WACKEN – DAS PERFEKTE PARALLEL-UNIVERSUM - von Dr. Lydia Polwin-Plass und Dr. Michael Gläser


Label:HIRNKOST KG
Jahr:2022
Running Time:450 Seiten
Kategorie: Neuerscheinung
 

Zu obigem Titel kommt noch eine zweite Überschrift hinzu und zwar: Was die Gesellschaft von den Metalheads lernen kann und das ist das große Thema im Buch von den beiden promovierten Autoren Dr. Lydia Polwin–Plass und Dr. Michael Gläser. Aber bevor wir dazu kommen was ich von dem Buch halte, erst mal etwas zum Inhalt. Was hier tatsächlich an Recherchearbeit hineingeflossen ist, beeindruckt mich als Schreiberling, der gerne recherchiert, aber mit seiner Arbeit oftmals nicht zufrieden ist, ungemein. Was für eine Ansammlung von gut aufbereiteten Fakten und gut-zu-wissen Inhalten „Wacken – Das perfekte Parallel-Universum“ den neugierigen Lesern hier bietet ist schlicht phänomenal. Auch war selbst mir als gestandenem zweiundvierzig Lenzen ollem Metalhead nicht klar wie unfassbar viel es über das Dorf Wacken, die Gründer Thomas Jensen und Holger Hübner sowie die ganzen Einzelteile, Engagements und die Marke Wacken an sich, zu wissen gibt.

Entstanden ist die Idee dazu 1989 bei ein paar kühlen Blonden in einer Gaststätte und im Laufe der Jahre ist das Wacken Open Air zu dem beliebtesten, berühmtesten und, zumindest in Teilen, wichtigsten Metal Festivals des Planeten geworden. Für viele ist das Wacken eine Art semi-religiöse Erfahrung, sozusagen das Mekka des Heavy Metal. Ich selbst war nur 2001 einmal da, Wacken ist ja auch vor allem eine Geldsache und oft war Pleite quasi mein zweiter Vorname (aber das nur am Rande). So sehr ich den Metal liebe und verstehe, was die Autoren und die Interviewpartner hier versuchen rüber zu bringen, so muss ich doch auch die eine oder andere Sache kritisieren, wogegen ich hier auch Dinge positiv hervorheben werde. Die Leidenschaft, mit der der Metal und die Szene gelobt und hervorgehoben werden, sowohl von Musiker als auch Mitwirkenden wie Sanitätern, Polizisten, Dorfbewohnern und anderen. Ich bin auch nur ein Mensch und empfinde die Szene als eine Art Erweiterung meiner Selbst, wenn jemand also positiv über die Szene redet fühlt sich das nett an.

Was mich allerdings etwas nervt, ist die Blauäugigkeit und der triefende Kitsch, der hier eimerweise fließt. Wir nennen uns nicht „Homo Metallicus", egal wie oft die Autoren diesen Käse auch als vermeintlichen Spitznamen für Metalheads nutzen. Auch ist nicht alles Gold, was glänzt. Es kann natürlich sein, dass es in Wacken anders läuft, aber das wir alle Freunde sind, die sich bloß noch nicht kennengelernt haben, ist Blödsinn. Denn auch auf dem „Holy Ground“ gibt es unfreundliche Menschen und nein, die Geduld der Metaller ist angesichts von Schlafentzug, Kirmes Metallern und Festival Touristen auch nicht unendlich, wie das Buch hier gern suggeriert. Metal Fans sind hilfsbereit, das ist definitiv so. Wer fällt, wird aufgehoben, Streitigkeiten werden in der Regel geschlichtet und dann gibt es Bier. Ich weiß natürlich, dass es sich besser verkauft, wenn man das Negative außen vor lässt, besonders da Wacken Fans ja durchaus etwas fanatisch sein können.

Wenn eine Narrative die Wahrheit teils umschifft, empfinde ich das als unangenehm, fast wie einen Stein im Schuh oder eine Wimper im Auge und deshalb habe ich auch länger als sonst benötigt, um dieses Buch zu lesen und darüber zu schreiben. Ich will hier die Leistung der Autoren in keinster Weise kleinreden oder schmälern, aber die rosarote Brille, die brauche ich tatsächlich nicht, denn auch wenn der Metal die schönste Form des Eskapismus ist, so ist er auch rau, dreckig und laut. Als Schlusspunkt: Was die Gesellschaft tatsächlich von den Metalheads lernen kann ist die Toleranz (gar so viel wie hier im Buch behauptet gibt es in der Szene aber dann doch nicht) und die Hilfsbereitschaft, das Engagement im sozialen Bereich und die Leidenschaft für die Musik.

 

ISBN 978-3-949452-72-7

 

Note: Keine Wertung
Autor: Dennis Eikenkötter


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