DESTRUCTION - Die Einflüsse ändern sich nicht!


Seit 1993 bin ich nun schon Destruction-Fan. Damals war ich vierzehn. Heute besitze ich alle ihre Alben und habe sie schon etliche Male live gesehen. Ich wollte immer schon mal ein Interview mit Frontmann Schmier machen. Jetzt – mit neuem Album im Gepäck – ergab sich endlich mal die Gelegenheit. Er rief mich eines Abends an, und es entwickelte sich ein interessantes und tiefgründiges Gespräch mit viel Insider-Wissen und allerlei interessanten Hintergrund-Informationen für eingefleischte Fans der süddeutschen Thrash Metal-Urgesteine. Rausgekommen ist nach einer Stunde Telefon-Marathon mein längstes Interview überhaupt mit geschlagenen vierzehn DIN A4-Seiten! Aber lest selbst!

logoDaniel: Hi Schmier! Lass uns mal ganz vorne anfangen: Wie kam es 1982 zu der Gründung von Destruction? Und hattet Ihr zuvor schon in anderen Bands gespielt? Oder war Destruction Eure erste Band? Kanntet Ihr Euch vorher schon? Kannst Du Dich daran noch erinnern?

Schmier: Ja klar, logisch! Die Anfangstage sind wichtig! Das war essentiell. Wir haben uns kennengelernt auf diversen Disco-Partys, wo nur schlechte Musik lief, außer einer Heavy Metal- oder Hard Rock-Runde. Und wir haben uns bei so einer Hard Rock-Runde dann immer getroffen, um abzubangen. Wir waren die Einzigen bei uns im badischen Raum, die Hard Rock gehört haben. Deswegen waren auch immer die gleichen Leute da. Ja, und dann haben mich die Andren angequatscht, dass sie noch einen Bassisten gesucht haben. Ich habe damals zwar keinen Bass gespielt, aber ich habe cooler ausgesehen und hatte eine Kutte und lange Haare. Und dann habe ich mir direkt am Tag darauf einen Bass gekauft, und dann ging´s los! Wir hatten dann aber noch nicht Destruction gemacht, sondern das Projekt davor. Die Band hieß Knight Of Demon, und das war mehr so hardrockig, eher Heavy Metal, auch noch mit anderen Leuten. Wir hatten noch einen zweiten Gitarristen. So hat das angefangen damals. Destruction hat sich dann Ende 1983, glaube ich, erst richtig reformiert. Wir haben den Namen gewechselt usw. Und dann ging alles ziemlich schnell.  

Daniel: Welche Bands haben Euch damals beeinflusst? Und inwieweit haben sich Eure Einflüsse in all den Jahren geändert? Ihr klingt ja heute doch ganz anders als früher…

Schmier: Nein, also die Einflüsse ändern sich nicht. Wenn Du Musiker bist, dann hast Du einen Grund-Einfluss, das ist wichtig! Irgendwann findet ein Musiker seinen eigenen Stil. Und dann bleibst Du auch dabei, wenn Du schlau bist. Wir haben am Anfang sehr viel Exciter gehört und viel New Wave Of British Heavy Metal, wie Jaguar, Raven, Angel Witch und solche Sachen; natürlich auch Iron Maiden, Judas Priest und die klassischen Sachen, Black Sabbath mit Dio war damals ganz groß. Aber die harten Bands haben uns damals schon beeinflusst. Das war dann auch die Richtung, die wir uns auf die Fahne geschrieben haben, aber extremer und schneller als der Rest zu sein. Da haben wir dann losgerumpelt. Aber die Einflüsse haben sich bis heute nicht geändert. Wir machen im Prinzip noch die gleiche Musik wie früher. Es kommt natürlich immer mehr dazu, und natürlich hat man den Horizont mal erweitert irgendwann. Aber am Ende des Tages sind die Einflüsse immer noch die gleichen: der Hard Rock und Metal der frühen Achtziger.    

Daniel: Was denkst Du, wenn Du Dir heute die alten Aufnahmen hörst, die ja deutlich rumpliger gespielt sind? Gab es da eigentlich Theater mit dem Produzenten, so wie bei Sodom? Haha!

Schmier: Oh ja, wir waren ja im gleichen Studio, beim Horst Müller in Berlin, und die waren schon ziemlich schockiert, was wir für einen Krach fabriziert haben. Wir waren ja nicht tight, wir hatten keine Erfahrung. Das erste Demo hatten wir live im Studio eingespielt. Und dann in einem richtigen Studio mit einem richtigen Produzenten, das war schon eine große Erfahrung für uns. Aber wir waren schon sehr begierig, zu lernen und haben zum ersten Mal in Berlin aufgenommen. Das war für uns natürlich der Wahnsinn, denn wir waren ja nur kleine Jungs vom Lande gewesen. Wir sind ja in dem konservativen Drei-Länder-Eck groß geworden. Da war Berlin auch eine Wahnsinnsreise für uns!

Daniel: Apropos Sodom: Ihr hattet ja damals schon Kontakt zu ihnen; auch zu Kreator. Wie habt Ihr den Kontakt gehalten, so ganz ohne Internet? Wart Ihr nicht geographisch ein bisschen abgeschottet? Hattet Ihr auch Kontakt zu „südlichen“ Bands wie Poison oder Outrage?

Schmier: Ja, das war ein bisschen kompliziert alles. Wir hatten irgendwann mal Briefe ausgetauscht und haben uns dann irgendwann mal getroffen auf dem Venom Fanclub Meeting. Das war der Ort, wo wir uns alle getroffen haben. Da haben auch Sodom gespielt und Tankard. Und dann hatten wir auch unsere erste Show in Altenessen. Da waren auch Kreator, die damals noch Tormentor hießen. Iron Angel waren mit dabei. So haben wir die alle kennengelernt. Wir waren ja nur eine Handvoll Bands, die extremen Metal gemacht haben in Deutschland. Wir haben uns immer wieder getroffen und die gleichen Shows gemacht. Iron Angel waren oft dabei. Rage waren sogar noch oft dabei, Angel Dust, Tankard, Sodom, Kreator, oder eben am Anfang noch Tormentor. Mit den Bands haben wir damals ganz oft gespielt und uns mit ihnen getroffen. Irgendwann haben wir Telefonnummern ausgetauscht und mit den elterlichen Telefonen noch telefoniert. Damals gab es ja noch keine Handys, und wir waren alle echt noch jung. Ja, Poison haben wir auch oft getroffen. Die waren auch in der Rockfabrik ständig. Wir haben ja in der Rockfabrik auch unsere Karriere angefangen. Wir hatten auch bei diesem Nachwuchswettbewerb mitgemacht damals und hingen da ständig ab. Und die anderen Bands waren da auch immer mehr oder weniger am Start und haben die alle kennengelernt, ja klar!    

