der kriegt die Scheibe auf jeden Fall über Dying Victims, die übrigens auch immer ein paar hervorragende eigene Veröffentlichungen am Start haben und bei denen sich eine Bestellung jederzeit lohnt. Ich hab´ selber auch ein kleines Kontingent an Singles hier, allerdings würde ich mir wünschen, dass jeder, für den das kein zu großer Aufwand ist, zunächst mal beim Label bestellt. Der Judge und ich machen unser Ding so oder so und komplett unabhängig davon, ob damit ein paar Euros reinkommen. Uns ist es wichtiger, dass das Label, das für dieses Projekt wirklich außergewöhnlich tolle Arbeit gemacht hat, die Kohle wieder reinkriegt. Meine Platten verkauf´ ich dann irgendwann besoffen auf irgendwelchen Festival-Campingplätzen, sobald es so was wieder gibt.

atom smasherDaniel: Wie kommt es eigentlich, dass es in elf Jahren nur zwei Songs von Atom Smasher gibt? Wie viel Zeit steckt Ihr da wirklich rein?

Flo: Es gibt wesentlich mehr als zwei Songs. In meiner Haupt-Band Messerschmitt beschränkt sich mein kreativer Input im Wesentlichen auf Texte und Gesangslinien, sodass ich seit zehn Jahren fast ausschließlich für Atom Smasher schreibe. Nur kennt die Songs halt noch niemand. Mal gucken, wenn es genug Bekloppte gibt, die eine 7“ von einer quasi unsichtbaren Band ohne jedwede Karriere-Ambitionen und mit null Bock auf irgendwelche Kompromisse hören möchten, und wenn Gates Of Hell sich den Spaß nochmal antun möchten, dann wird das vielleicht nicht unsere letzte Veröffentlichung bleiben. An Songs, die wir bärenstark finden, wird es jedenfalls nicht mangeln, und die Frage ist nur, ob die außer uns selbst noch jemand anderes hören wird.

Daniel: Spielt Ihr eigentlich auch live, oder handelt es sich bei Atom Smasher um ein  reines Studioprojekt?

Flo: Der Judge und ich machen bisher alles vom Songwriting über das Arrangement bis hin zu Aufnahme und Produktion zu zweit. Es gibt also überhaupt keine komplette Live-Besetzung und entsprechend auch keinerlei Pläne für Auftritte.

Daniel: Wird bald auch ein komplettes Atom Smasher-Album folgen? Oder wird es weiterhin nur vereinzelt Aufnahmen für weitere Singles geben?

Flo: Ein volles Album haben wir nicht auf dem Plan. Das ließe sich tatsächlich auch nur schwierig umsetzen. Ich bin weder ein besonders talentierter Gitarrist noch ein besonders talentierter Sänger. Und weil wir konsequent auf die Möglichkeiten der modernen Technik verzichten, die einen Musiker auf Platte besser klingen lassen als das, was er eigentlich leisten kann, brauche ich ziemlich viel Zeit für eine befriedigende Performance... Ich schätze mal so zwei bis drei Wochen für eine volle Album-Produktion. Nur wohnen wir recht weit voneinander entfernt – wir treffen uns nur ein oder zweimal im Jahr für so eine Session, bei der wir uns für ein paar Tage im Proberaum einschließen und die Außenwelt vergessen – und ich habe wenig Lust, für eine Album-Aufnahme meinen kompletten Jahresurlaub zu nehmen. Anzunehmen, dass irgendjemand uns so eine lange Aufnahmezeit entlohnen würde, ist zudem mehr als unrealistisch. Ergo ist das 7“-Format für uns perfekt. So eine Single können wir an einem langen Wochenende aufnehmen, was sich ziemlich gut mit unseren Lebensrhythmen in Einklang bringen lässt. Na ja, und abgesehen davon, haben die von mir zutiefst bewunderten Gorgon aus Japan es genauso gemacht.

Daniel: Warum gibt  es von Atom Smasher eigentlich keine Facebook-Seite?

