KING DIAMOND, PARADISE LOST, ANGEL WITCH

Oberhausen, Turbinenhalle, 13.06.2025

Es ist schon eine Weile her, dass King Diamond hier in Deutschland auf Tour war. Ich kann mich das letzte Mal an den 06.06.2006 in Essen erinnern. Danach gab es als kurzes Intermezzo nur noch das Rock Hard Festival 2013. Die Erwartungshaltung ist groß. Dementsprechend gut besucht ist die Turbinenhalle heute auch, die zwar rappelvoll ist, aber dennoch nicht ausverkauft sein soll. Auf einigen Konzertkarten stehen noch Unto Others als Support abgedruckt, die heute jedoch nicht hier sind. Das Banner des riesigen Baphomet-Götzen passt gut zu King Diamond, ist aber das Hintergrundbild für die New Wave Of British Heavy Metal-Legende Angel Witch, die heute den Opener macht.

Angel Witch - live - 2025Ich habe die Engländer bis jetzt zweimal live erlebt, und beides ist schon lange her (Graspop Metal Meeting 2011 und Keep It True 2013). Von den damaligen Besetzungen ist heute außer Chef und Gründer Kevin Heybourne, der für Gitarre und Gesang zuständig ist, niemand mehr an Bord. Manche Bands werden leider immer nur auf ihr Debüt minimiert. Das ist auch bei Angel Witch so, obwohl es immerhin fünf reguläre Alben von ihnen gibt. Das weiß auch Kevin Heybourne. Und so gibt es in dem nur halbstündigen Slot lediglich fünf Songs zu hören, die aber alle vom selbstbetitelten Debüt aus dem Jahr 1980 stammen. „Atlantis“, „White Witch“, „Sorceress“, „Angel Of Death“ und die viel mitgesungene Hymne „Angel Witch“ werden solide runtergehobelt. Die Band ist spielerisch gut drauf und Mr. Heybourne gut bei Stimme. Zum Schluss spielt sich die Band in einen Flow, der gut vom Publikum abgefeiert wird. Lediglich mein Band-Favorit „Baphomet“ - passend zum Banner – hätte ich persönlich gern gehört. Doch für einen Opener machen die Engländer ihre Sache heute richtig gut!

Setlist: Atlantis, White Witch, Sorceress, Angel Of Death, Angel Witch

Paradise Lost - live - 2025Viele rechnen jetzt mit Unto Others. Das Paradise Lost als zweites spielen, hat viele überrascht. Ich bin mit der Musik der Engländer aufgewachsen und freue mich, dass sie heute hier sind, auch wenn die Gesangsleistung auf den letzten Konzerten der Band, die ich besucht hatte, leider sehr zu wünschen übrig ließ. Heute singt Chris Holmes zwar auch ein bisschen auf Sparflamme, gefällt mir aber deutlich besser als die letzten Male. Der Rest des Teams ist ohnehin gut eingespielt. Seit der Gründung im Jahr 1988 wurde lediglich der Posten des Schlagzeugers ein paar Male ausgetauscht. Und auch heute sitzt wieder jemand Neues hinter den Kesseln. Leadgitarrist Greg Mackintosh ist deutlich ergraut, aber in Würde gealtert. Rhythmusgitarrist Aaron Aedy headbangt wieder verhältnismäßig übertrieben, verglichen mit der Musik, die die Band spielt. Die Setlist ist eine ausgewogene Mischung aus alt und neu. Das Piano-Intro von „Enchantment“ läuft, ein gekonnter Opener. „The Last Time“ in der Mitte des Sets ist der zweite Song des 1995 veröffentlichten Meisterwerkes „Draconian Times“; alle anderen Alben sind nur mit je einem Track vertreten. Die ganz alten Kamellen lässt man leider erneut weg. „Pity The Sadness“ von „Shades Of God“ (1992) und „Embers Fire“ (von „Icon“, 1993) sind die ältesten Klassiker, die heute den Weg in die Setlist finden. Das war allerdings auch in den letzten Jahren so und hatte ich auch nicht anders erwartet. Zwar nervt es mich bei Paradise Lost immer noch ein bisschen, dass die kompletten Keyboards nur vom Band kommen, ansonsten hat man mit ganz viel Nebel eine schöne Atmosphäre erzeugt. Beide bisherigen Bands am heutigen Abend haben übrigens einen für die Turbinenhalle überraschend guten Sound!

