ABANDONED - Aus tiefster Liebe und voller Inbrunst


Das scheint alles noch gar nicht so lange her zu sein, doch es sind gut zehn Jahre. Damals kloppten die Thrasher aus Hessen alles platt, dann diese lange Releasepause. Daher ist es doch absolut geil, jetzt wieder ein kleines Werk von ihnen in den Händen halten zu können. "Still Misanthrope" ist eine EP mit sechs Tracks, um welche wir großzügig herum unsere Fragen dem Fronter Kalli entgegenwarfen.

logoJoxe: Moin Kalli. Seit ihr damals „Thrash You“ rausgetan habt, standet ihr für zehn Jahre weniger auf dem Abandoned-Gaspedal. Beschreib doch mal, was ihr in der Zeit alles getrieben habt.

Kalli: Moin Joxe, es ist wirklich viel passiert in den letzten zehn Jahren. Zuerst hatten sich Konny (Drummer, Anm. d. Verf.) 2007 und Holg (Gitarre, Anm. d. Verf.) 2008 aufgrund familiärer und beruflicher Gründe aus dem Staub gemacht, was der Beginn von einigen Besetzungswechseln war. Gegen 2009 war dann irgendwie die Luft raus und Abandoned lag auf Eis, zeitgleich ging auch unser Label Dockyard1 pleite, so dass hier auch große Enttäuschung herrschte. Ich habe dann auch erst mal meine wundervolle Frau geheiratet, bin zweimal Papa geworden, war mit Savage Grace auf Europatour, war mit Roxxcalibur im Studio und auf zahlreichen Bühnen unterwegs, spielte mit Holg für einen Gig beim Keep It True bei Griffin und so weiter und so fort, bevor unser alter Basser Günt auf mich zukam, um Abandoned zu reaktivieren. Gesagt, getan. Mit unserem letzten Drummer Jan (ex-Couragous) und einem neuen Gitarristen (Mr. T.) ging es aber nur ca. ein halbes Jahr gut, dann trennten sich unsere Wege endgültig. Dummerweise hatten wir noch einen Gig an der Backe, den ich ungern absagen wollte. Und so fragte ich Holg, der ja mittlerweile auch mit mir bei Roxxcalibur zockte, ob er Bock hätte, nochmal für einen Gig die Bühne zu entern. Natürlich fehlte noch ein Drummer, weshalb wir unseren Ur-Schlagzeuger Konny gezwungen haben, mitzumachen (ich verrate aber keine Details…). Und zu guter Letzt erklärte sich Mr. T. bereit, den Bass zu bedienen, so dass wir diesen einen Gig spielen konnten. Blöderweise hat sich das alles so gut angefühlt, dass wir danach sofort beschlossen haben, weiter zu machen. Konny müssen wir zwar immer noch zwingen, aber alle anderen haben Spaß bei der Sache, haha.

Joxe: Wer von euch hat denn grad die meisten Bands und Projekte laufen, hast du da noch einen Überblick?

Kalli: Keine Ahnung, mal überlegen: Konrad zockt noch bei 47 Million Dollars, einer Hardcoreband hier aus Darmstadt und bei den Johnz, einer Rockabilly-Kapelle. Holg und ich bilden bei Roxxcalibur die Gitarrenfront, aber die Band liegt derzeit auf Eis. Dann habe ich noch die Masters Of Disguise am Laufen, quasi mein Savage Grace-Nachfolge-Speed-Metal-Kommando. Mr. T. hatte die ganze Zeit noch Paniczone sowie Cyborg am Start, aber beide Bands sind mittlerweile wohl Geschichte. Also alles in Allem doch recht überschaubar…

Joxe: Hatte das einen besonderen Grund, jetzt mit Abandoned wieder Druck zu machen, oder ergab sich das gerade durch einen lockereren Zeitplan?

Kalli: Naja, einen lockeren Zeitplan gibt es eigentlich nicht, es gibt immer was zu tun. Die Produktion der Abandoned-EP stand auch immer hinter allen anderen Aktivitäten an, da ja niemand wirklich auf neues Material von uns gewartet hat. Aber wir stehen jetzt schon wieder einige Jahre zusammen im Proberaum. Außerdem haben Holg und ich durch die Einmottung von Roxxcalibur wieder etwas mehr Energie für Abandoned über, das mussten wir jetzt nutzen!