Flo: Weil ursprünglich niemals geplant war, dass Atom Smasher überhaupt die traute Runde unseres engen Freundes- und Bekanntenkreises verlassen. Als wir vor zehn Jahren die ersten Demos aufgenommen haben, habe ich ein wenig die Lage sondiert und ein paar Leute aus der Szene gefragt, was sie davon halten. Ich habe ein paar tolle, ehrliche und hilfreiche Kritiken von großartigen Musikern gekriegt, die ich bewundere und deren Urteil ich extrem schätze. Und ich hab´ auch ein paar Managern, Label-Leuten etc. geschrieben, die mir einfach nur übelst auf den Sack gingen mit ihren beschissenen Vorstellungen, den Underground zu professionalisieren oder mir ihre scheiß Arbeit zu verkaufen. Weil ich wohl nicht besonders gut darin bin, so etwas diplomatisch zu kommunizieren, habe ich es uns damals wahrscheinlich endgültig mit einigen Leuten verdorben, die in der Szene Rang und Namen haben und die „rather not amused“ waren zu hören, dass sie sich ficken sollen. Jedenfalls hab´ ich das mit dem Judge besprochen, und wir haben uns entschieden, maximal anti-kommerziell zu bleiben. Ein paar Jahre haben wir das immerhin durchgehalten, aber wie gesagt: Dann kam es doch anders. Jedenfalls haben Gates Of Hell uns die Bandcamp-Seite eingerichtet, weil so eine Seite schon etwas bringt, um physische Tonträger zugänglich zu machen und weil wir uns wie gesagt wünschen, dass sie sich mit unserer Single keinen Ladenhüter eingehandelt haben. Davon abgesehen fühlen wir uns aber weiterhin am wohlsten in unserer analogen kleinen Welt. Es wird sicherlich kein Multimedia-Feuerwerk von uns geben.

messerschmitt logoDaniel: Du spielst ja auch noch bei Messerschmitt, die mit „Consumed By Fire“ auch gerade ein neues Album draußen haben. Ihr seid ungefähr zeitgleich mit Atom Smasher zustande, nämlich 2010. Du bist aber, soweit ich weiß, kein Gründungsmitglied. Wie bist Du mit den Jungs in Kontakt gekommen?

Flo:Maik, der bei Messerschmitt für Leadgitarre und Gesang zuständig ist, und ich machen schon unheimlich lange zusammen Musik... so bummelig seit 2004 oder 2005. Unsere erste Band, mit der wir unsere frühen musikalischen Gehversuche unternommen, jeden möglichen Fehler einmal ausgetestet und schließlich gelernt haben, wie dieses mysteriöse Band-Ding für uns funktioniert, hat sich Ende des vorletzten Jahrzehnts aufgelöst, woraufhin wir uns neuen musikalischen Betätigungsfeldern zugewandt haben. Für mich waren das Atom Smasher, und Maik hat, zusammen mit seinem Freund aus Kindheitstagen Kris an den Drums, Messerschmitt aus der Taufe gehoben. Ich war von Anfang an ein Fan der Boys und hab´ sie ein wenig bei der Produktion des ersten Demos unterstützt. Tatsächlich bin ich da im Backing-Gesang zu hören, womit ich zumindest ein kleines bisschen Beteiligung doch schon von Anfang an vorweisen kann. Jedenfalls hat es mit dem ursprünglichen Basser irgendwann einfach nicht mehr geklappt. Ich hab´ mich dann einmal daran versucht, direkt mit dem schwersten Song angefangen, diesen übelst in den Sand gesetzt und erst mal beschlossen, dass ich zu schlecht für den Posten bin. Die Boys haben ein paar andere Bassisten angetestet, was aber auch nicht so ganz rund lief,  mich schließlich noch mal gefragt, und seitdem bin ich dabei. 

Daniel: Welche Bands sind Eure Haupteinflüsse für Messerschmitt?

Flo: Das ist wirklich ein verdammt breites Spektrum. Ich würde sagen, unsere Musik verbindet vier wichtige Traditionen: Klassisch-amerikanischen Thrash- und Speed Metal ala Megadeth, Toxik oder Flotsam and Jetsam; klassisch-deutschen Speed Metal ala Atlain, Iron Angel oder Running Wild; klassischen US-Power Metal ala Sanctuary, Crimson Glory oder Chastain; und klassischen Prog Metal ala Dream Theater, Queensryche oder Symphony X. Dazu ´ne gute Prise Death, und fertig ist der Brei.

Daniel: Wie hoch ist beim Songwriting eigentlich der Anteil von Gitarrist und Sänger Maik? Ich kenne ja seinen Bruder Nils auch, der früher bei Cerberus war und heute bei Magoth ist; beides Black Metal-Bands. Black Metal ist aber einer der wenigen Old School Metal-Bereiche, die ich bei Messerschmitt überhaupt nicht raushöre. 

