JINJER - Metal Musiker sind Ausgestoßene in der Ukraine


Bands aus der Ukraine sind in unseren Breitengraden eher eine Rarität. Umso erfreulicher war es für Andrea und mich, eine Interview-Anfrage von Jinjer zu bekommen. Entsprechend vorbereitet, und mit den wichtigsten Höflichkeitsfloskeln in ukrainischer Sprache ausgerüstet, verzogen wir uns mit Tatiana und Eugene in den Backstage-Bereich, um einen munteren Plausch zu starten. Nun sollten wir schnell feststellen, dass zwar alle Bandmitglieder aus der Ukraine stammen, jedoch aus einer Gegend, in der vorwiegend Russisch gesprochen wird. So konnten wir dann doch nicht, wie geplant, mit unseren Vokabeln glänzen. Tatiana und Eugene fanden es aber trotzdem recht amüsant, denke ich, und boten mir später, nach der Show, noch ein kühles Blondes im Backstage an. Sogar mein obligatorisches Foto mit Tatiana fotografierte die Band selber!

logoPistol: Hallo, mein Name ist Pistol, aber das Vorstellen haben wir ja eben beim Soundcheck schon erledigt. Duzhe pryyemno! („Schön, euch kennenzulernen!“)! Ist das korrekt so? (Tatiana und Eugene lachen und bestätigen es.) Euer neues Album „King Of Everything“ ist ein echter Killer. Es gefällt mir noch besser als „Cloud Factory“. Ist das neue Album das beste Album ever oder können wir noch mehr erwarten?    

Tatiana: Ich denke, in dem Moment, in dem du aufhörst, dich weiter zu entwickeln, ist es das Ende in diesem Business. Du kannst nichts mehr machen. Wir wollen uns aber weiterentwickeln und wachsen Ich hoffe, „King Of Everything“ ist auf gar keinen Fall das beste Album ever, sondern nur ein weiterer Fortschritt.

Pistol: Also wird das nächste Album noch besser. Ich mag den auch den Song „King Of Everything“ ganz besonders, weil er vollkommen untypisch ist, ja fast schon Jazzeinflüsse hat.

Eugene: Ich muss dich korrigieren, da ist kein Song mit diesem Titel auf der CD. Du meinst bestimmt den letzten Track des Albums „Beggar’s Dance“.

Pistol: Ja, genau. Den meine ich. Wir haben ihn eben noch auf der Fahrt hierhin nach Aachen im Auto gehört - WOW!

Eugene: Lasse es mich mal so sagen, „King Of Everyting“ ist das beste Album, was wir bis zum jetzigen Zeitpunkt gemacht haben. Wenn sich aber zur nächsten Platte keine Steigerung ergibt, wird es keine neue Platte geben.

Andrea: Okay, aber oft ist es so, dass Bands sagen, dies ist jetzt das beste Album, was wir jemals gemacht haben, und du denkst, ´Okay, dann kann es ja jetzt keine Weiterentwicklung mehr geben.´ Ihr seid noch eine relativ junge Band, und ich denke, wir können noch jede Menge von euch erwarten.

Tatiana und Eugene nicken zustimmend.

Pistol: Ihr kommt aus der Ukraine. Hierzulande kennt man nicht viele Bands aus dieser Gegend. Gibt es eine Metal-Szene vor Ort, und Möglichkeiten für Live-Auftritte?       

Eugene: Ja, natürlich gibt es eine Metal-Szene, aber keine Locations, wo du spielen kannst. Ich sage das immer wieder in Interviews: Wir haben eine Menge guter Bands. Na ja, sagen wir eine Handvoll supercooler Gruppen. Ja, wirklich! Einige, die auf Weltklasseniveau spielen können und auch auf großen Bühnen so richtig Arsch treten. Aber bei unseren etwa 45 Millionen Einwohnern, gibt es gerade mal sechs oder sieben Clubs, in denen du auftreten kannst. Also, ich meine richtige Venues mit Bühne und der entsprechenden Ausstattung. Kannst du dir das vorstellen? Für das gesamte Land nur eine Handvoll Live Locations! Das ist der Grund, warum wir im Herbst auch eine Europa-Tour außerhalb der Ukraine machen wollen, nicht nur sechs oder sieben Shows bei uns.

