SCORPIONS, BEYOND THE BLACK

Köln, Lanxess Arena, 23.11.2016

Vier Jahre nach der offiziellen Abschiedstournee, ein halbes Jahr nach der Unterbrechung ihrer 50-Jahre-Jubiläumstour, aufgrund einer Kehlkopfentzündung von Sänger Klaus Meine und ein Jahr nach der letzten Motörhead-Tour kehren die Scorpions mit Mikkey Dee für fünf Konzerte auf die deutschen Bühnen zurück. Köln ist das erste dieser fünf Nachholtermine und man durfte gespannt sein, in welcher Verfassung sich die Hardrocker diesmal zeigen würden.

beyond the blackDoch den Anfang machen heute Abend um 20:00 Uhr die Mannheimer Symphonic Metaller von Beyond The Black, die erst seit 2014 aktiv sind und schon zwei Studioalben draußen haben. Im Vorfeld wird viel gelästert. Aussagen wie „Die sind nur gecastet.“, „Livedebüt im Gründungsjahr ausgerechnet in Wacken“, „Sängerin Jennifer Haben ist eine schwierige Person und tauscht mal eben die komplette Hintermannschaft aus“ oder „musikalisch passen beide Bands nicht zusammen“ waren der Tenor der Allgemeinheit. Ich muss zugeben, dass ich dadurch zunächst auch etwas skeptisch an die Sache herangehe, allerdings werde ich schnell eines Besseren belehrt. Zwar ist mir das Keyboard beim Opener „Lost In Forever“ für meine Begriffe noch zu sehr im Vordergrund, legt sich dies noch, bevor der Song zu Ende ist. Die Band bangt synchron, was manchmal etwas sehr einstudiert wirkt, aber es gibt auch mal knackige Riffs, Doublebass und hin und wieder ein paar Growls. Jennifer Haben sieht nicht nur toll aus, sondern zeigt sich auch stimmgewaltig und trifft jeden Ton. In der Mitte des Sets gibt es Motörheads „Love Me Forever“ vom 1991 erschienenen „1916“-Album. „Jemand von der nächsten Band wird sich gut in diesen Song erinnern“, sagt Jennifer. Dass Mikkey Dee erst ein Jahr nach diesem Album bei Motörhead eingestiegen war und er diesen Song seit diesem Jahr auch nicht mehr live gespielt hatte, ist ein kleiner Schönheitsfehler, der kaum jemandem aufgefallen sein dürfte und soll ihr verziehen werden. Beyond The Black legen mit neuer Besetzung, die gar nicht diesen Anschein erweckt, ein solides Set hin und haben für eine erste Band auch einen recht guten Sound erwischt. Ich habe schon deutlich anstrengendere Bands im Vorprogramm der Scorpions gesehen.

 

scorpionsDie Hannoveraner beginnen pünktlich um 21:00 Uhr und spielen fast zwei Stunden. Wie würde Klaus Meine sich nach seiner Erkrankung schlagen? So wie 2012 nach meinem letzten Scorpions-Konzert will ich die Band in ihrem Perfektionismus eigentlich in bester Erinnerung behalten. Die Angst, dass das Konzert so wie vor einem halben Jahr wieder abgebrochen werden muss, ist nicht groß, schwingt aber ein bisschen im Hinterkopf mit, doch nicht allzu lange. Die Band eröffnet mit dem neuen „Going Out With A Bang“ und der Titel sollte Programm sein. Klaus Meine sagt, dass es ihm leider nicht so gut ist, bedankt sich nochmal für die Unterstützung nach dem Abbruch der Tour vor einem halben Jahr und tatsächlich habe ich bei den ersten vier-fünf Songs das Gefühl, dass er ein wenig auf Sparflamme singt, im Gegensatz zu sonst. Doch das legt sich schnell. Wenn man mit Klassikern wie „Make It Real“, „The Zoo“, welches endlich nicht mehr so abgehackt klingt, seit dem James Kottak am Schlagzeug ersetzt wurde, und dem Instrumental „Coast To Coast“, bei dem Klaus Meine die dritte Gitarre spielt, in der Hinterhand hat, kann eigentlich auch nicht viel schief gehen. Heimatgefühle bekomme ich, als Klaus Meine alte Tour-Anekdote über Busfahrten über das Kamener Kreuz ausgräbt. Danach wird es kultig, denn es folgt ein Medley der Siebziger Jahre mit „Top Of The Bill“, „Steamrock Fever“, „Speedy´s Coming“ und „Catch Your Train“. Das neue „We Built This House“ nimmt etwas den Druck raus, bevor Leadgitarrist Matthias Jabs beim Instrumental „Delicate Dance“ glänzend in Szene gesetzt wird und zeigen kann, wozu er fähig ist. Danach legen die Scorpions ein kleines Akustikset hin, bei dem Mikkey Dee mit einem winzigen Drumkit vorne auf der Bühne platziert wird, und man gibt „Always Somewhere“, das neue „Eye Of The Storm“ und „Send Me An Angel“ zum Besten. Besonders beim letztgenannten Song fällt auf, dass viele „normale“ Leute im Publikum sind, die heute erstmals lauthals mitsingen. Natürlich darf danach auch der Welthit „Wind Of Change“ im direkten Anschluss nicht fehlen, der ebenfalls vom 1990 stammenden Album „Crazy World“ stammt und als Song zum Zeichen des Friedens geschrieben wurde. Wider einem Irrglauben hat „Wind Of Change“ nämlich tatsächlich nichts mit dem Berliner Mauerfall zu tun.