Flo: Maik ist ohne Wenn und Aber der Kopf und der Motor der Band. Bis auf ganz wenige Songs, die im Teamwork geschrieben wurden, stammt unser komplettes musikalisches Schaffen in seinen Grundzügen aus Maiks Feder. In der Regel sammelt er erst grobe Ideen, die er uns vorspielt, und arbeitet dann, wenn sie auf allgemeinen Anklang treffen, zusammen mit Kris die groben Drumparts aus. Wenn die stehen, macht er eine schon ziemlich detaillierte Demo-Version mit Drumcomputer fertig, und erst dann geht es in den Proberaum für das Feintuning. Das liegt nicht daran, dass er ein Kontrollfreak wäre oder irgendetwas in der Art. Im Gegenteil: Er motiviert uns immer wieder, auch mal etwas zu versuchen. Aber unter dem Strich ist Maiki halt der einzige von uns, der Songs schreiben kann, die nach Messerschmitt klingen. Und weil er das halt saumäßig gut macht, ist der Rest von uns vollkommen cool damit. Meine persönliche Kreativ-Nische sind Texte und Gesangslinien. Dafür hab´ ich ein ganz gutes Händchen, das ich gerne einbringe und das u. a. für den German Metal-Einschlag in unserer Musik sorgt. Nils macht mit Magoth wirklich ganz hervorragende Arbeit, finde ich. Man kommt nicht umhin, den beiden Brüdern ein nicht geringes Talent zu attestieren, auch wenn sich dieses in ziemlich unterschiedliche musikalische Richtungen ausprägt. Der Black Metal-Einschlag hält sich bei uns wirklich in Grenzen, obwohl fast alle von uns zumindest ein kleines Herz für diesen Stil haben – im Falle unseres Drummers auch ein sehr großes.

messerschmittDaniel: Geht es in Euren Texten nur um die Erfüllung der üblichen Metal-Klischees, oder steckt auch eine Art Kernaussage dahinter?

Flo: Hmm, wir haben auf der aktuellen Scheibe Songs über Flugzeugabstürze, posttraumatischen Stress, zerstörerische Liebe, Alltagsfrust, die Waffenlobby, skrupellosen Egoismus, drogenbedingte Selbstzerstörung und Fanatismus. Keine Ahnung, ob das alles unter die üblichen Klischees fällt. Auf jeden Fall sind es Themen, die uns auf die eine oder andere Weise berühren, bewegen, aufregen. Ansonsten würden wir nicht darüber schreiben.

Daniel: Eure beiden Alben „No Dread To Kill“ und „Consumed By Fire“ sind beide über For Those Who Chose To Pose Records erschienen. Inhaber Jörg Müller hat man vor Corona gefühlt auf jedem Konzert und Festival getroffen. Kommt daher auch die Zusammenarbeit?

Flo: Haha, stimmt! Wer regelmäßig in der Szene unterwegs ist, der kommt kaum umhin, Jörg früher oder später kennenzulernen. Und wer ihn einmal kennengelernt hat, für den ist es schwierig, ihn nicht ins Herz zu schließen. Jörg ist ein absolut großartiger Typ, ein liebenswerter Träumer und Idealist, der sich eine gesunde Portion Naivität bewahrt hat. Und ich kann hier nur schon wieder sagen: Auch er ist alles andere eher als ein Geschäftsmann! Ich hasse Geschäftsleute im Metal wirklich mehr als die Pest! Wenn vor der Bühne Maniacs stehen und wenn auf der Bühne Maniacs stehen, dann haben alle Leute, die dazwischen stehen, gefälligst auch Maniacs zu sein! Alles andere ist so überflüssig wie ein Kropf. Jörg ist definitiv ein Maniac vom Scheitel bis zur Sohle. Wir haben unsere „Verträge“ per Handschlag abgeschlossen, weil wir einfach Bock haben, gemeinsam ein kleines Bisschen Hölle auf die Erde zu rocken. Und wenn es nach mir geht, dann kann es da gerne noch ein paar Zugaben geben.

Daniel: Ihr habt mit Messerschmitt ziemlich viel live gespielt. Habt Ihr auch schon einmal als Support von größeren Bands gespielt, und wenn ja: mit wem und wo?

Flo: Da ist jetzt natürlich die Frage, was man unter Größe verstehen will, wenn es um Heavy Metal geht. Ein paar Bands, vor denen zu spielen mir wirklich eine Ehre war, sind Flotsam and Jetsam, Desaster, Hobbs' Angel Of Death, Witchburner, Darkness... Und wenn ich ein wirklich außergewöhnliches Konzert herausheben soll, dann wäre mein erster Gedanke das dritte Augsbangers Metal Meeting, auf dem wir u.a. zusammen mit Mirror Of Deception, Tyranex und Dexter Ward gespielt haben. Ich hab´ selten so einen perfekten Konzertabend und so ein komplett verrücktes Publikum erlebt! Unvergesslich!