Andrea: Und wie sieht das mit der Fan-Szene aus? Gibt es viele Fans bei euch?

Eugene: Da haben wir schon das nächste Problem: Der größte Teil unseres Publikums sind Teenager. Und dann werden sie älter und kehren der Szene den Rücken zu.

Tatiana: Ja, ja… Sie ändern einfach ihren Geschmack.

Pistol: Es ist nicht cool genug, Metal zu hören, oder?

Andrea: Das Problem gibt es aber in Deutschland ebenso: Sowie die Teenager erwachsen werden, meine viele, sie wären zu alt dafür.

Eugene: Das ist die große Differenz zwischen dem europäischen Publikum und dem in der Ukraine. Hier sind es meistens Erwachsene mit sehr gutem Musikgeschmack, die der Szene über dreißig, vierzig Jahre treu bleiben. Der absolute Unterschied, wenn du dazu im Vergleich die ukrainischen Fans siehst: Es sind einfach nur Kids, die ihren Spaß haben wollen, und nicht mehr.

Andrea: Eigentlich ein sehr trauriger Zustand, weil eine Menge guter Musik so verloren geht.

Eugene: Absolut, da stimme ich dir zu!

Pistol: Okay, da ihr also keine oder nur wenige Locations habt, können wir die nächste Frage direkt streichen. (Tatiana und Eugen lachen). Aber wie ist das generell mit dem Touren? Könnt ihr einfach euer Equipment in den Van packen und losfahren?

Eugene: Das ist genau das, was wir machen, haha!

Pistol: Also keine Formalitäten, Genehmigungen usw.?

Eugene: Das Problem ist höchstens der Krieg im Osten, halt diese eine besondere Region um die Krim. Der Rest des Landes lebt ein friedliches Leben und Miteinander.

Andrea: Das ist mal eine sehr gute Information für die Leute hier in Europa. Die Medien zeigen uns lediglich nur die Krisengebiete, aber nichts über den Rest des Landes. Irgendwie werden wir mehr und mehr amerikanisiert und bekommen so, anstatt des Gesamtbildes, immer nur kleine Ausschnitte des Weltgeschehens serviert.

jinjerPistol und Andrea: Wollt ihr die Band mal kurz vorstellen, also Mitglieder und den musikalischen Background?

Tatiana: Okay, wir sind fünf Personen: vier Musiker und ein Tontechniker. Ich bin Tatiana, die Sängerin (lacht), das ist Eugene, der Basser. Dann haben wir noch Vlad, den Drummer, und Roman an der Gitarre. Ich bin, seit ich vierzehn bin, in diversen Bands Mitglied gewesen. Die Richtung war immer unterschiedlich: von Thrash über Scud Punk, Reggae und Core Metal; also querbeet. Das mache ich jetzt seit fünfzehn Jahren etwa.

Andrea:  Oh, und ich dachte, du wärst viel jünger??

Tatiana: (lacht geschmeichelt) Nein, nein! Dieses Jahr werde ich dreißig.

Andrea: Na, jedenfalls siehst du viel jünger aus! (Frauen unter sich… Anmerkung Pistol)

Pistol: Ihr seid jetzt bei Napalm Records unter Vertrag, ein Label mit vielen interessanten Bands, zum Beispiel Alter Bridge. Wie ist die Unterstützung seitens des Labels?    

Eugene: Oh, das ist etwas ganz anderes jetzt bei Napalm Records. Auf einmal sind wir in den großen Medien vertreten, weißt du, im Metal Hammer, Revolver oder im Rock Hard Magazin. Unsere Medienpräsenz ist viel größer geworden dadurch.

Pistol: (lachend) Und nun sogar bei CROSSFIRE!       

Eugene: Ja, einfach eine Menge unterschiedlicher Medien. Das ist alles sehr cool für uns. Mit dieser Unterstützung läuft es prima.   

Tatiana:  Beide Seiten haben ihren Vorteil durch diese Verbindung.

Pistol:  Erst vor kurzem bin ich auf euch aufmerksam geworden, da ihr in Deutschland noch mehr den Insider-Status habt. Ende September seid ihr auf dem Euroblast in meiner Heimatstadt Köln zusammen mit vielen anderen Bands. Das habe ich im Internet gelesen.

