KRACHMAKERS - Blutgrätsche im Unterhaus


Ein Vierteljahrhundert lang lag die Band brach. Früher war der Fokus wesentlich mehr auf den Proberaum-Kühlschrank gerichtet, was kultige Textzeilen wie ,,Wir sind die Trinkergemeinde, alkoholfreie Getränke sind unsere Feinde" einwandfrei beweisen. Mittlerweile hört sich der Band-Sound aber etwas erwachsener und aufgeräumter an und, ähnlich den Trümmerfrauen, hat man viel Schutt und Asche über Bord geworfen. Aber keine Angst, die Krachmakers sind keinesfalls ruhiger oder zurückhaltender geworden. Die Band hört sich immer noch wie der FC Schienbein 08 des deutschen Punk Rock an. Dieses Interview wurde mit allen vier Protagonisten, welche da wären: Sänger Holger, Gitarrist Dennis, Bassist Dirk und Schlagzeuger Markus, geführt.

logoJörg: Was war der ausschlaggebende Punkt, dass nach fünfundzwanzig Jahren eine Wiedervereinigung stattgefunden hat, und wie kam es dazu?

Holger: Ein Anruf von unserem Bassisten Dirk. Er wollte unser altes Demo bei YouTube einstellen. Da wurde dann ein Treffen ausgemacht, bei welchem wir alle spaßeshalber wieder zusammen spielen wollten. Dirk schrieb einen Text und dazu gab es ein paar einfache Riffs. Das Feuer brannte wieder lichterloh, und so kam dann eins zum Anderen. Die Krachmakers spielten nach so langer Zeit das erste Mal wieder zusammen. Alle hatten unglaublich viel Spaß, und so wurden dann Termine für die nächsten Proben ausgemacht.
Dirk: Mir ist beim Aufräumen das alte Demo-Tape in die Hände gefallen. Nach mehreren Jahren hörte ich mir diese Aufnahmen wieder mal an. Mittlerweile gab es YouTube, wo eine Menge kultiger Underground Musik zu finden war. Ich dachte mir, man sollte unseren „Lärm“ den nachfolgenden Generationen nicht vorenthalten, haha. Den Kontakt zueinander hatten wir alle längst verloren. Nach und nach wurde aber jeder einzelne von uns wieder ausfindig gemacht.

Jörg: Wie seid Ihr damals eigentlich zusammen gekommen, und wie lange habt Ihr gemeinsam gespielt? 

Holger: Bei einigen gemütlichen Feierabendbierchen erzählte mir Dirk, dass er eine Band gegründet hätte und einen Sänger suchte. Ich probierte die Sache mal aus. Der Rest der Band war mit mir einverstanden, und seitdem bin ich Sänger der Krachmakers. Wir haben ungefähr eineinhalb Jahre zusammen gespielt.

Dennis: Dirk und ich hatten die Idee, eine Band zu gründen. Markus war sehr schnell gefunden, und wir hatten uns alle mit billigen Anfänger Instrumenten-Sets ausgestattet. Hauptsache, irgendwie Krach machen! Womit dann auch der Bandname feststand. 

Jörg: Hat Euch die Band nach der Auflösung gefehlt, oder war das Kapitel Krachmakers für Euch emotional beendet? 

Markus: Tja, mir auf jeden Fall. Ich habe im Laufe der Jahre immer mal wieder auf das Tape zurückgegriffen; mit all seinen Spielfehlern, haha. Das ging nach wie vor ganz gut rein nach einigen Bierchen. Das war schon eine extrem geile Zeit.

Holger: Nach der freundschaftlichen Auflösung der Band war das Thema für mich erstmal erledigt. Die Erinnerungen an unsere feucht-fröhlichen Proben sind natürlich geblieben.

Dennis: Das Kapitel Krachmakers war zwar vorbei, aber emotional begleitete mich das noch eine ganze Zeit lang. Es gab immer wieder Situationen, in denen ich an diese schöne gemeinsame Zeit zurückdachte. Mein Equipment verstaubte ungenutzt, fünfundzwanzig Jahre lang, denn ich konnte für mich selbst auch nicht akzeptieren, in einer anderen Band als Gitarrist zu spielen. Für mich gab es immer nur Krachmakers oder gar nichts! Ich bin sehr glücklich, dass wir nun alle wieder mit großer Freude zusammen musizieren.