Daniel: Ein weiteres, aber eher unbekanntes Betätigungsfeld von Dir ist Alley Cat, die aber etwas rockiger sind und wo sogar Messerschmitt-Schlagzeuger Kristian Tamm ebenfalls mitspielt. Welche Bands haben Euch hier beeinflusst, und worum geht es dort in den Texten?

Flo: Haha, Alley Cat sind in der Tat mindestens genauso Underground und auf ihre eigene Weise auch genauso kompromisslos wie Atom Smasher! Im Vergleich zu den anderen Bands, in denen ich involviert bin, sind Alley Cat deutlich abgefuckter und punkiger und atmen den Geruch der Straße. Maßgebliche Einflüsse sind Holocaust, Thin Lizzy, Deep Switch, Nighttime Flyer, Convent Guilt, Gorgon, Vorkriegsjugend. In den Texten geht es primär um Freiheit, Rebellion, Alkohol und Gewalt – komplett ohne tieferen Sinn und doppelten Boden.

alley cat logoDaniel: Bislang gibt es von Alley Cat nur eine Split-7“ mit Axewielder. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande?

Flo: Wir lieben Axewielder seit ihren ersten Tagen. Die ersten ihrer Veröffentlichungen sind damals über unser kleines Vinyl Label Metalcoven Records erschienen. Weil dieses Label mittlerweile nicht mehr aktiv ist, die Welt – oder zumindest wir - aber dringend mal wieder ´ne Axewielder-Platte brauchte, mussten wir halt irgendetwas machen. Und mal ehrlich: Axewielder und Alley Cat passen doch wirklich zusammen wie Arsch und Eimer oder nicht? Das ist räudig, das ist dreckig, das ist Axewielder, das ist Alley Cat!

Daniel: Wird es da in Zukunft auch etwas Neues geben? Oder war das nur ein einmaliges Projekt für zwischendurch?

Flo: Das große Problem bei Alley Cat ist dasselbe wie bei allen anderen Projekten, an denen ich beteiligt bin: Ich bin wirklich schlecht darin, einen Abschluss zu finden. Ich brauche immer jemanden, der mir da von Zeit zu Zeit ´nen Tritt in die richtige Richtung gibt. Aber es ist etwas geplant. Die Songs für die nächste Single stehen im Wesentlichen, brauchen nur noch ein kleines bisschen Feinschliff und müssen dann eingeprobt werden. Weil wir mit dem Sound der ersten Veröffentlichung nicht wirklich zufrieden sind, planen wir, die nächste Scheibe komplett analog aufzunehmen, und haben dafür bereits mit einem Produzenten gesprochen, der aus meiner Sicht eine der besten Adressen für dieses Vorhaben in Europa ist. Es ist nicht auszuschließen, dass ich dieses Ding noch ein wenig vor mir her schieben werde, aber mein Bruder Martin – einer der großartigsten Menschen der Welt, der bei Alley Cat Bass und Gesang übernimmt – erinnert mich da regelmäßig dran. Ich bin zumindest einigermaßen optimistisch, dass wir das dieses Jahr noch hinkriegen.

Daniel: Auch wenn alle Deine Bands – grob gesehen – Old School Metal spielen, klingen sie dennoch alle anders. Wie wichtig ist es Dir, dass sich all Deine Bands oder Projekte musikalisch und textlich voneinander unterscheiden? Oder hat sich das tatsächlich eher zufällig ergeben?

Flo: Ich glaube, da gab es kaum eine andere Option. Kein Alley Cat-Song würde zu Messerschmitt oder Atom Smasher passen, kein Messerschmitt-Song zu Alley Cat oder Atom Smasher und kein Atom Smasher-Song zu Messerschmitt oder Alley Cat. Eine Band ist für mich zum einen eine verschworene Gemeinschaft, die sich gegenseitig inspiriert und gemeinsam etwas Kreatives in die Welt setzt. Aber zum anderen ist eine Band auch ein Begriff, der ein Bündel kreativer Outputs unter sich zusammenfasst. Ich mag es nicht, wenn die Bedeutung so eines Begriffs vollkommen zufällig wird. Für mich nimmt ihm das etwas von seinem Gehalt. Ein kompletter Stilwechsel unter demselben Banner – so etwas wie bei Pantera nach der „Power Metal“ – wäre für mich nie eine Option. Wenn ich etwas komplett Anderes machen möchte, dann schätze ich Altes wie Neues so sehr, dass ich beiden einen eigenen Namen gönne.

alley catDaniel: Du bist ja ziemlich umtriebig in der Metal-Szene. In welchen Foren bist Du aktiv, und mit welchen Bands bist Du in Kontakt, wenn man schon während Corona keine Konzerte und Festivals besuchen kann?