Tatiana: Also hast du doch Internet?

Pistol: Ja klar, zu Hause. Aber ich hasse dieses Mäusekino auf den Smartphones.

Eugene: Ja, wir spielen sogar schon das zweite Mal dort!

Pistol: Spielt ihr lieber eine Headlinershow oder bevorzugt ihr Teil eines Festivals zu sein?       

Eugene: Ich denke, es liegt an dem Publikum. Für mich ist es unmöglich zu sagen, dass eine oder das andere ist besser. Ein Festival ist cool, aber eine Headliner-Show ist genauso cool. Beides hat seine Vorzüge.    

Andrea: Klar, alles hat Vor-und Nachteile, aber wenn du darüber nachdenkst, wie ihr eure Fans am besten erreicht, was meinst du? Klappt das besser als Headliner oder als eine von viele Bands eines Festivals?        

Tatiana: Nun, wir versuchen auf unseren Touren durch die Klubs im Frühjahr und Herbst, neue Fans zu gewinnen und mit unsere Musik zu begeistern. Und dann sehen wir auf den Festivals, ob unsere Anstrengungen den gewünschten Erfolg gebracht haben und uns unsere Fans auch auf den Festivals unterstützen.

Eugene: Klar, auf den Festivals hast du ja auch jede Menge Leute, die dich zum ersten Mal hören. Also bin ich noch mehr motiviert, meinen Job so gut wie möglich zu machen und versuche, es nochmal zu toppen.      

Pistol: Bevorzugt ihr denn die Club-Atmosphäre mit direkter Nähe zum Publikum, oder steht ihr lieber auf großen Bühnen?    

Tatiana und Eugene: Auf jeden Fall beides!    

Andrea: Auf welchen großen Festivals habt ihr denn sonst schon gespielt, zum Beispiel in Skandinavien?

Eugene: Letztes Jahr zum Beispiel auf dem Q-Stock Festival in Finnland, und einige andere große Festivals. Dieses Jahr werden wir unter anderem beim Rock Marathon in Ungarn, beim Nummirock Festival in Finnland oder beim Gefle Rock Festival in Schweden spielen.    

Pistol: Okay, wer ist bei euch für das Songwriting und die Lyrics zuständig? Komponiert ihr zusammen im Proberaum, oder bringt jeder seine Ideen von zuhause mit? 

Tatiana:  Was meinst du, die Texte? Das ist mein Bereich, aber wenn mir mal die Ideen ausgehen, hilft Eugene aus, und wir schreiben es zusammen.

Eugene: Ja, und die Stücke komponieren wir, oder wenn einer eine Idee hat, probieren wir es aus. Und Tatiana schreibt dann die Texte zu dem fertigen Stück.    

jinjerAndrea: Also schreibt ihr die Lyrics zur fertigen Musik und nicht umgekehrt, wie manch andere das machen?  

Tatiana: Ja, schau: Ich kann zum Beispiel kein Instrument spielen. Okay, vielleicht Flöte, haha! Aber ich kann nicht komponieren. Dafür habe ich wohl nicht genug Begabung.

Eugene: Aber du machst einfach wundervolle Texte zu den Songs. So gesehen bist du eine hervorragende Textkomponistin.             

Pistol:  Als  „Female Fronted“  Band wird  man sehr schnell in eine Schublade gesteckt. Euer Video „Sit Stay  Roll Over“ erinnert mich ein wenig an Arch Enemy. Ist das so gewollt oder eher Zufall?     

Tatiana: Ich mag Arch Enemy gar nicht!

Pistol: Ich auch nicht. Da haben wir schon etwas gemeinsam.

Tatiana:Tatsächlich mag ich auch keine Female-Fronted Metal-Bands. Ich bin einfach hier, weil ich es kann. Ich bin keine von den Frauen, die nur in einer Band sind, weil sie vielleicht besonders gut extreme Vocals singen können. Das sind wir nicht. Du musst wissen, unser erster Sänger war ein Mann. Und ich bin nicht zur Band gekommen, weil die anderen eine Female-Fronted Band daraus machen wollten. Nein, wir sind einfach schon lange Freunde. Und die Jungs wussten, dass ich den Job machen kann.   