Daniel: Eure Texte pendeln zwischen satanisch-antichristlichen und politisch-sozialkritischen Texten. Wie viel Klischee und wie viel Überzeugung steckt da tatsächlich hinter?

Schmier: Na ja, ich denke, die Texte waren immer gegen das System, gegen alles. Und satanische Texte waren einfach böse. Wir sind dadurch aufgefallen und angeeckt. Wir waren jetzt nie wirklich Teufelsanbeter, aber wir hatten die Kirche richtig gehasst! Also, ich bin kirchlich erzogen worden. Bei mir sind alle richtig früh gestorben, der Onkel, die Oma, irgendwann der Vater, und dann waren alle tot. Und dann habe ich gesagt, „Weißt Du was? Fuck die Kirche!“, und habe mich da komplett losgesagt von und habe dann angefangen, auch solche Texte zu schreiben. Wir waren nie wirklich praktizierende Satanisten, so wie das später Mayhem oder so ein paar kranke Vögel waren. Wir wollten nur anecken, wir wollten raus aus dem System und provozieren. Und das haben wir auch gemacht.    

destructionDaniel: Wieso ist „Sentence Of Death“ eigentlich mit zwei unterschiedlichen Artworks erschienen? Und warum hattet Ihr danach das Logo geändert?

Schmier: Ganz einfach: Die Platte kam raus und war nur ein Versuch bei SPV damals, ob solche Musik  überhaupt verkaufbar ist. Wir waren ihr erster Release mit solcher Musik, und wir waren Testballons sozusagen. Die EP lief sehr, sehr gut, und man hat uns einen Plattenvertrag angeboten. Allerdings hatten sie damals noch keinen Vertrieb gehabt in den USA. In den USA kam die EP viel später raus. Und dann wollte Brian Slagel von Metal Blade ein anderes Cover haben, da sie nur als Import nach Amerika kam. Dann war das für ihn besser, Platten zu verkaufen. So kam das mit dem anderen Cover zustande. Wir fanden das nicht so geil. Wir wurden auch gar nicht gefragt. Das wurde einfach gemacht damals. Wir waren natürlich grün hinter den Ohren beim Plattenvertag unterschreiben. Wir wussten noch nicht, wie das alles funktioniert. Zu dem Logo: Wir fanden das Logo nicht berauschend, weil wir beim Logo kein Mitspracherecht hatten am Anfang. Das wurde einfach vom Designer der Plattenfirma so gemacht. Wir waren nicht zufrieden damit und haben das neue Logo gefunden und mit kreiert. Dann hat Mike das weiter ausgemalt, einen Entwurf davon gemacht und es dann dem Graphiker gegeben für „Infernal Overkill“. Wir wollten was Besseres, mehr ins Altdeutsche halt. Damals hatten wir noch kein Mitspracherecht und hat um jedes Ding gekämpft. Und bei „Infernal Overkill“ war es halt unsere Entscheidung, das Logo zu ändern und beschlossen, dass ein Totenschädel aufs Cover muss. Das Mitspracherecht kam erst im Laufe der Jahre, wo die Plattenfirma gemerkt hat, die Kids werden so langsam erwachsen und wollen noch was erreichen.     

Daniel: Mit „Sentence Of Death“ und „Mad Butcher“ waren in den Anfangstagen gleich zwei EPs veröffentlicht worden. Warum keine Alben? Hattet Ihr nicht genügend Material? Oder gab es andere Gründe dafür?

Schmier: Das hat man früher so gemacht. Das war normal. Das war früher gang und gebe, dass Bands Singles, Mini-LPs und Maxi-Singles veröffentlicht haben. Wie gesagt, bei „Sentence Of Death“ waren wir ein Testballon. Das war nur ein Versuch. Und die „Mad Butcher“ EP war nur eine Überbrückung in einer Phase, wo wir uns gerade verändert haben, sprich wo uns der Schlagzeuger verlassen hatte. Wir konnten damals keine volle Platte machen zu der Zeit und haben die „Mad Butcher“ EP wieder als Testballon gemacht. Wir haben dann einen neuen Song geschrieben, „Reject Emotions“, und „Mad Butcher“ nochmal neu aufgenommen mit dem neuen Line-Up. 

Daniel: Ihr hattet bereits 1987 beschlossen, mit zwei Gitarren weiter zu machen. Wie kam es zu diesem Entschluss?

Schmier: Na ja, wir waren halt noch beschränkt, und die meisten Bands hatten zwei Gitarren. Auch Kreator hatten dann einen zweiten Gitarristen, auch die ganzen Ami-Bands. Mit zwei Gitarren drückt es halt besser. Und wir haben gemerkt, vor allem live, dass man mit zwei Gitarren mehr machen kann. Und dann war da dieser Typ, Harry, den wir auch mal live gesehen hatten, und der tierisch geile Soli spielen kann. Und dann haben ihn einfach mal gefragt, wie es aussieht. Olli, unser Tommy-Ersatz am Schlagzeug, hatte ihn gekannt. Und wir waren die Jungen vom Dorf, die sich alle schon gekannt haben. Es gab damals keine Szene. Wir waren die ersten Metalheads, die es ga in unsere Ecke. Deswegen kannte jeder jeden.

Wenn Du „Release From Agony“ heute hörst, denkst Du, Ihr wart damals schon so weit? Oder denkst Du im Nachhinein, das wäre noch ausbaufähig gewesen?

Schmier: Na ja, mit zwei neuen Leuten in der Band, hat sich der Sound natürlich geändert. Und „Release From Agony“ war eben der erste Schritt in die Richtung, die vielleicht ein bisschen zu schnell ging. Wir wollten uns halt weiterentwickeln und immer besser werden. Die neuen Leuten haben dann auch das Songwriting so ein bisschen mit übernommen. So ist das eigentlich ganz schnell erklärt. Vorher hatten wir alle Songs nur zu dritt gemacht. Dann war Tommy weg, und es kamen zwei Neue in die Band, die auch Songs schreiben wollten und einen anderen Background hatten; nicht so den harten Background wie wir, die mehr so aus dem normalen Metal kamen. Olli hatte vorher sogar Jazz gespielt. Und dadurch wurde die Band auch so ein bisschen progressiver. „Release From Agony“ war eine Platte, die in Amerika  und Japan extrem gut angekommen ist und uns dort auch neue Märkte erschlossen hat. Aber in Europa haben sie die Platte nicht gemocht. Das war für uns auch ein schwieriger Moment. In Amerika und Japan ging es voll ab. Da wurde die Band voll abgefeiert. Bei uns in Europa fanden die Leute den Schritt, den wir gemacht haben, zu stark, zu groß und zu unnachvollziehbar. Das hat halt auch später darin geendet, dass „Cracked Brain“ dazu geführt hat, dass sich die Band getrennt hatte.   