Dirk: Am Anfang hat es mich schon etwas belastet. Ich wollte das Ende zunächst nicht akzeptieren. Wenn schon Schluss, dann wenigstens in Rockstar-Manier abtreten. Also habe ich meinen Bass mal so richtig zerhämmert, haha. Ein Vierteljahrhundert lang habe ich auch keinen Bass mehr in die Hand genommen. Damals gab es ein paar Differenzen über unseren weiteren Werdegang. Wir waren viel zu jung, um damit vernünftig umgehen zu können. 

Jörg: Früher wart Ihr von den Texten her ganz klar von den Dimple Minds beeinflusst. Mittlerweile sind Eure Lyrics wesentlich ernsthafter geworden. Welche Bands beeinflussen Euch heutzutage?

Markus: Schön, dass du die Dimple Minds erwähnst. Deren ersten Alben kamen zur richtigen Zeit raus, aber musikalisch war das nicht mit uns zu vergleichen. Im Großen und Ganzen höre ich immer noch das gleiche Zeug wie früher und trage sogar noch die alten Heavy Metal-Shirts. Aber ich glaube nicht, dass wir mittlerweile ernstere Texte bevorzugen. Warte mal ab, was noch kommt, haha. 

Dirk: Damals hatte der mit Bier gefüllte Kühlschrank mindestens denselben Stellenwert wie die Musik an sich. Von daher waren, zumindest für mich, die Dimple Minds schon ein wichtiger Faktor. Aber wir wollten nie kopieren und wären dazu musikalisch auch gar nicht in der Lage gewesen. Wir hatten schon unseren eigenen, sehr speziellen Sound. Den haben wir auch zum großen Teil wieder reaktiviert. Es war schon erstaunlich, dass wir nach so vielen Jahren Pause wieder fast genauso klangen. Heutzutage konzentrieren wir uns bei den Proben jedoch mehr auf unsere Musik, und deshalb tönt alles ein wenig geordneter; aber nur ein kleines bisschen, haha. Unser Equipment ist natürlich jetzt auch hochwertiger. Ich versuche, anspruchsvollere Texte zu schreiben, Probleme aufzugreifen und diese aber auch mit einer Prise Humor zu verpacken. Ich denke, allzu viele Bands im Punk- oder Metal-Bereich gibt es da nicht. Wenn wir mal über den Tellerrand schauen, dann fällt mir da beispielsweise der Liedermacher Funny Van Dannen ein. Musikalisch sind wir aber eine komplett andere Hausnummer.

krachmakersJörg: Habt Ihr früher auch live gespielt, und noch viel wichtiger: Wird man Euch in der Zukunft live sehen können? 

Holger: Wir hatten mal einen sehr spontanen Gig zusammen gespielt. Auf einer Feier ging uns die Musik auf den Sack. Da wurde im leicht" alkoholisiertem Zustand beschlossen, die Instrumente zu holen und die Sache zu übernehmen, haha. Wie die Instrumente an den Ort des Geschehens gekommen sind, dazu möchte ich mich nicht äußern. Nach kurzem Soundcheck wurde dann losgelegt. Die größte Herausforderung war, das Schlagzeug zusammen zu halten. Das rutschte beim Spielen auf dem glatten Boden ständig auseinander. Jeder hatte irgendwo einen Fuß gegen das Schlagzeug gestellt. Das war bestimmt eine geile Show. So rumpelten wir dann unsere fünf Songs runter. Das Highlight des Abends war das Dimple Minds Cover Durstige Männer". Da grölten alle lautstark mit. Ich denke mal, der Gig hat den Leuten richtig gut gefallen. 

Markus: Genau! Das war eine Hard´n Heavy-Feier in einem Sportheim; müsste circa 1990 gewesen sein. Ich kann mich noch erinnern, jemanden rekrutiert zu haben, der mir die Hi-Hat und Bassdrum stützt, sonst wäre ich wirklich durch den ganzen Raum geschlittert, haha. Eine Strophe mussten wir ziemlich lange spielen, weil Holgi plötzlich anfing, sich mit jemandem zu unterhalten. Aber er war ja noch gar nicht fertig mit seiner Strophe, haha. Irgendwie muss es aber gut gewesen sein, denn ich wurde jahrelang auf diesen kultigen Auftritt angesprochen. Selbst von Leuten, die gar nicht vor Ort waren. 