Andrea und Pistol: Eine sehr gute Entscheidung auf jeden Fall. Wir haben eben beim Soundcheck schon gestaunt. Andere Bands, wie zum Beispiel Amaranthe, brauchen drei verschiedene Sänger für das, was du alleine mit deiner Stimme machst. Du stehst einfach da und schleuderst die unglaublichsten stimmlichen Facetten raus, die wir jemals gehört haben.

Eugene: Ich möchte noch einmal zurückkommen auf deinen Vergleich mit Arch Enemy und unserem Video „Sit Stay Roll Over“. Meiner Meinung nach sind dort überhaupt keine Parallelen zu Arch Enemy, aber ich lese das auch immer wieder in den Kommentaren. Ich habe mir einige Videos von Arch Enemy angeschaut, aber finde, keines hat Ähnlichkeit damit. Als Musiker möchtest du nicht unbedingt mit anderen verglichen werden, solange du dein eigenes Ding machst.

Pistol: Nein, ich meine das auch nicht musikalisch, vielmehr die optische Umsetzung von Tatianas Bewegungen und Outfit.

Eugene: Nein, nein, nein! Tatiana hat nichts mit Angela Gossow oder Alissa White-Gluz gemeinsam!  Sie ist total anders!

Pistol: Dem stimme ich zu hundert Prozent zu Eugene, sie ist eine absolute Ausnahmesängerin und um Klassen besser!     

Eugene (wieder beruhigt): Ja, da bin ich der gleichen Meinung!         

Andrea: Das war auch eine der Gründe, warum ich nach deinem musikalischen Werdegang gefragt habe, deine Stimme lässt eine klassische oder aber auch traditionelle Ausbildung vermuten. Es sind unheimlich viele Nuancen unterschiedlicher Couleur in deiner Stimme.

Tatiana: Nun, ich habe als Kind schon gerne gesungen, und eine meiner Lieblingsbeschäftigungen war es, Stimmen zu imitieren. So habe ich meine Stimme auch trainiert. Ich liebe es zu singen, aber eine Musikschule oder Gesangsausbildung habe ich nicht gehabt. Na ja, als ich zehn war, habe ich mal ein paar Stunden Gesangsunterricht gehabt, so für zwei Monate vielleicht, aber ich erinnere mich nicht mehr wirklich daran.       

Andrea: Eugene, deine Art, Bass zu spielen, ist sehr außergewöhnlich, und wenn man ein geübtes Auge und Ohr hat, stolpert man automatisch über dein Fingerpicking. Es erinnert sehrt an einen traditionellen Kontrabass-Spieler.

Eugene: Gut, also in Englisch heißt es „double bass“ (Kontrabass), und ja, es geht schon in die traditionelle Funk und Jazzspielweise. Das ist die beste Schule, wie du Bass spielen lernen kannst. Jedoch habe ich nie irgendwelche Kurse oder sowas gehabt. Wir haben uns alles selber beigebracht. Das Zusammenspielen ist der beste Unterricht.   

Andrea: Also seid ihr quasi den autodidaktischen Weg gegangen?

Eugene: Ja, so kann man das sagen.

Pistol: Heutzutage ist es ja sehr schwierig, mit nur einer  Band genug zu verdienen, um davon leben zu können. Geht ihr noch normalen Jobs nach?      

Eugene: NEIN! (lacht) Wir haben das Glück, aus einem Dritte Welt-Land zu kommen, und wir können dort sehr preiswert leben. Wir gehen hier auf Tournee, so wie andere zur Arbeit, und wenn wir dann nach Hause kommen, können wir leben wie die Könige, haha! Aber im Ernst: Es ist gutes Geld, um in der Ukraine zu leben, natürlich in einem normalen Rahmen, verstehst du? Kämen wir aus Europa, wäre es bestimmt recht hart für uns. Aber wir hatten natürlich auch eine schwierige Situation. In der Ukraine, in dem Gebiet, wo wir herkommen, brach der Krieg aus. Wir mussten unsere ursprüngliche Gegend verlassen und weit weg von unserer Heimat leben und neue Häuser mieten. Das war schon ganz schön hart für uns, da wir zuhause mit unserer Musik nicht das Geld verdienen können wie hier jetzt.