Daniel: Das wäre meine nächste Frage gewesen: Warum kam es 1989 denn genau zum Split zwischen Dir und Destruction? Was war da los?

Schmier: Tja, wenn man halt als Sänger keinen Platz mehr hat, um seine Ideen mit einzubringen, dann entstehen zwei Lager. Das eine Lager war ich, und das andere Lager waren die Anderen. Die Anderen wollten progressiver und melodischer werden und sich weiter entwickeln, und ich habe gesagt, das geht nicht. Wir machen das falsch und müssen unsere Roots beibehalten usw. Und das wollten die Andren halt nicht. Daraufhin haben wir uns total gespalten. Das Songwriting war sehr zäh, und die Demos waren auch schrecklich. Wir haben alles verändert und uns im Studio auch richtig in die Haare bekommen. Wir haben kaum noch geredet. Es hat nicht mehr richtig geflutscht, und wir haben im Studio auch abgebrochen, weil wir Probleme hatten mit den Gitarren. Die waren öfter verstimmt, und wir hatten unsere Studiozeit aufgebraucht. Wir waren in einem sehr, sehr teuren Studio in München und mussten damals ein Pause einlegen. Und dann haben die Anderen entschieden, dass es so nicht weitergeht und ich die Band und die Weiterentwicklung der Band blockiere. 

Daniel: Hattest Du Dir „Cracked Brain“ damals eigentlich noch angehört? Oder saß der Frust noch zu tief?

Schmier: Ich hatte ja alle Songs mitgeschrieben und gekannt. Und „Cracked Brain“ ist durch mich auch viel straighter geworden. Am Anfang waren die Demos alle sehr vertrackt und überhaupt kein Thrash mehr. Und ich habe dann darauf gepocht, dass die Platte mehrere härtere Parts bekommt und wurde trotzdem am Ende des Tages aussortiert, und zwar auch nicht lustig, sondern die haben mich wirklich aufs Übelste vor die Tür gesetzt. Danach habe ich mich natürlich auch nicht mehr groß mit der Platte beschäftigt. Da war das Thema gegessen. Die haben ja auch in der Presse übel über mich abgelästert, nach dem Motto, „Ich konnte dem musikalischen Weg nicht mehr folgen usw.“ Die haben richtig übel über mich hergezogen auch. Deswegen habe ich mich mit Destruction auch nicht mehr beschäftigt und dann meinen eigenen Weg mit Headhunter eingeschlagen und habe versucht, die Destruction-Sache damit abzuhaken. Die Geschichte des Lebens ist, dass man dann auch mal etwas Neues anfängt und mit dem Alten abschließt. Und das habe ich auch gemacht damals.

destructionDaniel: Und wie denkst Du heute über das „Cracked Brain“? Hast Du Dir im Nachhinein mal ein Urteil über diese Platte gebildet?

Schmier: Na ja, die Platte klingt halt anders. Es ist eine schwierige Platte, weil sein dazu beigetragen hat, dass sich die Band gesplittet hat. Da sind aber durchaus ein paar gute Songs drauf. Und wir haben ja auch diverse Songs davon neu eingespielt auf „Thrash Anthems“ und sie auch neu eingesungen und in neuen Versionen neu eingespielt. Wir haben „Cracked Brain“ ja auch schon öfters live gespielt. Die Platte ist bei Fans nach wie vor noch sehr beliebt, obwohl es für mich die Platte ist, die etwas zwiespältig ist, aber letztendlich habe ich ja an der Platte auch noch mitgewirkt beim Konzept und bei den Aufnahmen. Nur beim Finale war ich nicht mehr dabei. Deswegen hat die Platte auch eine Bedeutung, auch für mich, nicht weil die geil ist, aber am Ende ist man immer schlauer und wächst längst drüber weg. Das ist ganz normal.    

Daniel: Stimmt es eigentlich, dass ursprünglich Flemming Rönsdorf (ex-Artillery) anstelle von André Grieder neuer Destruction-Sänger werden sollte? Weißt Du da etwas drüber?

Schmier: Ja, da gibt es zwei Geschichten. Ich weiß jetzt nicht, welche stimmt. Ich habe von den Jungs gehört, dass er ein paarmal runter kam damals und mit ihnen geprobt hat. Und dann vor der ersten Tour, mit Sodom, glaube ich, hat der Flemming dann die Kurve genommen und ist nicht mehr gekommen. Da hatten die Jungs nicht viel zu lachen. Und dann ist ja noch der Harry ausgestiegen. Aber da müsstest Du mit jemand anderem reden. Da bin ich nicht so gut informiert. Ich habe mich ja auch nie richtig damit beschäftigt. Das ging mir damals am Arsch vorbei.

Daniel: In Deiner Destruction-losen Zeit hattest Du Headhunter gegründet und mit ihnen drei Alben gemacht. War es Dir wichtig, dass sie sich musikalisch und textlich komplett von Destruction unterschieden? Oder hat sich das eher zufällig ergeben?

Schmier: Ja natürlich! Für mich war es wichtig, etwas Anderes zu machen! Ich wollte weiter spielen, damit ich die Beziehung zur Musik nicht verliere. Wichtig war, dass man Destruction-Roots raushört bei Headhunter, aber dass es etwas Neues und Anderes ist; mehr oder weniger Destruction meets Heavy Metal halt. Das war für mich eine wichtige Sache, dass ich als Musiker dabei bleiben konnte. Ich habe damals nicht daran geglaubt, dass ich damit große Erfolge feiern kann. Das war mir klar. Destruction waren ja noch da, und die haben ja auch die Fans auf ihrer Seite gehabt. Über mich wurde ja nicht so gut geredet. Für mich war es also auch ein neuer Lernprozess und eine Art Rehabilitierung irgendwo. Aber da weiter zu machen und nicht aufzugeben, das war ganz wichtig für mich. 

Daniel: 2007 gab es ja das Comeback-Album „Parasite Of Society“. War das eine einmalige Angelegenheit? Oder ist da in Zukunft auch noch etwas geplant?

