KIRLIAN CAMERA, LA SCALTRA

Oberhausen, Kulttempel, 29.12.2019

Kirlian Camera live2019 1In nur knapp einer Stunde bis nach Oberhausen zu fahren, ist heutzutage echte Glücksache. Da merkt man gleich, es ist zwischen den Feiertagen und die meisten liegen nach der Völlerei von Weihnachten noch mit voller Plauze auf der Couch. So dachte ich eben noch und war mir sicher, dass die Location bestimmt höchsten halb voll werden wird. Aber weit gefehlt, der Parkplatz ist schon dicht und große Teile der Gestalten aus der schwarzen Szene tummeln sich im gegenüberliegenden Gourmet Tempel mit dem goldenen „M“ Und auch innerhalb des lauschigen Veranstaltungsortes Kulttempel füllt es sich rascher als erwartet. Nun denn, dann warten wir mal ab, was da heute noch so auf uns zukommt. Ich muss dazu sagen, dass mir beide Bands bislang nicht bekannt sind. Dafür einige der Fotografen im Saal, die missmutig registrieren, dass es keinen Foto Pit gibt. Bei fast ausverkauftem Haus ist das natürlich nicht gerade arbeitserleichternd. Sei es drum, also erst einmal eine leckere Gerstenkaltschale genießen, bevor man nachher nicht mehr zur Theke kommt.

 

La Scaltra live2019Mit etwas Verzögerung starten nun La Scaltra den Abend. Die Truppe aus Essen gründete sich im Jahr 2015 und spielt nach eigenem Bekunden „Gloomy Witch Wave Rock“. Die drei Damen Aeleth Kaven am Gesang, Dae Widow am Synthesizer und Gesang, Saeda Moreau am Bass sowie der Quotenmann Jay Sharpe an der Gitarre, zelebrieren dann auch tieftraurige Lieder. Kleine Geschichten von Liebe und anderen Unzulänglichkeiten des Lebens, die die Seele berühren sollen. Nun bin ich dieser Musikrichtung nicht so wirklich zugetan, vor allem fehlt mir schon mal definitiv ein Schlagzeug. Aber gut, ich bin offen für alles und höre gespannt zu, was die Ladies da in fahler Beleuchtung und mit viel Nebel präsentieren. Ganz nett, aber ansonsten nicht wirklich die Art Songs, die ich gerne öfter hören würde. Das Publikum ist aber scheinbar recht angetan und bewegt sich im Rhythmus der langsam wiegenden Stücke mit. Für meinen persönlichen Geschmack fehlt da einfach ein wenig Power und Nachdruck. So brennt sich keine der Melodien richtig ein und es bleibt nichts in meinem Gedächtnis hängen.

Setlist: Intro/The Spell, Church Of B:, Holidays, The Sentinels Lost, Good Finner, Chained Hysteria, Toxicated, Nightmares

 