Joxe: Inzwischen seid ihr wieder zu 75% im Original Line-up. Einer fehlt noch … A-Band-One-D und auch ohne G?

Kalli: Wie schon geschildert, haben sich unsere Wege damals getrennt. Es hat einfach nicht mehr gepasst, auch wenn wir vorher jahrelang die dicksten Kumpels waren. Es gibt kein böses Blut oder Ähnliches, es war einfach vorbei. Aber so ist das halt im Leben.

Joxe: Die neue EP „Still Misanthrope“ habt ihr gerade selbst in Eigenregie veröffentlicht. Wurde das Songwriting aufgeteilt, oder kamen die neuen Songs von allein?

Kalli: Alle „neuen“ Songs auf „Still Misanthrope“ sind immerhin auch schon ca. acht bis neun Jahre alt. Bei Holg und bei mir hatten sich in den letzten zehn Jahren einige Songs gestapelt, die wir jetzt einfach mal verwursten mussten. Wir hatten irgendwann mal den Fundus gesichtet und dann wurden je zwei Songs ausgewählt. Die mussten jetzt einfach mal aus dem Kreuz, um Platz für wirklich Neues zu machen, haha.

abandoned - kalliJoxe: Für die neu eingespielten Bonustracks habt ihr euch mit "Holy Terror" und "The Uncoming Storm" für zwei Songs vom Debüt "Thrash Notes" entschieden. Ihr habt aber euer Zweitwerk "Thrash You" noch nicht vergessen?

Kalli: Nein, natürlich nicht. Die Songs der „Thrash You!“ sind immer noch elementarer Bestandteil unserer Gigs; es waren ja auch bis dato die aktuellsten Songs im Set! Unser Debüt „Thrash Notes“ war soundtechnisch aber eher nicht so prall, um es politisch korrekt auszudrücken. Ach scheiß drauf, es klang total beschissen. Unser Tontechniker hatte damals auf eigene Faust die Rhythmklampfen reamped, ohne das mit uns abzustimmen und machte den Mix irgendwann zwischen Tür und Angel. Da wir schon einen festen Releasetermin kommuniziert hatten und es ja unser Debüt war, wollten wir keinesfalls, dass sich etwas verzögert, deshalb haben wir diesen unsäglichen Mix zähneknirschend durchgewunken. Jedenfalls kann ich mir die Scheibe nicht mehr anhören, so unerträglich ist es für mich. Um Abhilfe zu schaffen, wollten wir zwei der Songs, die wir auch im Liveset haben, reanimieren und mit einigermaßen ordentlichem Sound präsentieren. Ich denke, das Vorhaben ist gelungen!

Joxe: Ihr habt gleich die BPM-Zahlen hinter die Titel abgedruckt. Damit jeder sofort sieht, welches Tempo ihr 2017 macht?

Kalli. Ja, wir wollten dokumentieren, dass wir langsam alt werden. Das Gimmick hatten wir ja auch schon auf „Thrash Notes“ und „Thrash You!“ am Start, da kann jeder selber nachsehen, wie alt wir in den letzten zehn Jahren geworden sind…

Joxe: In der Vergangenheit hattet ihr schon mal Axel Hermann am Start. Wer war diesmal für das Cover zuständig?

Kalli: Wir haben für „Still Misanthrope“ unseren alten Kumpel Stripe Schinzel von Artwörks angehauen, der 2003 auch das Cover unserer „Misanthrope“-EP verbrochen hatte. Stripe hat in der Vergangenheit beispielsweise einige Sachen für Anvil gemacht und war und ist eine super Adresse. Wir dachten uns, wenn die neue EP schon so heißt wie die alte, muss das Cover ebenfalls in dieselbe Kerbe hauen.

Joxe: Du schiebst in deinem Keller die Regler und warst nach Abandoned gleich mit Masters Of Disguise beschäftigt. Kannst du so schnell umswitchen, ohne dass die Arbeit für eine Band auf die andere abfärbt?

Kalli: Ja, das geht recht einfach. Allein durch die verschiedenen Gesangstile und die Herangehensweise beim Songwriting gibt es fast keine Berührungspunkte. Selbst gitarrentechnisch sind Masters Of Disguise und Abandoned meilenweit voneinander entfernt, obwohl ich bei beiden Bands als Songwriter aktiv bin.

Joxe: Welches Material spielst du? Nimmst du für die Zwecke bei Abandoned eine andere Klampfe und Pedale?