scorpionsDoch nach vielen ruhigen Tönen wird es jetzt endlich wieder rockiger. „Rock And Roll Band“ macht seinem Titel alle Ehre. Und danach darf sich auch Mikkey Dee am Schlagzeug endlich etwas austoben, wirkt er zuvor doch teilweise etwas unterfordert. Jetzt packen die Scorpions die Keule aus. „Dynamite“ ballert wie je und je, bevor Klaus Meine „unseren neuen Schlagzeuger“ vorstellt und den nächsten Song „unserem Freund Lemmy“ widmet. Der Motörhead-Coversong „Overkill“ ertönt samt Doublebassattacken. Während des Songs werden Bilder des im letzten Jahr verstorbenen Motörhead-Urgesteins auf der Leinwand gezeigt. Dabei kann man als alter Fan schon mal sentimental werden. „Overkill“ geht in ein siebenminütiges Schlagzeugsolo über, das wirklich jeden im Publikum von den Sitzen reißt. Und es bleibt heavy. Mit „Blackout“, „No One Like You“ und der Hymne „Big City Nights“ entlassen uns die Scorpions aus dem regulären Set. Als erste Zugabe schlägt die Band mit „Still Loving You“ wieder seichtere Töne an. Klaus Meine gibt danach eine kurze A Capella-Version von „Holiday“, bei dem das Publikum mitsingen darf. Zum Schluss gibt es natürlich das unentbehrliche „Rock You Like A Hurricane“ inklusive Konfettiregen, bei dem wirklich alle von ihren Sitzen aufstehen. Hier kehrt man seit der Jahrtausendwende wieder zu der ursprünglichen Version zurück. Nach dem Orchester-Album „Moment Of Glory“ hatten sie einen anderen Mittelteil mit eingebaut, auf den nun wieder verzichtet wird. Nach zwei Stunden ist die Show vorbei. Der Sound ist fett. Lediglich die ständigen grellen Farben auf der Leinwand sind auf Dauer vielleicht etwas zu viel des Guten. Man kann über die Scorpions und ihrem damaligen Abschied sagen, was man will. Fakt ist, dass sie mit Rudolf Schenker den wohl tightesten Rhythmusgitarristen (der immer noch fit posiert wie ein Vierzigjähriger) und mit Mikkey Dee einen der besten Schlagzeuger auf diesem Planeten haben. Zudem muss man Klaus Meine attestieren, dass er – im Gegensatz zu Ian Gillan oder David Coverdale - der einzige Sänger der heute noch aktiven „Rock-Opas“ ist, der auch nach zwei Stunden noch exakt jeden Ton trifft. Von mir aus können die Scorpions in dieser Verfassung noch gerne so drei bis fünf Jahre machen, bevor sie in Rente gehen.



Autor: Daniel Müller - Pics: Daniel Müller