Schmier: Ja, das ist schwierig! Wir haben damals Bock und Zeit dafür gehabt. Mit den Jahren wurde das aber immer schwieriger, weil wir alle woanders wohnen. Jörg Michael, zum Beispiel, macht die Wacken-Produktion und ist  da Produktionsleiter. Der Gitarrist, Schmuddel, hat eine Werbeagentur und ist in den Osten gezogen und hat da geheiratet. Das hat sich lange gezogen, und jeder hat andere berufliche Ziele. Dann ist das immer schwierig zu realisieren. Die Platte hat Spaß gemacht. Da kamen ein paar echt geile Songs raus, und ich habe auch noch immer Kontakt zu den Jungs. Jörg sehe ich halt immer in Wacken oder auf dem Summerbreeze, und der Schmuddel kommt ab und zu mal vorbei, wenn Destruction im Osten spielen. Aber  eine neue Headhunter ist nicht geplant! Das haben wir nicht vor. Aber wer weiß? Sag niemals ´nie´, aber wir haben es nicht vor. Die Band ist eigentlich Geschichte, wurde aber nie offiziell aufgelöst.

Daniel: Zwischen 1994 und 1998 erschienen von Destruction zwei EPs und ein Album, die sehr modern ausgefallen waren, und die Du gerne als „Neo-Destruction“ bezeichnest. Kanntest Du die Sachen schon, als die rauskamen? Und kannst Du denen heute etwas abgewinnen, wenn sie unter einem anderen Namen erschienen wären?

Schmier: Die Scheiben, die nach „Cracked Brain“ rauskamen, damit habe ich gar nichts zu tun! Die habe ich mir auch nie groß angehört. Ich finde, das klingt auch gar nicht nach Destruction. Die hätten den Namen ändern sollen damals. Dann wäre es vielleicht ein bisschen besser gelaufen für die Band. Also, wenn die Sachen unter einem anderen Namen rausgekommen wären, hätte ich mir darüber gar keine Gedanken gemacht. Dann hätte ich das auch besser akzeptieren können. Aber so, unter dem Namen Destruction, haben sie das ganze Konzept gebrochen der Band, mit neuen Leuten, mit der Musik auch gebrochen. Das klang ja wie progressive Pantera irgendwann dann… Also, ich konnte damit nichts anfangen. Ich habe da mal reingehört. Mir hat das auch wehgetan, weil sie damit das ganze Destruction-Ding zerstört haben, was wir aufgebaut hatten. Deswegen war ich auch sauer auf die Jungs. Die Musik war ganz anders, die Cover waren auch komplett schräg. Da wäre es schlauer gewesen, den Namen zu ändern, aber natürlich wollten die das nicht. Der Name war ja schon belegt, und ein Neuanfang unter einem anderen Namen ist dann immer schwieriger. Das ist ja klar!       

Daniel: Mike sagte damals, dass er „die alten Punk-Sachen nicht mehr spielen will“. Dennoch kam es nur ein Jahr nach „The Least Successful Human Cannonball“ – 1999 – zur Reunion mit Dir. Wie hast Du das so schnell geschafft, ihn umzustimmen?

Schmier: Nee, soll schnell ging das nicht. Das stimmt nicht. „The Last Successful Human Cannonball“ kam, glaube ich 1997 oder 1996…

Daniel: Nee, 1998!

Schmier: Echt? Ja gut, dann waren es anderthalb Jahre, bis Destruction sich reformiert haben… Das war ja 1999. Musst Du Mike fragen. Weiß ich nicht. Ich kann für ihn nicht sprechen. Er hat wohl gemerkt, dass mit dieser „Neo-Destruction-Formation“ nichts ging. Das wurde ja auch immer obskurer alles. Der Sänger hatte dann angefangen, die Texte zu ändern und hat „Mad Butcher“ komplett umgeschrieben und so. Ich glaube, die Band ist an sich selbst zerschellt und an der Erwartungshaltung der Fans. Und die Reunion gab es eigentlich nur, weil die nicht aufgehört haben, mich zu ärgern und zu fragen und diverse Male anzurufen. Ich wurde immer gefragt, „Warum macht Du nicht wieder?“ Aber ich wurde ja rausgeworfen. Ich kann kann ja nicht die Band wieder gründen, die mich rauswirft. Deswegen musste ich mit denen erstmal brechen. Und das ist passiert damals, nachdem die da gespielt haben auf dem Milwaukee Metal Fest und da ausgebuht worden sind. Da wurde dann auch der Bruch offensichtlich. Am Ende war es meine Ex-Freundin, die mich überredet hat, mal bei Mike anzurufen und zu fragen, o er Bock drauf hat, als wir die Anfrage gestartet haben, ob ich nicht wieder Destruction machen könnte. Dann habe ich bei Mike angerufen, und er hatte erstmal abgesagt. Er meinte, ´Auf keinen Fall!´. Er wolle seine Jungs nicht hängen lassen. Aber beim zweiten Mal kam er vorbei und hat sich mal mein richtiges Angebot angehört. Wir haben ja auch lange nichts miteinander zu tun gehabt. Ich hatte die Band ja nach dem Rauswurf auch ignoriert. Sie hatten mich ja damals auch aufs Übelste reduziert, und ich war nicht gut auf sie zu sprechen. Aber Zeit heilt auch alle Wunden, und nach zehn Jahren war ich auch nicht mehr sauer. Ich hatte damals mein eigenes Geschäft, eine erfolgreiche Kneipe mit Bistro. Der Laden lief super. Ich stand unabhängig gut da und habe noch ein bisschen Musik gemacht nebenbei, aber nicht Professionelles. Ich hätte die Reunion jetzt nicht unbedingt gebraucht, aber auf der anderen Seite hat es auch ein bisschen gekribbelt, weil die Fans auch einfach nicht aufgehört haben. Ich glaube, wenn es keinen interessiert hätte, dann hätten wir es auch nicht mehr gemacht. Aber meine damalige Freundin kam nicht aus dem Metal-Bereich – sie war eher so ´ne Biker-Braut – und merkte das auch und fragte mich, ´Sag mal, merkst Du nicht auch, dass Du immer noch ständig darauf angehauen wirst? Red´ doch mal mit dem Mike!´ Und so hat das eigentlich angefangen.

