VERY EAVY FESTIVAL

Stadskanaal (NL), The Fox, 21.04.2017 - 22.04.2017

Tag 1, Freitag, 21.04.2017: Overruled, Hitten, Stranger, Tokyo Blade.

overruledPünktlich zur Einlasszeit um 19:30 Uhr fängt es zu regnen an, aber die Pforte des Fox Nightlife bleibt noch geschlossen. Das harren die einfach aus, nichts regt sich erstmal. Doch dann tut sich plötzlich was und der Einlass verläuft reibungslos. Schön auch, dass die postkartengroßen Tickets nicht zerrissen werden. Weil es ja das letzte Very 'Eavy sein soll, werden die Tickets daheim an der Pinnwand für Erinnerungen sorgen. Die schicke Location, recht neu und krass farbig beleuchtet, dient offensichtlich sonst für Discobetrieb. Den Verdacht können Overruled aus dem heimischen Hoogeveen nicht bestätigen, weil sie in Zeiteskürze den Laden in eine Konzertlocation verwandeln. Sie knallen volle Düse los. Das kommt besonders heftig, weil in der Halle kurz zuvor keine Konservenmusik lief. Andererseits hat die Vergangenheit gezeigt, dass es immer schön Ärsche tritt und schneller die Stimmung weckt, wenn ein Festival mit Thrash Metal beginnt. Sie geben sie Saures, besonders ihr Gitarrist, der gleich einen Ausflug ins Publikum unternimmt. Der Drummer legt einen tighten Schlag vor, würde aber auf der Straße mit seinem akurat kurzen Seitenscheitel nicht als Metaller oder gar als Thrashdrummer erkennbar sein. Doch die Thrashkeule trifft. Nach der "The Four Horsemen" in der Megadeth'schen "Mechanix" Version müssen Overruled schon nach 35 Minuten von der Bühne. Hoffentlich kommt bald mal ihr Album …

 

hittenWie die Band zuvor haben wir auch Hitten zuletzt auf dem Der Detze Rockt Festival gesehen, wo die Spanier aus Murcia amtlich vom Leder zogen. Danach sieht das auch hier in Stadskanaal aus. Das ist übrigens der korrekte Name der Stadt und hat nichts mit einem örtlichen Sender zu tun. Hitten gehören mit Frenzy und Iron Curtain zu den geilsten jungen Vertretern ihres Stils auf der iberischen Halbinsel, daher wundert es kaum, dass sich die Energie flugs auf die Anwesenden überträgt. Die Gitarristen posen wie die Sau, dazu eignet sich nicht nur "Victim Of The Night", sondern ihr gesamtes Material. Ganz schön was los auf der Bühne und davor auch. Pausen gibt's nur beim ausgiebigen Klampfenstimmen zwischen den Songs. Nur das mit dem Sound klappt immer noch nicht so ganz, doch die Menge lässt das Dumpfe kalt und feiert die Rakete "Warrior" von Riot und das finale "Running Over Fire" anständig ab. Mal wieder ein Arbeitssieg für Hitten, die wir in unseren Breiten einfach viel zu wenig sehen.

 

strangerLeider stehen im heutigen Billing nur vier Bands. Deswegen kommt man recht schnell zum Finale. Ganz sicher hat eine spätere Stagetime der vorletzten Band Stranger etwas damit zu tun, dass die Holländer Veteranen der Achtziger und beim Publikum bestens bekannt sind. Ihr Shouter, mit Pfiffen fast so gut wie Biff Byford von Saxon, ist die Rampensau und dirigiert das Publikum inklusive ein paar junger Mädels, die grad ganz zaghaft ihre ersten Bangversuche unternehmen. Der Drummer nutzt die Zeit, beim ausgiebigen Gitarrensolo ein paar Fotos zu schießen, ist aber später noch selbst mit einem Solo dran. Den ganzen Tag schon bekommt der Beleuchter die linke Bühnenseite einfach nicht hell, deswegen steht man auch bei Stranger auf dieser Bühnensite meist im Dunklen. Ganz anders Peter, ein zusätzlicher Mann an der wilden Mundharmonika. Der betritt von rechts die Bühne, den klassischen Heavy Rock durch seine Einlage zu unterstützen. Mit "Blow Your Brains Out" werden die sympathischen Altrocker entlassen.

 

tokyo bladeZum Headliner des heutigen Abends muss dem Oldschooler und NWOBHM-Anhänger nichts mehr erklärt werden. Auf ihre Dampfhammerauftritte beim X-mas Rocka in Sheffield und beim jüngsten Brofest haben wir bereits eingehend berichtet. Und auch heute sind sie die Freitagsheadliner, wie übrigens auch auf dem kommenden Festival Der Detze Rockt. Die alten Songs, besonders die der ersten beiden Alben, sind unangreifbar und können einfach alles. "Death On Main Street", "Someone To Love", "Samurai", "Love Struck", "Sunrise In Tokyo", heute mal wieder mit Saxons "Power And The Glory"-Einstieg, sind einfach die Songs, an denen man als Metaller nicht vorbei kommt. In keinem anderen Metalgenre wird einem ins Herz geschlossenen Sänger mehr verziehen. Vic Wright war 1984 Sänger bei Tokyo Blade, hat das geniale Zweitwerk "Night Of The Blade" eingesungen und hat heuer gute und schlechte Auftritte. Heute geht’s mal wieder, zumal einiges eine Oktave tiefer gesungen wird. Die Menge feiert und singt mit. Der megaaktive Basser Andy zieht sich die Kutte eines Fans mit dem markant rot-weißen Backpatch der ersten Scheibe zu "Midnight Rendez Vous" über und gibt ein Bassintro zu "Killer City". Dass der Bandhit "If Heaven Is Hell" das absolute Finale ist, wusste jeder vorher. Aber dass es in einer so geilen und alles toppenden Version gebracht wird, haut einem schon die Socken weg. Die Hymne des Tages, fantastisch. Bei der anschließenden Aftershowparty gibt’s noch reichlich zu feiern und Tageshöhepunkte zu besprechen, dass um kurz vor drei Uhr Musik aus und Zapfhahn hoch einfach zu früh war.