Flo: Ich glaube, die Vorstellung, ich sei ein besonders geselliger Typ, ist ein ziemliches Fehlurteil. Der Grund, weswegen ich mit Corona weniger große Probleme habe als andere Leute in meinem Bekanntenkreis, ist, dass ich recht selbstgenügsam bin und nicht viele Menschen um mich herum brauche, um zufrieden zu sein. Ich bin deswegen auch oft ein wenig ungelenk, wenn es darum geht, lockere Konversationen zu machen, und auch dann, wenn ich unterwegs bin, ist das oft eine Sache zwischen mir und mir selbst. Was Foren angeht, schreibe ich ziemlich regelmäßig im Deaf Forever-Forum. Das Deaf Forever ist für mich mit deutlichem Abstand das beste deutsche Kiosk-Magazin, und es gibt im Forum einige Leute, mit denen ich auch außerhalb der virtuellen Welt gerne meine Zeit verbringe. Von meinen alten Foren aus dem vorvergangenen Jahrzehnt ist mittlerweile eigentlich nur noch das Sacred Metal Board übrig. Ansonsten bin ich natürlich in Kontakt mit meinen Freunden und guten Bekannten. Um hier ein bisschen Schleichwerbung zu machen: Rich und Solstice, Pan und The Claymore, Paul und Emerald, Didi und Iron Thor, Jan und Paragon, Dick und Tungsten Axe, Matty und Powergame, Michael, Tom und Axewielder, Stephan und Verdunkeln, Jörn und Thrashit, Todde und Sceptor... das soll erst mal reichen. Zeit haben wir aktuell ja genug, also checkt die alle aus!

Daniel: Woher kommt Dein Pseudonym Gordon Overkill eigentlich?

Flo: Da gibt es keine große Geschichte: Gordon ist der Vorname des außerirdischen Helden meiner Kindheit, Overkill ist einer meiner Lieblingssongs und eine meiner Lieblingsbands. Beides zusammen hat ´nen guten Klang.

Daniel: Nochmal kurz zurück zu Deinen Bands: Wie sehen denn Deine Zukunftspläne mit Atom Smasher, Messerschmitt und Alley Cat aus? Was kommt da alles in nächster Zeit auf uns zu?

Flo: Mit Messerschmitt wollen wir definitiv so bald wie möglich wieder auf die Bühne. Für die zweite Jahreshälfte haben wir einen großartigen Gig geplant, zusammen mit unseren Kumpels von Blizzen, Stallion und Skyclad. Ich hoffe wirklich, dass das klappt, denn wir haben übelst Bock, die Songs vom neuen Album mal live zu spielen.
Mit Alley Cat gibt es wie gesagt hoffentlich noch dieses Jahr eine neue Aufnahme.
Und Atom Smasher... Na ja, wir machen weiter das, was wir immer gemacht haben, seit es die Band gibt: Wir schreiben die beste Musik, die wir unseren Herzen, Hirnen und Fingern entlocken können, und begeistern uns an den Ergebnissen. Alles darüber hinaus ist Bonus und hängt halt davon ab, ob Gates Of Hell noch einen Tanz mit uns wagen wollen. 

Daniel: Vielen Dank, Flo! Du bist nun von diesem Marathon erlöst, haha! Hast Du noch ein schönes Schlusswort?

Flo: Hehe, wie gesagt, es geht hier um eine Band, die außerhalb der Wände unserer Proberäume fast überhaupt nicht existiert und für die ich entsprechend auch so gut wie keine Promo mache. Ich bin da alles andere als ausgebrannt, also keine Sorge! Das Interview war mir ehrlich ein Vergnügen, und wir bedanken uns von Herzen für Deinen Support! Heavy Metal Forever & Fuck the commerce!

https://atomsmashergermany.bandcamp.com/

https://www.messerschmitt-speed.com/

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https://messerschmitt.bandcamp.com/

https://www.facebook.com/alleycatrock

https://alleycatrock.bandcamp.com/releases



Autor: Daniel Müller