Daniel: Warum war Tommy Sandmann bei der Reunion eigentlich nicht mit dabei? Hatte er keinen Bock? Und wurde er überhaupt gefragt? Olli war ja wahrscheinlich wegen sauer, weil er ja bei der „Neo-Destruction“-Besetzung noch dabei war…

Schmier: Also, zum Musik machen muss man auch sein Instrument beherrschen. Und Tommy hat aufgehört, Schlagzeug zu spielen, nach seinem Ausstieg 1986. Und fünfzehn Jahre später wäre lächerlich gewesen, einen Schlagzeuger zu nehmen, der nicht spielen kann. Und für mich war klar, dass ich mit Leuten, die dafür gesorgt haben, dass ich aus der Band fliege, nicht weiter Musik machen werde. Olli als Schlafgzeuger stand nie zur Debatte. Ich hatte gesagt, wenn wir Destruction machen, dann Mike und ich und ein neuer Schlagzeuger, oder wir lassen es. Das war von Anfang an das Thema. Wir haben uns trotz allem auch versöhnt irgendwann. Ich hatte die Anderen auch mal eingeladen  zur Probe oder zum Quatschen. Denn nach zehn Jahren war das für mich alles Quatsch. Wir sind alle erwachsen, und über den jugendlichen Leichtsinn hinaus haben wir alle gemerkt, wir Scheiße gebaut haben damals. Wir sind heute alle wieder gute Freunde. Und Olli, zum Beispiel, war auch derjenige, der sich bei unseren alten Scheiben um die rechtlichen Sachen kümmert und mit uns zusammen gearbeitet hat, als es um die Re-Releases unserer Scheiben ging. Wir sind in gutem Kontakt. Und es ist gut, das wir mit Destruction die alten Streitigkeiten alle mal abgelegt haben irgendwann.       

Daniel: Ihr hattet zwischendurch mit „Thrash Anthems 1&2“ alte Klassiker neu eingespielt. Was genau waren die Gründe dafür? Wolltet Ihr besser gespielte Versionen haben? Oder alte Songs im heutigen Sound-Gewand? Was waren genau die Beweggründe dafür?

Schmier: Na ja, wenn Du die Story der Band kennst, dann weißt Du ja, dass wir seit der Reunion immer einen Song als Bonustrack neu aufgenommen haben. Und das kam bei den Fans so gut an, dass sie in einem Destruction-Forum meinten, dass praktisch eine Best Of-Scheibe gefordert hatten, aber eben mit neu eingespielten Versionen. Damals hatten das aber schon Testament gemacht. Dann hatten wir diese Idee erstmal wieder verworfen und haben das dann erst ein paar Jahre später gemacht. Letztendlich ist das immer so ´ne Sache. Die einen mögen es nicht, die anderen finden es geil. Aber da wir ja praktisch mit „Thrash Metal 2.0“ angefangen haben, kannten viele neue Fans die alten Destruction gar nicht und haben erst mit „All Hell Breaks Loose“ und „The Antichrist“ angefangen, Thrash Metal zu hören. Wenn man mal zurück guckt, dann muss man ja auch mal bedenken, dass es 1999 um Thrash Metal nicht gut bestellt war. Damals haben Kreator „Endorama“ gemacht, haben Slayer „God Hates Us All“ gemacht. Exodus, Death Angel und Sacred Reich gab es nicht. Die waren alle weg vom Fenster. Es war keine glorreiche Zeit für Thrash, und es war ein gewisser Neustart für die Thrash Metal-Geschichte auch. Aber die jungen Fans und die neuen Fans fanden die neuen Scheiben auch geil, auch die „Thrash Anthems“. Aber natürlich gab es auch die alten Hasen, die Verteidiger des Metals, die sagen, man sollte keine alten Songs neu einspielen. Aber uns war ja egal, was die Leute sagen. Wir haben die Songs geschrieben, und wir haben die damals rumpliger eingespielt. Und es war uns eine große Freude, die Songs auch mal so einzuspielen, wie sie eigentlich hätten klingen sollen. Dennoch haben alle Songs noch den alten Achtziger-Charme. Es hängen natürlich auch viele Erinnerungen dran, aber für mich sind die neu eingespielten Versionen als Musiker deutlich wertvoller! Wir haben sie halt dann so eingespielt, wie sie hätten eingespielt werden sollen, wie wir es aber als Sechzehnjährige noch nicht konnten.       

destructionDaniel: Auf „Thrash Anthems“ waren viele Ex-Mitglieder von Destruction (Olli Kaiser, Harry Wilkens und André Grieder) dabei! Waren alle sofort einverstanden, mitzuwirken? Und waren von da an damit endlich alle alten Kriegsbeile wieder begraben?

Schmier: Ja klar! Die Frustration der Vergangenheit war ja ausgetragen. Wir hatten ja schon mit den Anderen darüber geredet. Ich hatte Olli damals gesagt, ´Ich würde das mit Destruction gerne machen, aber nicht mit euch. Ihr habt mich rausgeworfen.´ Mike und ich haben die Band gegründet, und so sieht´s aus! Olli hatte damals ein Musikstudium gemacht und hatte ganz andere Planungen. Er wollte ja auch gar keine Musik mehr machen. Also weiter Vollblutmusiker zu sein, das hatte keiner mehr auf dem Schirm.

Daniel: Wie war es eigentlich für Dich, „Cracked Brain“ einzusingen? War das ein komisches Gefühl?

Schmier: Es war easy und entspannt gemacht. Wie gesagt: Ich kenne die Songs ja von früher. Und wir haben ja auch nächstes Jahr 30 Jahre „Cracked Brain“. Und da werden wir auch einen Re-Release mache der besonderen Art, und zwar eine Doppel-Scheibe mit meinen Vocals auch zusätzlich. Danach haben auch viele Fans gefragt über die Jahre. Das machen wir auf jeden Fall zum 30-Jährigen. Und ich bin mal gespannt, wie das ankommt. Es erscheint auf jeden Fall auch so, wie es ursprünglich geplant war, mit meinen Vocals.

Daniel: Geil! Apropos Re-Release: Ihr habt kürzlich Euer legendäres Demo „Bestial Invasion Of Hell“ wiederveröffentlicht. Wie kam es dazu? Hatte das auch etwas mit dem Jubiläum zu tun?

Schmier: Das war hauptsächlich, weil immer noch das Bootleg-Problem da war. Es gab ja jede Menge Bootlegs davon. Wir wollten einfach den Bootlegs einen Riegel vorschieben und es offiziell rausbringen. Und das haben wir dann auch gemacht. Floga Records sind ja auch bekannt für solche kultigen Underground-Releases. Und die Rechte waren ja jetzt auch frei für die Scheibe. Die alten Scheiben sind auch auch nochmal bei High Roller Records rausgekommen seit zwei Jahren.

Daniel: Wieso hattet Ihr „Front Beast“ eigentlich nie noch einmal im Studio aufgenommen? Wart Ihr damals mit dem Track unzufrieden?