Kalli: Die Klampfe unterscheidet sich schon, der Rest des Equipments nicht. Ich spiele nach wie vor meine heißgeliebten Engl-Amps, live meist den alten Fireball über eine 4x12er mit V30-Speaker, im Studio kommt in der Regel mein alter Savage 60 oder der Savage Special Edition zum Einsatz, entweder über eine 4x12 mit V30 oder einer Auswahl von Greenbacks und G12H30 aus den 70ern. Im Effektweg schleife ich den Decimator, eine Art dynamisches Noisegate, sowie einen graphischen EQ von MXR ein. Vor dem Amp steht ein Morley-Wah-Pedal und ein Korg Stimmgerät, manchmal noch ein alter Guv’nor zum Boosten, Ende. Bei Abandoned spiele ich Explorers von ESP mit aktiven EMG Pickups und Flying Vs von Gibson mit den original Gibson PUs. Bei Masters Of Disguise brauche ich als Leadgitarrist eine Klampfe mit Floyd Rose Tremolo, daher kommt dort meist eine Jackson Randy Rhoads, wiederum mit einem EMG 81 zum Einsatz. Als Backup stehen mir eine alte ESP M-I Powerstrat, eine Gibson Les Paul sowie eine Epiphone Zakk Wylde zur Verfügung, die drückt ordentlich. Hach, ich könnte ganze Romane darüber schreiben…

Joxe: Damals gab es Aufkleberaktionen, wo alles Mögliche und Unmögliche mit Euren Logostickern beklebt wurde. Dabei waren Toiletten, Bierbecher, Bekleidungsstücke und Geschlechtsorgane. Hab ich in der Aufzählung was vergessen?

Kalli: Nein.

Joxe: Wo waren die Gigs, an die du dich besonders gerne erinnerst, was war da los?

Kalli: 2005 war diesbezüglich unser geilstes Jahr: Unser erster „großer“ Gig auf dem Rock Hard Festival hat sich mir ins Gedächtnis eingebrannt, das war genial. Volle Hütte und keine Sau kennt Dich wirklich. Aber wir haben gerockt und sind super angekommen. Dann gab es da noch die Show auf dem Earthshaker mit Manowar oder unser Auftritt auf dem W:O:A. Jedes Mal waren wir die Underdogs und jedes Mal haben wir eingeschlagen wie eine Bombe, das war nicht zu toppen. Unsere Ausflüge nach Dänemark mit unseren Kumpels von Lipid waren auch immer cool, beispielsweise dieser eine Gig in einem TexMex-Restaurant(!) in Kopenhagen, genau so wie jeder einzelne Gig mit Tankard, die sich nicht zu schade sind, uns jährlich im Vorprogramm spielen zu lassen, haha.

abandonedJoxe: Was tut sich auf dem Livesektor, wollt ihr eine Tour machen oder setzt ihr zunächst bloß auf einzelne Festivalgigs?

Kalli: Eine Tour wäre vielleicht etwas übertrieben, da sollten wir schon warten, bis wir wieder eine „richtige“ CD am Start haben. Aktuell stehen nur ein paar Festival- bzw. Einzelgigs für 2017 an, u.a. im Mai mit Tankard in Köln.

Joxe: Womit muss der mündige Thrasher in Zukunft rechnen, wenn er Abandoned auf den Plan ruft?

Kalli: Mit dem, was er auch schon in der Vergangenheit erwarten durfte.

Joxe: Also hat euer Versprechen, den Fans eine Stunde auf die Fresse zu geben, weiterhin Bestand?

Kalli: Aber hallo. Eine Stunde auf die Fresse aus tiefster Liebe und voller Inbrunst von den Abandonauten. Das ist und bleibt unser Motto!

Joxe: Zum Schluss eines Interviews fragen wir immer gerne nach den fünf Platten für die einsame Insel. Welches sind deine?

Kalli: Meine Platten sind alt und zerkratzt! Außerdem variiert das je nach Mondphase. Aber wenn’s sein muss: Metallica - "Master Of Puppets", Savage Grace - "Master Of Disguise", Heathen - "Breaking The Silence", Angel Dust - "To Dust You Will Decay" und Gary Moore - "Still Got The Blues".

Joxe: Okay, vielen Dank für Deine Zeit. Die letzten Worte gehören dir!

Kalli: Ich muss auf’s Klo! *höreraufleg*

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Autor: Joxe Schaefer