Andrea: Aber jetzt läuft es für euch ganz gut, und ihr könnt das mit einer Band regeln; nicht wie in Skandinavien, zum Beispiel, wo die Musiker in drei oder vier Bands gleichzeitig spielen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Gibt es denn für Musiker keine Unterstützung seitens der Regierung, ähnlich wie in Schweden?

Tatiana und Eugene lachen schallend!

Eugene: Ja, ich weiß, aber hier gibt es nichts!

Tatiana: Wir sind Ausgestoßene in der Ukraine. Musiker sind ausgestoßen! Ganz besonders die Metal-Bands. Es ist keine Option Musik zu machen!

Andrea: Also habt ihr ständig gegen Vorurteile zu kämpfen?

Tatiana: Yeah, genau so ist das!

jinjerAndrea: Das ist ganz schön hart, finde ich. Ich meine, in Deutschland gibt es auch wenig Unterstützung, und so sind wir immer überrascht von skandinavischen Musikern zu hören, dass es Proberäume für umsonst gibt, oder auch spezielle Bandcamps, zum Beispiel. 

Eugene: Ja, wenn du weit wegfliegst, in die USA oder so, dort gibt es viel Unterstützung. Ich weiß, dass es inSkandinavien es zur Identität gehört. Man ist stolz auf seine Musiker. Das ist der große Unterschied zur Ukraine. Dort ist man sehr stolz auf seine traditionellen Volkssänger oder auch im Poprock-Bereich. Die Entwicklung der Popsänger wird mit Stolz beobachtet, aber keiner interessiert sich dafür, was in der Metal-Szene passiert (Tatiana nickt zustimmend), so als ob wir gar nicht existieren würden.

Pistol: Habt ihr denn noch andere Projekte neben Jinjer, in denen die eine oder andere von Euch mitspielt?   

Eugene: Nein, wir sind so beschäftigt mit Jinjer, dass gar keine Zeit für andere Projekte bleibt. Wir spielen dieses Jahr etwas zwischen achtzig und neunzig Shows. Du siehst also gar keine Chance, noch irgendwo anders zu mitzuspielen. Einzig Vlad (der Drummer) ist aus einer anderen supercoolen Band namens Zlam aus Kiev gekommen. Aber er ist nach wie vor mit den Jungs verbunden, allerdings passt es terminlich hervorragend zusammen, so dass er beide Bands kombinieren kann. Wenn du Zeit hast, hört sie euch mal an. Sie sind wirklich großartig. Purer Heavy Metal, haha!

Pistol: Ich weiß nicht, ob ihr die Barb Wire Dolls kennt, aber Isis, die Sängerin, hat einmal zu mir gesagt, die Groupies von heute sind die Fans. Sie unterstützen einen mal mit Catering, einer Schlafmöglichkeit und auch finanziell. Habt ihr diese Erfahrung auch schon gemacht?   

Eugene: Ja, auf jeden Fall; in der einen oder anderen Weise sicher. Aber es sind auch Freunde, nicht unbedingt Fans, also Leute, die wir schon vorher kannten.

Pistol: Ja, das ist genau das, was sie damit meinte.  

Eugene: Ja klar! Und es passiert auch hier in Europa oder anderswo.Ich kann nicht sagen, dass es dauernd vorkommt, aber es kommt vor.

Andrea: Also ist da keine so große Fangemeinde derzeit?  

Eugene: Doch, natürlich haben wir die, aber lasse es mich so erklären: Es klingt für mich recht unnatürlich, von den Fans finanzielle Unterstützung zu verlangen. Fans sind Fans und wir sind die Musiker. Da sollte schon eine Distanz zwischen sein. Wir unterscheiden da schon, ob es Freunde oder Fans sind.

Andrea: Nun seid ihr bei Napalm Records unter Vertrag, aber viele Bands sind auf den Support der Fans, oder ein Crowdfunding angewiesen, um bestehen zu können, oder um ein neues Album auf Vinyl herauszubringen oder eine Videodreh zu finanzieren.