Schmier: Ja, der Song hat es irgendwie nie geschafft, weil der ja auch auf dem Demo schon voll verkackt ist. Wir haben den ja mittendrin abgebrochen und nie zu Ende gespielt. Der war eigentlich länger geplant. Und wir haben den im Studio schon verkackt und dann kürzer gespielt. Wir haben dann noch neue Songs geschrieben danach und fanden die alle besser und haben „Front Beast“ dann einfach aussortiert. Wir waren ja nochmal produktiver und haben viel neues Material geschrieben. Deswegen hat es „Front Beast“ auch nie geschafft auf die Scheibe. 

Daniel: Kennst Du eigentlich die Band Front Beast, die sich nach dem Demotrack benannt hat?

Schmier: Die Band Front Beast? Nee, die kenne ich nicht! Aus Amerika?

Daniel: Nein, eine deutsche Band.

Schmier: Nein, kenne ich nicht.

Daniel: Fühlst Du Dich als Musiker geehrt, wenn Du so etwas hörst? Dass sich eine Band nach einem Deiner Songs benannt hat?

Schmier: Na klar! Jeder weiß doch, warum die Band Desaster Desaster heißt, nämlich weil wir einen Song hatte, der „Total Desaster“ hieß. Das ist immer cool, wenn man sieht, dass Bands von Dir beeinflusst sind. Den Einfluss, den Jaguar oder Exciter auf Destruction hatten, oder andere Bands beeinflusst werden von Kreator oder Sodom. Das ist schon eine Ehre, zu sehen, wie man andere Bands beeinflusst hat, Musik zu machen oder produktiv zu sein. 

Daniel: Ihr habt jetzt wieder zwei Gitarristen! Damir Eskić kam 2019 in die Band. Ich kenne viele Leute, die sagen, dass Mike es voll drauf hat, Rhythmusgitarre und Leadgitarre gleichzeitig zu spielen. Live schien gar kein zweiter Gitarrist zu fehlen. Wieso habt Ihr dennoch plötzlich wieder auf einen zweiten Gitarristen mit an Bord zu nehmen? Und war Mike mit der Idee sofort einverstanden?

Schmier: Ja, weil wir einfach mit einer Gitarre beschränkt sind und zwanzig Jahre lang das gleiche gemacht haben. Wir mussten uns auf jeder Plate zurückhalten und nicht zu viele Gitarren aufnehmen, weil das dann live nicht umzusetzen war. Das beschränkt einen schon extrem im Songwriting. Und eine Gitarre bleibt eine Gitarre. Mit zwei Gitarren klingt das einfach geiler. Wir waren immer eine geile Live-Band, aber mi zwei Gitarren gestaltet sich das noch ganz anders. Mike war da auch für. Wir haben seit zehn Jahren schon darüber geredet. Wir haben 2011 Ol Drake von Evile ins Studio eingeladen nach Köln, und er hatte ein paar Soli gespielt auf der Platte. Aber er hatte damals schon erwähnt, dass er nicht bei Destruction einsteigen möchte. Wir waren damals noch nicht so weit, und Ole war schon mit Evile voll im Saft. Ol Drake hat auch immer mal wieder seinen Obolus beigesteuert Bei Destruction, hat dann aber irgendwann aufgehört, Musik zu machen. Deswegen ist Ol Drake damals eben nicht Destruction-Gitarrist geworden. Aber wir haben die Idee nie vergessen, einen zweiten Gitarristen zu holen. Wir haben dann weiter geguckt und uns immer wieder umgeschaut. Und Damir hatte ja schon vor zwei Jahren auf „Under Attack“ ein paar Soli eingespielt. Er war seitdem bei uns auf dem Schirm und ist auch ein guter Kumpel der Band. Jetzt war der Moment, wo wir sagten, ´Jetzt oder nie!´, und jetzt mit zwei Gitarren ist es echt supergeil; auch für mich als Bassist. Ich stehe jetzt etwas weniger im Fokus. Aber ich finde Thrash Metal mit zwei Gitarren obergeil! Das hätten wir vielleicht schon früher machen sollen vielleicht, aber Damir passt auch einfach gut rein. Die Stimmung ist toll. Darauf kommt es halt auch an!   

Daniel: Woher kennt Ihr Damir überhaupt? Er war ja schon Gastgitarrist auf Eurem letzten Album „Under Attack“.

Schmier: Er wohnt an der Schweizer Grenze, und wir haben uns dann kennengelernt, als ich Burning Witches produzierte. Damir ist ja der Mann von der Gitarristin von Burning Witches. Ich habe ja die Mädels im Studio produziert, und da war Damir halt auch immer dabei. Er hatte mit seiner Band auch mal im Vorprogramm von Destruction gespielt auf einer Tour. Damir ist auch ein wahnsinnig geiler Gitarrist! Und so kam dann der Kontakt zustande. Er ist einer der beeindruckendsten Gitarristen, die ich so kenne, und gehört auch zum Freundeskreis. Das ist immer eine gute Mischung, wenn man jemanden gut kennt und gut klarkommt. Und er hat auch eine gute Einstellung!  

Daniel: Kaum war zu lesen, dass Damir in der Band ist, war auch schon das neue Album draußen. Wie viel Einfluss hatte er überhaupt noch auf das Songwriting und die Aufnahmen? Oder war da alles schon im Kasten?

Schmier: Nein, den Fehler machen wir nicht nochmal, dass wir neue Leute die neuen Songs schreiben lassen! Wir wollten nicht die Fehler wiederholen, die wir damals schon gemacht haben! Wir haben die neuen Leute involviert; das ist alles. Randy Black hatte zum Beispiel auch ein paar coole Ideen, als wir die Songs geschrieben haben. Und Damir hatte auch gewisse Freiheiten. Aber die Songs selber haben Mike und ich geschrieben. Und die anderen haben dann dabei geholfen, die Songs zu finalisieren, sozusagen.

Daniel: Sodom haben jetzt seit knapp einem Jahr ebenfalls zwei Gitarristen, wenn auch zum ersten Mal. Hatten sie da einen Einfluss auf Euch?

Schmier: Nein, das kann man nicht vergleichen, glaube ich. Destruction gehen in eine andere musikalische Richtung. Egal ob Sodom, Kreator oder Destruction: Wir sind alle so erfolgreich geworden, weil wir immer genau das gemacht haben, was wir wollten. Wir haben uns nie gegenseitig etwas abgeguckt oder uns gegenseitig kopiert. Und das hat sich auch bis heute nicht geändert. Ich glaube nicht, dass Sodom heute ähnlich wie Destruction klingt, oder dass Destruction wie Sodom klingt. Das hat damit nichts zu tun! Dass Sodom das jetzt eine zweite Gitarre haben, hat viele überrascht, denn das ist bei ihnen das erste Mal. Sie haben da eine ganz andere Vergangenheit. Destruction hatten ja schon diverse Sachen mit zwei Gitarren gemacht. Deswegen hatten wir auch immer einen anderen Sound.  