Setlist: Enchantment, The Enemy, Pity The Sadness, No Hope In Sight, Faith Divides Us – Death Unites Us, The Last Time, Ghosts, Embers Fire, Say Just Words

King Diamond - live1 - 2025Das mit dem Sound ändert sich leider beim Headliner King Diamond, der durch den Umbau mit der opulenten Bühnendekoration lange auf sich warten lässt. Während der Pause laufen viele Siebziger-Klassiker von Led Zeppelin, Deep Purple, Blue Öyster Cult, Uriah Heep und ein paar anderen. Apropos Uriah Heep: „The Wizard“ wird deutlich lauter abgespielt und dient quasi als Intro der Show. Das Bild, dass sich bietet, als der Vorhang fällt, ist gigantisch! Rechts und links führen Treppen nach oben auf eine weitere Etage. Dazwischen ist das Schlagzeug mittig platziert. Man sieht besessene Kinder in Fensterrahmen, die an Spukhaus-Horrorfilme erinnern, sowie diverse Türen und Särge im Hintergrund. Eine Keyboarderin, die auch Background-Sängerin ist, ist genauso vertreten wie eine Actress, die immer wieder über die Bühne geht und Teile der Show übernimmt. Der Sound ist zunächst laut und schwammig. Lediglich am erstaunlich guten Gesang von King Diamond kann man erkennen, welcher Song gerade gespielt wird. Das ändert sich erst beim neuen Track „Spider Lilly“, der bislang immer noch auf keinem Album vertreten ist. Das neue Werk lässt ja seit Jahren auf sich warten. Die Bandvorstellung gibt es heute schon recht früh. „Sind wir schon einmal hier gewesen? Oberhausen? Ich glaube nicht“, sagt King Diamond, der sichtlich begeistert davon ist, wie gut die Turbinenhalle heute Abend gefüllt ist.

King Diamond - live2 - 2025Die Band ist super eingespielt, zockt ordentlich und ist viel in Bewegung. Kein Wunder, sind doch alle schon recht lange dabei. Neustes Mitglied ist Bassist Pontus Egberg, der als einziger 2013 auf dem Rock Hard Festival noch nicht dabei war. Die Show ist wie immer top. Die Actress torkelt mal wie besessen über die Bühne, mal sitzt sie als alte Grandma im Rollstuhl. King Diamond steht sogar einmal mit langen offenen Haaren direkt neben ihr und sieht aus wie ein böser Hexenmeister in einem alten Fantasy-Film. Mir fällt heute zum ersten Mal auf, wie oft King Diamond überhaupt seine Maske wechselt. Von jemandem aus dem Publikum darauf angesprochen, sagt er, „dass es nicht Mercyful Fate ist und er immer in andere Rollen schlüpft“. Die Setlist ist der Oberhammer! Kein Klassiker fehlt. Die passenden Intros werden vorher abgespielt und gönnen dem Meister immer wieder kleine Pausen für seine Stimme, die nahezu perfekt ist. Die beiden neuen Songs „Spider Lilly“ und „Masquerade Of Madness“ reihen sich nahtlos in die Setlist ein, als hätten sie immer schon dazugehört. Schlagzeuger Matt Thompson (seit 2000 dabei) imitiert den alten Mikkey Dee-Stil perfekt, und bei „Eye Of The Witch“ spielt man auch überraschend progressiv. Nach der erwartungsgemäßen Zugabe „Abigail“ läuft noch ein Outro zum Runterkommen, und nach anderthalb Stunden ist Schluss.

Setlist: Intro: The Wizard (Uriah Heep), Intro: Funeral / Arrival, A Mansion In Darkness, Halloween, Voodoo, Intro: Them / Spider Lilly, Intro: Two Little Girls / Sleepless Nights, Intro: Out From The Asylum / Welcome Home, The Invisible Guests, The Candle, Masquerade Of Madness, Eye Of The Witch, Burn, Abigail, Outro: Insanity

Die T-Shirt-Preise haben sich mit 35 € pro Stück (bei allen drei Bands!) leider wieder sehr gewaschen, und obwohl das Konzert relativ zeitig zuende ist, ist die Rückfahrt mit der Deutschen Bahn leider mal wieder viel zu lang, und ich bin erst mitten in der Nacht wieder zu Hause. Das nächste Mal werde ich Oberhausen lieber wieder mit dem Auto erreichen, um weniger Theater zu haben. Der positive Eindruck aller drei Bands am heutigen Abend überwiegt aber! Das lange Warten hat sich definitiv gelohnt!



Autor: Daniel Müller - Pics: Daniel Müller