CHARIOTS OF FIRE

Oberhausen, Turbinehalle, 16.09.2022

Watain indexFür den Abend war düsterer Metal in hochkarätiger Besetzung geplant. In der Turbinenhalle in Oberhausen sollten sich Bölzer (Death Metal aus der Schweiz), Tribulation (Death Metal aus Schweden), Abbath (Black Metal aus Norwegen) und Watain (Black Metal aus Schweden) die Bühne teilen. Es lohnt sich, kurzfristig noch einmal den Beginn eines Konzertes zu überprüfen, die ursprüngliche Uhrzeit, von der ich eigentlich ausging, stellte sich als falsch heraus. Bereits um 18:00 sollte die erste Band, Bölzer, starten, was sie offenbar auch geschafft hatten. Aufgrund von unfallbedingtem Stau und anderen Katastrophen schaffte ich es sogar pünktlich zum vorletzten Song von den zwei Schweizern. Offenbar war ich jedoch nicht der Einzige, der von dem früheren Start des Konzertes überrascht war, wie ich im Gespräch mit anderen Besuchern erfuhr. Zu diesem Zeitpunkt war die Halle zu ungefähr einem Drittel gefüllt, die Raucher-Dachterrasse beinahe leer, was sich im Laufe des Abends merklich änderte. Das anwesende Publikum war bunt gemischt, alle Altersstufen waren vertreten, mit einem Überhang der deutlich Ü-Dreißigjährigen, lange Haare, kurze Haare, keine Haare, Dreadlocks, ein paar Kasper mit dilettantischem Warpaint, das übliche Publikum also bei einem Gig im Ruhrgebiet.

 

Kaum im Nebel auszumachen und unter einem recht breiigen Sound leidend, gaben die Eidgenossen von Bölzer jedoch bei ihren letzten beiden Songs alles und schafften es, die Anwesenden andächtig vor der Bühne lauschend zu versammeln. Langsam füllte sich die Halle, das sehr freundliche Personal der Turbinenhalle hatte alle Hände voll zu tun, die durstigen Besucher mit Getränken, leider in Einweg-Plastikbechern, zu versorgen, was ihnen hervorragend gelang. Insgesamt war die Organisation bemerkenswert gut, besonders die des Bühnenumbaus. Die Stagezeiten wurden allesamt beinahe minutiös eingehalten, die Line Checks gingen so schnell über die Bühne, dass man sie kaum mitbekam.

 

tribulation live2022Tribulation aus Schweden begannen pünktlich um 19:00 Uhr mit ihrem leicht melancholischen Glamourrock-lastigen Death Metal. Ich kannte die Band vorher nicht, wirklich fesseln konnten sie nicht auch nicht, aber sie spielten souverän ihr Set herunter und animierten die mittlerweile gut zur Hälfte gefüllte Halle zum gefälligen Kopfnicken. Diejenigen, die den Auftritt mit sehr viel Nebel und ins Publikum gerichteten Strobo-Gewittern ohne epileptischen Anfall überstanden hatten stärkten sich für die beiden Hauptacts des Abends oder versammelten sich auf der Dachterrasse.

 

Abbath live2022Um 20:30 startete der Einmarsch der Gladiatoren, zumindest musikalisch. Der meterhohe Schriftzug aus Stahl vor dem Schlagzeug, der ein wenig an Thomas Anders Nora-Kette in XXL erinnerte, sowie sein überlebensgroßes grimmiges Antlitz auf dem Backdrop ließen keinen Zweifel aufkommen, wer nun die Bühne entern sollte. Auf der Bühne erschien Abbath, standesgemäß in eine Lederrüstung gehüllt samt Anhang. Im Vorfeld unterhielt ich mich mit einem Bekannten, wie es Abbath wohl gehen möge, die letzten Liveerlebnisse und Nachrichten waren ja weniger erfreulich. Auf der Bühne lieferte er allerdings durchweg überzeugend ab. Die Stimmung war gut, vereinzelt wurden (sofern vorhanden) Mähnen geschüttelt, der Funke sprang bei den letzten Songs, die allesamt Immortal Cover waren, dann richtig über. Wenn gleich die Norweger spielerisch bei diesen Klassikern „In My Kingdom Cold“, „Beyond The North Waves“ nicht immer ganz firm waren, erreichte die Atmosphäre den Höhepunkt. So pünktlich der Gig begonnen hatte, so pünktlich war er vorbei.