Daniel: Hast Du Dir Sodom mal mit zwei Gitarristen angesehen?

Schmier: Ja natürlich, klar! Klingt wieder schön rumplig wie früher; ja Sodom halt! Das ist ja komplett andere Musik als die, die wir mit Destruction machen. Destruction sind viel punkiger. Das kann man schlecht vergleichen. Aber trotzdem ist Sodom eine geile Band, und ich denke, Tom hat sich da Leute geholt, die gut passen. Da gibt es auch andere Geschichten. Da möchte ich nicht drüber urteilen.

destructionDaniel: Damir kommt aus der Schweiz, Euer Schlagzeuger Randy Black, der erst seit 2018 dabei ist, und den ich von Annihilator und Primal Fear her kenne, kommt aus Kanada. Wie probt Ihr denn? Probt Ihr überhaupt? Oder schickt Ihr Euch nur Dateien über das Internet hin und her? Wie seid Ihr da organisiert?

Schmier: Wir wohnen ja praktisch auch in der Schweiz. Ich wohne an der Schweizer Grenze. Das ist von mir aus hier eine halbe Stunde. Und Randy Black wohnt schon seit zwölf Jahren in Berlin, seit er damals bei Primal Fear eingestiegen war. Und Berlin ist von hier so fünfundvierzig Minuten bis eine Stunde knapp mit dem Flieger. Heute haben wir kein Problem mehr zu connecten und zu proben. Also, wir proben jetzt, mit dem neuen Line-Up, so viel wie zuletzt bei der Reunion. Und jetzt, wo Damir in der Gegend wohnt, können wir wieder viel öfter proben. Ich probe eigentlich gerne, aber wir haben jetzt das Luxusproblem, dass wir Songs haben, die geil sind und alte Songs, die wir wieder spielen können, weil wir wieder zwei Gitarren haben. Wir haben viele Songs für die Setlist, die wir gerade ausprobieren im Proberaum. Und das macht auch Spaß!   

Daniel: Standen Harry Wilkens und Olli Kaiser eigentlich nach der Zusammenarbeit auf „Thrash Anthems“ auch zur Diskussion für das neue Line-Up, bevor Ihr Euch für Damir und Randy entschieden hattet? Oder haben sich die beiden komplett aus dem Profigeschäft zurückgezogen?

Schmier: Nein, die haben mit Musik nicht mehr viel zu tun. Olli spielt Jazz an einer Musikschule und macht ein Beatles Musical, und Harry ist auch kein Profimusiker mehr. Das stand auch nie zur Debatte und hätte auch nicht funktioniert. Viele haben mich  gefragt, ´Was ist mit Harry?´ und so. Das hat jetzt auch nichts mit Harry zu tun! Aber wir sind Profis, die noch etwas machen wollen. Harry hat eine Hobby-Band und macht auch noch ein bisschen Musik, aber Bock hat er nicht. Und deswegen war das auch nie im Gespräch.

Daniel: Lass uns mal ein bisschen über Euer neues Album „Born To Perish“ sprechen! Ihr klingt angepisster denn je! Funktionieren Destruction am besten, wenn Ihr richtig Wut im Bauch habt?

Schmier: Natürlich! Wenn wir das nicht mehr haben, dann haben wir auch keine Energie mehr, weiter zu machen. Ich denke, Destruction wird immer eine Band sein, die nach vorne gehen muss, und das werden wir auch nie verlieren. Und am besten sind wir auch, wenn wir hart, schnell und brutal sind!

Daniel: „Butchered For Life“ erinnert mich etwas an „Reject Emotions“. War das ein zufälliger oder beabsichtigter Tribut an alte Zeiten?

Schmier: Nee, das ist Absicht! Mit zwei Gitarren war das wieder ein Neuanfang. „Rject Emotions“ war ein Neuanfang damals, und als wir die neue Scheibe geschrieben haben mit einem zweiten Gitarristen, können wir auch wieder einen Song schreiben wie „Reject Emotions“ damals. Es kamen auch viele Fans auf uns zu und sagten, ´Macht doch mal wieder einen Song wie „Reject Emotions!“´. Das stand als Trio nie zur Debatte, weil wir das nicht umsetzen konnten. Und mit zwei Gitarren sprach auch nichts mehr dagegen. Und unsere Kumpels, die danach gefragt hatten, die haben sich auch gefreut. Es hat auch Spaß gemacht, mal wieder etwas Anderes zu schreiben! Es ist auf dem Album etwas kontrovers, verglichen mit dem anderen Material, aber wir haben eine Umfrage gemacht in den sozialen Medien, welcher ihr Lieblingssong auf der Scheibe ist, und „Butchered For Life“ war auf Platz 3, also… Der Song kommt tierisch gut an.  

Daniel: Auf dem neuen Album ist auch ein cooler Coversong enthalten: „Hellbound“ von Tygers Of Pan Tang. Auf der Japan-Version gibt es dagegen „Fire Down Under“ von Riot. Musikalisch will das ja eigentlich nicht so richtig zu Destruction passen; Motörhead oder The Exploited in der Vergangenheit dagegen schon.

Schmier: Warum? Weil Tygers Of Pan Tang nicht wie Motörhead klingen oder was? Wir covern ja nur, was wir auch gut finden und was uns beeinflusst hat. Tygers Of Pan Tang waren ja auch eine ganz wichtige Band, wo wir uns aber vor zehn-fünfzehn Jahren noch nicht ran getraut hätten. Aber sind wir aber soweit, dass wir sagen, wir covern auch so etwas. Man kann bei Coversongs eigentlich immer nur verlieren. Deswegen suchen wir uns immer Coversongs aus, die wir gut finden und die uns was bedeuten. Es geht ja nicht darum, den Song 1:1 zu covern, sondern eine Destruction-Version daraus zu machen. Da haben wir jetzt auch die Erfahrung und das Selbstvertrauen, um so etwas zu machen; auch einen Songs wie von Riot, also auch die melodischeren Songs der Achtziger.   

Daniel: Euer neues Album gibt es neben der herkömmlichen CD und auf Vinyl auch als kultige Tape-Version! Finde ich total geil! Wie wichtig ist es Dir als alt eingesessener Musiker der Szene, dass Eure Tonträger auch heute noch in den alten, kultigen Formaten veröffentlicht werden?