Dirk: Ja, das schon war eine echt krasse Aktion und leider auch der bislang einzige Krachmakers-Gig. Vielleicht werden wir in Zukunft mal wieder irgendwas starten. Spaß wird bei uns immer garantiert! Aber erst einmal müssen wir noch einige neue Songs einstudieren.

Jörg: Okay, dann kommen wir zur Eurer Single. Für die Aufnahme habt Ihr das Desert Inn Studio bei Herborn geentert. Wie lief das Ganze denn da so ab?

Holger: Am Anfang lief es etwas holprig. Alle waren sehr aufgeregt. Nachdem man sich dann aber an die Situation gewöhnt hatte, klappte alles super. Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden. 

Dennis: Wir alle sind sehr zufrieden damit. Es ist eine echte Live Einspielung. Besser konnten wir es nicht, haha!

Jörg: Wie seid Ihr an den Künstler für dieses Cover-Motiv gekommen?

Dirk: Einer meiner Lieblingsalben aus dem Jahr 2018 war die Darkness-Scheibe „First Class Violence“. Auch das Cover-Artwork finde ich mal so richtig fett. Im Oktober 2018 war ich auf dem Darkness Release-Konzert in Essen. Irgendwann während der Show baten die Musiker ihren ebenfalls anwesenden Coverzeichner Timon Kokott auf die Bühne. Dieser überreichte der Band die Original-Zeichnung. Ich habe nach dem Konzert direkt den Kontakt zu ihm gesucht. Ein paar Tage später habe ich ihn mit unserem Anliegen konfrontiert. Er fand unsere Idee mit der Panzerschnecke inklusive Totenkopf-Haus und Atombombe sehr spannend und hatte Bock darauf, es umzusetzen. Er hat noch einige tolle Details hinzugefügt und unsere Erwartungen letztendlich bei weitem übertroffen. Das, was wir als grobes Bild in unseren Köpfen hatten, brachte er erstklassig zu Papier. In dieser Zeichnung finden sich beide Songtexte der Single wieder. Wir finden, diese Old School Comic-Zeichnung passt perfekt zu uns, unserer Musik und unseren Bandnamen. 

Jörg: Wird die Schnecke nun Euer Maskottchen, und hört sie auf einen bestimmten Namen wie beispielsweise „Schneckeltooth“?

Dennis: Ich finde das Cover richtig cool! Aus diesem Grund habe ich es mir sogar schon auf die Brust tätowieren lassen. Ob die Schnecke zum Maskottchen wird, das wird sich noch zeigen, ist aber durchaus möglich. Wir haben sie mal „Stani“ getauft. In Anlehnung an Stanislaw Petrow. 

Jörg: Apropo Stanislaw Petrow: Wie kommt man eigentlich auf die Idee, ein Lied über ihn zu machen? Was sind Eure Informationsquellen bezüglich Stanislaw Petrow?

Dirk: Im September 2017 gab es in unserer Tageszeitung einen Bericht mit der Überschrift: „Der Retter der Welt starb unbemerkt“. In diesem Artikel wurde über Stanislaw Petrow berichtet. 1983 befanden wir uns mitten im kalten Krieg, und er war zu dieser Zeit der leitende Offizier der russischen Luftverteidigung. Auf einmal ging ein Alarm los – Atomwaffenangriff der USA! Stanislaw Petrow stand unter enormem Druck, denn insgesamt zeigten die Bildschirme nacheinander fünf Abschüsse vonseiten der USA an. Er hat sehr klug kombiniert und es zum Glück richtigerweise als Fehlalarm eingeschätzt. Hätte er einen Gegenangriff eingeleitet, dann wäre es mit ziemlicher Sicherheit zu einem Weltkrieg mit nuklearen Waffen gekommen. Wir würden wohl alle nicht mehr hier sitzen! Das dieser tolle Mensch einem großen Teil der Leute unbekannt ist, fand ich absolut erschreckend. Auch mir selbst war er bis zu diesem Zeitungsbericht kein Begriff. Ich wusste aber sofort, dass ich Stanislaw Petrow einen Text widmen möchte. Mit diesem Lied will sich unsere Band persönlich bei ihm bedanken und an ihn erinnern, auch wenn er es leider nicht mehr mitbekommen wird. Denn das dieser bescheidene Held dann auch noch unbemerkt von der Öffentlichkeit und in eher ärmlichen Verhältnissen verstorben ist, passt absolut ins Bild dieser egoistischen Gesellschaft. Wieso hat er eigentlich nie den Friedensnobelpreis bekommen? Wieso gibt man diesen stattdessen beispielsweise an einen Mann wie Barack Obama? Das ist doch an Satire nicht mehr zu überbieten! Obama war sicher eine Wohltat gegenüber seinem Vorgänger George W. Bush, aber ist das schon eine Berechtigung, den Friedensnobelpreis zu erhalten? Stanislaw Petrow hatte über Leben und Tod von Milliarden Menschen zu entscheiden, und er hat uns verdammt nochmal den Arsch gerettet! War es denn zu viel verlangt, ihm dafür ein wenig Anerkennung zu geben? 