Eugene: Natürlich du meinst die Do It Yourself-Bands, aber ich verstehe, was du meinst. Wir haben das nur einmal in Anspruch genommen, und zwar als unser Ex-Drummer Eugene Mantulin im dritten Stock aus dem Fenster gefallen ist. Es war während einer Tour, er war total übermüdet und wollte nur eine Zigarette rauchen. Dabei kippte er aus dem offenen Fenster und zog sich schwerwiegende Verletzungen zu. Da haben die Musiker, Fans und viele andere das Geld für eine sehr wichtige Operation gesammelt. Ansonsten wäre er wohl den Rest seines Lebens an den Rollstuhl gefesselt gewesen. Das war das einzige Mal, wo wir die Fans darum gebeten haben, Geld zu spenden.

Tatiana: Es war die einzige Chance, um diese Operation zu finanzieren, und wir hatten wenig Zeit. Letztlich hat es gerade mal sechs Stundengedauert, und wir hatten die über zehntausend Dollar zusammen, die für den Eingriff erforderlich waren.

Andrea: Das zeigt allerdings welch loyale Fans ihr habt

Eugene: Genau, und danach haben wir nie wieder nach finanzieller Unterstützung gefragt, und werden das auch in Zukunft nicht tun.

Andrea: Nein, denn das wäre ein Schritt zurück. Ich kann das gut verstehen!

Pistol: Hat euer Bandname eine bestimmte Bedeutung, oder ist es ein reiner Phantasiename?

Tatiana: Nein, nichts dergleichen. Jinjer bedeutet überhaupt nichts; weder ein Wortspiel noch sonst irgendetwas. Unser Bandgründer Dmitriy Oksen (Gitarre) hat diesen Namen mitgebracht, aber er hat vor zwei Jahren die Band verlassen, ohne uns zu sagen, was es bedeutet.

Eugene: Fans versuchen immer, einen Sinn im Bandnamen zu finden, ob es nicht zum Beispiel das Geräusch einer Verzerrung oder einer Rückkopplung meint. Aber ich glaube einfach, dass nicht jeder Name etwas zu bedeuten hat. Und es hat auch nichts mit dem englischen Wort Ginger (Ingwer) zu tun.

jinjerPistol: Okay, zum Schluss die übliche Frage: Was gebt ihr den Lesern von CROSSFIRE mit auf den Weg?           

Eugene: Bleibt offen für alles, ob im musikalisch Bereich oder gegenüber anderen Menschen, Grenzen oder solche Dinge. Limitiert euch nicht selbst, hört alles an Musik, nicht nur Metal, sondern auch andere Stilrichtungen,wie Punk und Jazz oder Prog Rock. Und wenn du den Traum hast, Gitarre zu spielen, kauf dir eine und fang an. Ich war schon achtzehn, als ich anfing zu spielen, es ist nie zu spät dafür. 

Tatiana: Und geht raus und spielt Musik, wenn ihr meint, das tun zu müssen. Zeigt, was ihr in eurem Herzen und euren Gedanken habt. Aber geht nicht zu früh auf die Bühne, werdet sicher und übt erst einmal. Sammelt Erfahrung bevor ihr performt.  

Andrea: Nun, wie wir beim Soundcheck sehen konnten, seid ihr da schon alte Hasen, die relaxt auf die Bühne gehen, ohne Lampenfieber und so. Jedenfalls haben wir da eben einen absolut professionellen Eindruck bekommen, dass ihr euch auf der Bühne wie zu Hause fühlt.

Eugene: Danke für das Kompliment! Aber an dem Tag, an dem du ohne Lampenfieber raus gehst, solltest du eigentlich nicht mehr auf die Bühne gehen. Das ist ja irgendwo auch der Kick, das Adrenalin, was dazugehört.       

Andrea: Gut wir wissen, dass wir die Metal-Szene in der Ukraine definitiv im Auge behalten und supporten werden. Ich denke, viele Leser werden überrascht sein, darüber zu lesen und zu hören, dass so viele Dinge ganz anders laufen als in USA, Kanada oder in  Skandinavien, das Metal-Paradies schlechthin. Also kämpft weiter für euren Weg, und nebenbei gesagt, ist euer Album das beste Stück Musik, was ich seit langem gehört habe. Nicht einfach nur ein Metal-Album, nein, es ist ein Musikalbum, Crossover im besten Sinne mit Jazz und Funkeinflüssen, deine klare Stimme über allem. Wirklich eine hervorragende Platte!  

Eugene und Tatiana: Vielen Dank! Du genießt die Show gleich!

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Autor: Pistol Schmidt