Schmier: Ja, da wir dieses Mal die Möglichkeit hatten, ein Tape zu machen – manche waren von der Idee nicht so begeistert. Aber wir haben noch sehr viele Anhänger, die mit Tapes aufgewachsen sind und dieses Format verehren. Es gibt auch gerade so ein kleines Revival weltweit davon. Und deswegen wollten wir das unbedingt machen. Ich finde, das ist eine tolle Sache; gerade jetzt, wo alles eh auf Streaming umschwenkt. CDs sind ja auch weniger und unwichtiger geworden. Schön, dass es das noch gibt! Auch es gibt auch immer noch tausende Fans, die noch Vinyl kaufen. Und das ist doch schön!

Daniel: Und was denkst Du im Gegenzug über so neumodische Formate wie MP3 oder Streaming? Kannst Du damit auch etwas anfangen? Oder dienen sie eher als bequemes Mittel zum Zweck?

Schmier: Na ja, Streaming ist die Zukunft und wird die anderen Formate einholen. Früher oder später wird das alles aussterben, was wir als alte Formate kennen. Die CD wird dann wohl nur noch hergestellt als Liebhaber-Objekt. Der Markt ist darauf angesprungen. Ich selber kaufe noch CDs. Ich habe aber auch einen Apple-Account, damit ich im Auto Musik hören kann oder mir keine Platten anhören kann. Aber ich sage - als Musiker – hat Streaming Vor- und Nachteile. Der Vorteil ist ganz klar, dass wenn die Platte rauskommt, jeder Fan die sofort hat. Da kann jeder Fan aus Indonesien, aus Bolivien, Japan und Deutschland die Platte sofort kaufen. Und früher war das so, wenn die Platte rauskam, dann gab es in einigen Ländern, wie in Polen oder in Südost-Asien, die CD nicht, und man wusste nicht, wo man die kaufen kann. So hatten wir dieses Mal – und das war geil – eine riesige Resonanz aus allen möglichen Ländern, als die Platte rauskam, und alle haben positiv auf die Platte reagiert. Und die ganzen illegalen Torrent-Seiten sind alle auch am Aussterben, weil Streaming halt auch günstig ist. Das Problem dabei als Musiker ist jedoch, das Streaming einfach zu günstig ist. Denn als Musiker verdienst Du damit fast gar nichts. Aber wir haben damit alle Fans erreicht. Wir haben es als Band akzeptiert. Das ist nichts Schlimmes. Wie gesagt: Im Auto nutze ich das auch. Das ist schon okay. Wenn Streaming ein bisschen gerechter abgerechnet werden würde, dann hätte man da auch als Musiker etwas von. Das ist natürlich unterm Strich sehr wenig, was man da bekommt.

Daniel: Die Vinylversion gibt es in mehreren Farben. Hattet Ihr überhaupt selbst Einfluss auf die Farbauswahl?

Schmier: Nee, das macht das Label. Die schlagen das halt vor. Splatter und die normale schwarze finde ich gut. Ich finde das okay, was das Label anbietet, und das ist ja auch das, was die Fans auch wollen. Ich finde das voll in Ordnung.

Daniel: Was hältst Du davon, wenn es Vinyl in mehreren Farben gibt und der geneigte Fan die Qual der Wahl hat? Einerseits wollen Bands und Labels zwar nicht, dass man sich alles runterlädt, auf der anderen Seite ist der potenzielle Käufer aber auch hoffnungslos mit dem Angebot überfordert, oder? Zumal alle seit dem Euro weniger Geld haben und Konzerte und Merch ja auch immer teurer wird… Wie stehst Du zu dieser Art Verkaufsstrategie?

Schmier: Du musst ja nicht alles kaufen. Ich sehe das bei Burning Witches, die ich auch manage, die haben ja auch Vinyl gemacht. Und als die schwarze LP weg war, haben sie dann mit farbigem Vinyl angefangen. Die Band wurde angeschrieben und sie wurden gefragt, ob sie nicht noch eine andere Farbe machen könnten. Es gibt halt auch Fans, die das haben wollen. Wenn es eine LP in drei Farben gibt, dann muss man ja nicht alle drei kaufen. Es ist doch toll, dass es eine Auswahl gibt! Aber ich sehe auch, dass die Fans eine Auswahl und verschiedene Farben haben wollen. Aber man zwingt ja niemanden, alles zu kaufen. Das ist ja Quatsch! Man sollte da nicht von Ausverkauf sprechen, denke ich.

Daniel: Euer Album ist überraschenderweise in einigen Ländern in die Charts eingestiegen! Kann eine Band wie Destruction heutzutage von ihrer Musik leben? Oder habt Ihr auch noch „normale“ Jobs? Ich weiß, dass Du zumindest mal Besitzer einer Pizzeria warst… Gibt es die eigentlich noch?

Schmier: Nee, wir sind schon Profis. Ich hatte eine Pizzeria von 1996 bis 2004. Aber die gibt es schon seit fünfzehn Jahren nicht mehr.

Daniel: Blicken wir mal in die nahe Zukunft! Eine Tour mit Overkill und Flotsam And Jetsam steht an. Was für ein Killer-Package! 2011 wart Ihr ja schon mal mit Overkill unterwegs. Damals habe ich Euch in Köln gesehen. Seid Ihr eigentlich auch schon in den Achtzigern mal gemeinsam auf Tour gewesen?

Schmier: Ja, wir haben mit Overkill in den Achtzigern in den USA ein paarmal gespielt. Und 2011 hatten die uns wieder eingeladen. Da war alles ausverkauft. Jetzt gibt es einen Nachschlag. Jetzt kommen noch ein paar Länder hinzu, in denen wir damals nicht gespielt hatten, also Frankreich, Spanien und Portugal, und noch ein paar weitere Shows in Deutschland, Belgien usw. Und unsere Headliner-Tour kommt dann Anfang nächsten Jahres.

destructionDaniel: Was kommt sonst noch in der Zukunft auf uns zu?

Schmier: Na ja, wir wollen immer noch diese „The Teutonic 4“-Shows spielen, aber das ist nicht unsere Entscheidung. Da muss der Mille entscheiden, wann das passieren soll. Schauen wir mal! Destruction, Tankard und Sodom sind bereit dazu, aber letztendlich muss das Mille entscheiden.

Daniel: Okay, Schmier! Dann wären wir durch! Dann gebührt Dir noch das Schlusswort!

Schmier: Ja; ich bedanke mich für fünfunddreißig Jahre Musikkarriere! Wir sind immer noch da, weil die Musik geil ist, und nicht, um Erfolg zu haben. Schön, dass die Fans noch da sind nach all den Ups and Downs. Es ist toll, immer noch ein Teil der Szene zu sein. Die Fans haben die neue Scheibe und das neue Line-Up auch sehr gut aufgenommen! Das ist eine große Freude in der heutigen, schnelllebigen Zeit!

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Autor: Daniel Müller