Kirlian Camera live2019 2Nun folgt eine ewig lange Pause, deren Grund sich mir erst nicht erschließt. Es ist schließlich so gut wie nichts umzubauen oder einzustellen. Der Soundcheck wurde bereits vor dem Einlass gemacht und es ist auch kein Schlagzeug aufzubauen. Es passiert aber auch sonst nichts auf der Bühne, keine Information oder gar ein nettes, kleines Pausenprogram zur Überbrückung. Die Stimmung ist bereits bedrohlich nahe daran zu kippen, als dann endlich nach weit mehr als einer Stunde Wartezeit der heutige Headliner Kirlian Camera die Bühne betritt. Zuerst verbergen sich die einzelnen Musiker noch unter Sturmhauben, sozusagen das Markenzeichen dieser Kapelle aus Italien. Zum festen Kern gehören Angelo Bergamini am Gesang und den Keyboards, Elena Alice Fossi am Gesang sowie Falk Pitschk an Keyboard und Drumpad. Die Basserin für die anstehenden Live-Shows, kennt der aufmerksame Konzertgänger schon von Death Metal Legende Abbath oder der Formation Triumph Of Death mit Tom G.Warrior (ex Hellhammer). Kirlian Camera live2019Dazu spielt noch der Gitarrist Alessandro Algol Comerio, der normalerweise den Tieftöner bei der italienischen Death Metal Truppe Forgotten Tomb bedient. Aber hier zündet direkt der Funke, auch wenn ich immer noch das Schlagzeug vermisse. Die Stimme von Elena Fossi ist eingängig und die langsamen aber sehr melodischen Arrangements wissen mich zu fesseln. Dazu gibt es eine große Leinwand im Hintergrund und sogar  hervorragende Beleuchtung. Nach dem Dunkelkammerauftritt der Supportband hatte ich schon befürchtet, dass sich die Szenerie wiederholt. Aber ganz im Gegenteil, jetzt stimmt es mit dem Licht. Allein der Keyboarder steht etwas im Abseits aber man kann nicht alles haben. Herrlich auch die Mimik von Basserin Mia W. Wallace, irgendwo zwischen total angepisst bis supercool und böse. Dazwischen sieht man sie aber immer wieder verschmitzt lächeln, sobald sie den Kopf in Richtung Backdrop dreht. Auf mein lauthals gebrülltes „Abbath“ reagierte sie mit einem fetten Grinsen und einer kleinen angedeuteten Basseinlage ihres Death Metal Stils. Die Band versteht es jedenfalls das Publikum für sich zu gewinnen und man merkt auch, dass ein Großteil der Zuschauer durchaus textsicher ist. Kirlian Camera live2019 4Immer wieder spielen sie auch sehr experimentelle Stücke aus dem großen Repertoire, teils mit Soundcollagen und fast schon in die Richtung Ambient-Musik gehend. Es ist wirklich ein Genuss, diese Lieder irgendwo in der Stilrichtung zwischen Depeche Mode, The Cure und Nick Cave zu spüren. Wobei Front Lady Elena Fossi zusätzlich immer wieder die Nähe zum Publikum sucht und in vorderster Front auf dem Bühnenrand agiert. So gar nicht zu dem eher zurückhaltenden und leicht melancholischen Gesamtsound passend, sprüht sie förmlich vor Energie. Dazwischen bearbeitet sie noch das Theremin. Ihr wisst schon, diese Holzkiste mit Metallstange. Übrigens das einzige Instrument, das berührungslos gespielt wird! Eine kurze Beschreibung für die Nerds unter euch; Beim Theremin beeinflusst die elektrische Kapazität des menschlichen Körpers ein elektrisches Feld. Dabei steuert die Position der Hände gegenüber zwei Elektroden die Stärke der Veränderung. Die sich ändernde Schwingung des Feldes wird verstärkt und als Ton über einen Lautsprecher ausgegeben. Erfunden wurde das Teil bereits 1920, ist aber erst in den letzten Jahren etwas populärer geworden. Die Zuschauer sind jedenfalls begeistert und feiern jedes Lied ab. Nach einer schon ausdauernden Show wird dann auch lautstark eine Zugabe gefordert, die die Band mit insgesamt dreimaligem Zurückkommen honoriert! Kirlian Camera live2019 5Die erste Zugabe huldigt mit „Comfortably Numb“ natürlich dem Original von Pink Floyd, aber auch der Megahit „Eclipse“ darf keinesfalls fehlen. So gibt es mindestens zwei satte Stunden absoluter Vollbedienung und die Truppe hat es souverän geschafft den Unmut des Publikums über die Verzögerung vom Anfang Vergangenheit werden zu lassen. Aus Insiderkreisen erfahre ich, das es wohl ein gesundheitliches Problem gegeben hatte. Wie uns schon Udo Lindenberg vor vielen Jahrzenten musikalisch dargelegt hat; „Der Banddoktor sagt, das ist ja 'n Marathonlauf, und er macht seinen Koffer auf, und er gibt uns die Sachen, die uns kräftig machen. Denn unsere Show will jeder sehn und deshalb muss sie weitergehen“ Als allerletzte Zugabe dann noch „Sky Collapse“ mal komplett in Italienisch gesungen. Ein schöner Abend auf alle Fälle, gekrönt durch die Anwesenheit der Musiker am Merchandise Stand kurz nach der Show. Absolut redselig, gut gelaunt und mega sympathisch. Gerne wieder!

Setlist: Intro/Holograms, Heiliger Regen, Kryostar, No more lies (Plastic Autumn Cover), K-Pax, V2K, 1982, Crystal Pill, Hellfire, The Desert Inside, Too Many Friends (Placebo cover), Nightglory, Heldenplatz, Sky Collapse, Comfortably Numb (Pink Floyd cover), Erinnerung, Eclipse (Vintage Mix), Sky Collapse



Autor: Pistol Schmidt - Pics: Pistol Schmidt