 

Ich nutzte die Pause, um die Merchandise Stände zu inspizieren, Watain hatte einen eigenen, die anderen teilten sich den zweiten. Die Merchandise Auswahl ließ wenig Wünsche offen, wenngleich schon nicht mehr alle Größen des Watain Tour Shirts zu haben waren. Der geneigte Metalhead hatte jedoch die Möglichkeit, sich alternativ eine Watain Hotpants zu kaufen. Nun ja, wenn es schön macht… Ohne Hotpants, dafür mit einer signierten CD im Gepäck fand ich mich gegen zehn vor der Bühne ein. Auch hier griff die hervorragende Organisation der Stagecrew wie die Zahnräder eines Uhrwerks ineinander. Nach insgesamt nur knapp zwanzig Minuten Umbaupause war die Bühne für den Headliner fertig, ich erinnere mich an Konzerte der Schweden, wo dies auch schon einmal über neunzig Minuten in Anspruch nahm, nur um weitere Ladungen an verrottendem Fleisch und Taufbecken voller Schweineblut auf die Bühne zu karren.

 

Watain 1 live2022Beinahe um Punkt 22:00 starteten Watain. Untermalt von einem stimmungsvollen Akustik Intro trat ein Roadie auf die Bühne und entzündete mit einer latent überdimensionierten Fackel die Bühnendekoration. Der Arbeitsschutz wäre nicht erfreut gewesen. Aber alles ging gut, so dass kurze Zeit später die fünf Schweden die Bühne enterten, wiederum mit Fackel. Bereits bei den ersten Takten des Openers „Ecstasies In Night infinite“ vom aktuellen Album „The Agonie & Ecstasy Of Watain“ gab es vor der Bühne kein Halten mehr. Passend zu dem gepflegten Outlaw-Image von Watain herrschte zu diesem Zeitpunkt milde Anarchie im Publikum. Vor der Bühne wurde ungeniert geraucht, der Boden klebte und man musste durch kaputte Einwegplastikbecher waten. Aus dem kollektiven Headbangen formte sich rasch ein Black Metal Konzert untypischer Moschpit, dessen Stimmung bei den beiden nächsten, schnelleren Songs „Black Salvation“, „The Howling“ den Höhepunkt erreichte, nicht zur uneingeschränkten Freude aller anderen umstehenden Besucher. Frontmann Erik stimmte das Auditorium beschwörend auf einen magischen Abend ein, der so nun auch folgen sollte.

 

Watain 2 live2022Im Vergleich zu anderen Konzerten der Schweden war dieses beinahe schon Veganer tauglich. Die Mengen Blutes, die ins Publikum entlassen wurden, hielten sich auf einem beinahe homöopathischen Level, auch hier klare Rohstoffverknappung. Wer nicht in der ersten Reihe stand, bekam bestenfalls ein paar Tropfen ab, lediglich zwei Fans in der ersten Reihe bekamen eine ordentliche Ladung in ihre offenen Münder. Na denn Prost. Es folgten vom Album „Casus Luciferi“ die Songs „I am the Earth“ und „Devils Blood“, bis nach dem folgenden „Serimosa“ vom aktuellen Album, welches mein persönliches Highlight darstellte, die Band zu dem eingespielten Instrumental „Not Sun, Nor Man, Nor God“ die Bühne verließ. Offenbar war das gesamte Auditorium Watain erfahren, des es gab keinen einzigen Zugabe Ruf, sondern nur gespanntes Abwarten. Und wenig überraschend kehrte das Quintett umgehend zurück, um mit „Before The Cataclysm“ und „Angelrape“, den Saal zum Überkochen zu bringen. Statt Blut gab es gewaltige Feuerfontänen, die die Halle ordentlich aufheizten und die passend zu den Lyrics gezündet wurden. Mit „Malfeitor“  und noch mehr Feuer endete der Gig. Watain schaffen es so unmissverständlich wie kaum eine andere Band das Ende eines Konzertes zu kennzeichnen. Erik löschte die Kerzen, verneigte sich vor Publikum und Bühne und war weg. Um bereits 23:15 war alles vorbei und die Heimreise konnte angetreten werden, die glücklicherweise ohne Komplikationen verlief.

Ich muss ja sagen, so mit steigendem Alter weiß ich einen Headliner, der bereits um zehn auf der Bühne steht, sehr zu schätzen. Alles in allem war es ein gelungener Konzertabend. Die Organisation und der Ablauf war herausragend, die Location sehr angenehm und der Sound, zumindest bei Abbath und Watain großartig. Die Versorgung mit Getränken klappte dank des sehr gut eingespielten Thekenpersonals vollkommen unproblematisch, lediglich die Entsorgung eben dieser, gestaltete sich aufgrund zu weniger Toiletten etwas zeitintensiver.

Watain waren gewohnt routiniert und auf eine gewisse Art energiegeladen, den tollwütigen Furor früherer Konzerte entfesselten sie jedoch diesmal nicht. Spielerisch auf top Niveau und mit großartiger Kulisse fesselten sie zwar, aber das gewisse I-Tüpfelchen fehlte mir bei diesem Auftritt. Dennoch, es war ein sehr schöner Abend, die Bands waren alle ausnahmslos gut, die Location klasse und das Konzert wird mir so gut in Erinnerung bleiben.

 



Autor: Andreas Sprack - Pics: Andreas Sprack