Jörg: Ihr habt ein sehr interessantes Video zu „The Anti Patience Song“ auf YouTube, welches öfters angeklickt wird. Wer war denn für dieses Video verantwortlich, und wird es zu „Stanislaw Petrow“ auch ein Video geben? 

Dirk: Uns war klar, dass wir unbedingt ein Video für „The Anti Patience Song“ haben wollten. Die Story über die nervige „Warterei“ im Alltag sollte auch sinnbildlich unterstrichen werden. Ich habe dieses recht einfache Video erstellt. Perfektionismus und Krachmakers, das passt halt nicht so wirklich zusammen, haha. Somit steht auch hier absolut der Spaß im Vordergrund. Skelette, die telefonieren, einkaufen oder Auto fahren, sieht man sicher nicht alle Tage, haha. Den Leuten scheint es aber zu gefallen, und das ist cool. Für das Lied „Stanislaw Petrow“ wird auch noch was kommen. Das ist aber ein sehr ernstes Thema, und deshalb wird es dafür auch ein angemessenes Video geben. Es wird übrigens am 19. Mai auf YouTube zu sehen sein. Das ist exakt der zweite Todestag von Stanislaw Petrow und somit der perfekte Zeitpunkt, um noch einmal nachhaltig an ihn zu erinnern. 

krachmakersJörg: Gibt es noch mehr neue Krachmakers-Songs, und welche Ziele habt Ihr für die Zukunft mit den Krachmakers?

Holger: Es wird neue Songs geben, und die ersten Ideen hierfür wurden auch schon gesammelt. Unser gemeinsames Ziel ist es, ungefähr alle zwei Jahre eine Single zu veröffentlichen. Wir wohnen mittlerweile nicht mehr alle im Wetzlarer Raum, aber das müsste trotzdem machbar sein. 

Dirk: Das bekommen wir hin! Die Krachmakers sind vier Freunde, mit viel Freude an der Entstehung von neuen Liedern. Wenn man am Ende dann solch ein schönes Produkt wie unsere Vinyl Single in der Hand hält, dann weiß man, dass sich die ganze Mühe und die Liebe zum Detail ausgezahlt hat. Wir sind alle selbst riesige Fans von unserer Single, und bislang gab es auch nur positives Feedback. Hier hat keine Plattenfirma unterstützend mitgewirkt. Alles geht allein auf unsere Kappe! 

Jörg: Das letzte Wort gehört euch!

Holger: Ich möchte mich bei allen bedanken, die uns in irgendeiner Art und Weise bei der Entstehung unserer Single unterstützt haben. Ganz besonders auch bei unseren Familien. 

Dirk: Ich möchte unserem amerikanischen Freund Eddie danken, der für uns das coole Outro von „Stanislaw Petrow“ eingesungen hat. Stanislaw Petrow möchte ich im Namen der Menschheit natürlich auch ganz besonders danken!

Dennis: Vielen Dank an alle, die unsere Single bestellt haben oder noch bestellen werden. Danke auch an alle, die unser Video angeklickt und verbreitet haben. Eure Unterstützung bedeutet uns wirklich sehr viel. 

Markus: Danke dir Jörg, für die Möglichkeit dieses Interview machen zu können! 

Die wunderschön aufgemachte Vinyl Single gibt es für schlappe 6 Euro, in einer limitierten Auflage von 200 Stück, auf der bandeigenen Homepage zu erwerben.

https://www.krachmakers.de



Autor: Jörg Quaquil