Heute bekomme ich endlich eine Band live zu sehen, die ich seit dreißig Jahren verehre, aber bis heute noch nie im Konzert erleben durfte. Eigentlich war die Show für das gegenüberliegende E-Werk angekündigt, aber wie so oft, ist man wegen hoher Ticket Nachfrage auf das Palladium ausgewichen. Schade, ich bevorzuge das E-Werk, weil der Sound dort deutlich besser ist und die Sicht auf die Bühne ebenfalls. Aber es ist wie es ist. Langsam füllt sich die Halle, denn wie üblich bei dieser Band, sind fast alle Shows der Tour ausverkauft!
Dann geht es auch exakt nach Zeitplan los mit der Supportband So Good aus London in Großbritannien. Die scheinbar aus dem Nichts erschienene Kapelle spielt einen Mix aus Drill, Hip-Hop und Punk Pop. Dazu vermischen sich in den Texten auch ernste Themen wie Politik und Gender mit Humor. Und trotz des auffallenden Kleidungsstils mit Kniestrümpfen und Baskenmütze, findet man kaum etwas an Informationen über diese Truppe im Internet. Das Energielevel ist hoch, wenn auch die Performance teilweise, wie bei Baby Metal abgekupfert wirkt, mit den maskierten Jungs an Schlagzeug und Gitarre. Dazu drei über die Bühne hüpfenden Mädels. Da mir bis auf die beiden Titel „If I Had A“ und „I Rewrote The F**cking Bible“, die anderen Lieder leider unbekannt sind, kann ich nicht mit einer Setlist aufwarten. Passend zum Hauptprogramm haut man noch Parolen gegen Faschismus raus, was selbstredend bombig beim Publikum ankommt. Auch die Feststellung der Sängerin, daß „People in Cologne have big dicks“ und die eine oder andere provokative Textpassage über „Vaginas“ ist darauf ausgelegt, sich die Sympathie zu erkaufen. Nicht schlecht im Ganzen, aber eben auch nicht weltbewegend, ist die Show nach einer knappen halben Stunde durch.
Nun wird die Bühne für Skunk Anansie angerichtet, die Schlag Neun Uhr dann auch erscheinen und mit frenetischem Jubel empfangen werden. Die Bühne ist mit schwarzen übergroßen Dornen dekoriert, ebenso die gesamte Rückwand. Skin, Ace, Cass und Mark legen auch direkt los, mit einem Song des im Mai erscheinenden neuen Albums „The Painful Truth“. Es bedarf keinerlei Anstrengung das Publikum auf die Seite der Band zu ziehen, die Menge ist mit vollem Einsatz dabei. Skin zeigt heute einen minimalen Haarwuchs im Gegensatz zum sonst meist kahlrasierten Schädel. Und obschon die Temperatur in der Halle zügig ansteigt, behält sie während der kompletten Show ihre Bomberjacke an. Dabei ist Bewegung angesagt, sie flitzt über die Bühne sucht den Kontakt zu ihren Mitmusikern und interagiert mit den Zuschauern. Zwischendurch wirbelt sie den Mikrofonständer durch die Luft wie einen Jonglierstab. Diese Formation gehört definitiv auf die Bühne, um die schiere Energie der Songs zu entfesseln. Sind die Studioaufnahmen schon recht ordentlich, werden sie live eine ganze Ecke kraftvoller dargeboten. Überhaupt ist die Setliste sehr abwechslungsreich und beinhaltet natürlich etliche Klassiker der bisherigen Alben, als auch drei Stücke von der kommenden Platte. Sängerin Skin ist in ihrem Element und ich habe das Gefühl, das mit jeder Nummer ihr Adrenalinspiegel ansteigt.Untermalt wird die Show von einer genialen Lichtinstallation, die aus der Bühnen Rückwand rausballert. Diese besteht auch aus eben diesen riesigen schwarzen Dornen oder Pylonen als Dekorationselementen. Ein Gesamtpaket das pure Energie freisetzt. Das hat schon was. Natürlich spricht Skin auch über die Dinge, die sie bewegen, wie Rassismus, Benachteiligung von andersdenkenden oder sexuell flexibel orientierten Menschen.
Damit rennt sie natürlich besonders in Köln offene Türen ein, aber da Skunk Anansie schon immer politische und gesellschaftlich kritische Texte verfaßt haben, gehört es einfach dazu. Dann kündigt sie nach gut siebzig Minuten den letzten Song an. Wer jetzt meint, es gäbe nur noch ein Stück zum Ausklang, der liegt ordentlich daneben. Der Zugaben Teil geht noch einmal eine knappe halbe Stunde, also insgesamt fast zwei Stunden Spielzeit. Als krönenden Abschluß gibt es eine Akustikversion von „You'll Follow Me Down“. Witzig auch die Bandvorstellung, während Skin die einzelnen Musiker und sich selbst vorstellt, spielen die Jungs Led Zeppelins „Whole Lotta Love“ dazu. Einziger Wermutstropfen des Abends war der Sound in der Halle, für meinen Geschmack waren die Instrumente im Vergleich zum Gesang einfach zu laut abgemischt. Ansonsten aber eine absolut gelungene Show!
Setlist: My Greatest Moment, This Means War, Charlie Big Potato, Because Of You, An Artist Is An Artist, I Believed In You, Love Someone Else, God Loves Only You, Secretly, Weak, I Can Dream, Twisted (Everyday Hurts), My Ugly Boy, Animal, Yes It's Fucking Political, The Skank Heads (Get Off Me), Tear The Place Up, Hedonism (Just Because You Feel Good), Cheers, Little Baby Swastikkka, You'll Follow Me Down