 

Tag 2, Samstag, 22.04.2017: Blackslash, Warrior, Lovell's Blade, Night Demon, Witch Cross, Holocaust, Vardis und Angel Witch.

blackslashDen zweiten Tag eröffnen Blackslash. Der aufmerksame Leser unserer Livereviews weiß nun genau Bescheid, was jetzt los ist. Auf dem Taunus Metal Festival vor zwei Wochen haben die Maidenlastigen beachtlich vom Leder gezogen und so tun sie das auch heute schon zu "Empire Rising", dass es schnell voll vor der Bühne wird. Vorausgegangen sind auf einer Toilette im Fox andere Begebenheiten. Das Licht schaltet sich beim schwerpunktmäßigen Untersichlassen aus. Gut, wenn man in der dunklen Kabine weiß, wo alles ist, haha. Der Bewegungsschalter hätte für das Licht auf der noch immer dunklen, linken Bühnenseite mehr Sinn gemacht, denn da wird sich nämlich mit reichlich Gepose zu "Edge Of The World" und zum Song vom Videoclip "Rock 'n' Roll" genug bewegt. "Stella Masters" beendet einen ganz hervorragenden Auftritt, der durch seine Klasse an einem späteren Slot hätte stattfinden sollen. Doch Insider wissen längst, dass die Baden-Württemberger im Juni noch auf dem Detze aufspielen werden.

 

warriorVon allen Bands auf diesem Planeten, die sich den Namen Warrior gaben, sind dies hier die frühen Briten. Die Mannen aus Newcastle gehören mit Shouter Eddy und Gitarrist Dave zu den alten Haudegen, denn sie waren schon 1982 dabei, als die NWOBHM in ihrer Blüte stand. Und links auf der Bühne wird es jetzt hell, als hätte es der Lichtmann gehört. Die Band beleuchtet derweil Songs wie "Trojan Horse" vom brandneuen Album "Invasion Imminent", sowie auch älteres Material von ihrer 1983er EP oder "Breakout" von 1984. Ihrem straighten und erdigen Sound geben sie ein paar coole Twinleads bei und ihr Drummer haut richtig drauf. Für das Publikum halten sie noch den "Dragonslayer" bereit, gefolgt von "Rise Of The Warriors" vom neuen Album und ganz zum Schluss "Dead When It Comes To Love". Warrior ziehen solide ihren Gig durch und bekommen dafür mehr als Höflichkeitsapplaus.

 

lovells bladeEine weitere, nicht wegzudenkende Band sind für die Veteranen Picture aus Hilversum. Einige Besucher können damit etwas anfangen und wissen, wo Shouter Pete Lovell und seine Mitstreiter herkommen, denn Songs wie "Eternal Dark" und "Traitor" sind nicht nur nationale Gassenhauer, die alle Metaller kennen. Wer die nahtlos an AC/DCs "T.N.T." in ihr Heavy Rock Programm startenden Lovell's Blade bislang noch gar nicht auf dem Zettel hatte, wird jetzt hellhörig. Auch optisch wird etwas geboten, unterstreicht Pete seine Vocals gestenreich vor einem ordentlich Show machendem Drummer, der auch einige Backingvocals liefert. Das überwiegend holländische Publikum feiert die Jungs ab, während der Fünfer seinen Heimvorteil nutzt, auch alle andere zu beeindrucken.

 

night demonLeider war unser gestriger Termin, dem Konzert von Night Demon und den heute hier headlinenenden Briten von Angel Witch im Oberhausener Helvete beizuwohnen, zu Gunsten des Very 'Eavy Festivals nicht möglich. Halb so schlimm, denn die beiden Bands spielen ja heute auch hier. Ein Vögelchen zwitscherte uns aber, dass es am Vortag in Oberhausen ebenfalls ziemlich geil gewesen sein soll. Bassist und Shouter Jarvis, derzeit noch als Basser bei Cirith Ungol und als Sänger bei den Urbriten von Jaguar aktiv, ist hier schon früh im Publikum zu sehen. Die Band ist zum zweiten Mal hier und pflegt die Kontakte. Im Gegensatz zur schlicht schwarzen Kleidung des Trios hängt ein weißes Backdrop hinter ihnen. Oldschoolsongs werden mit unbeschreiblichem Druck und Tempo gebracht, dazu trägt auch ein deutlich hörbarer Bass bei. Jarvis bangt brutal an seinem Flying-V Tieftöner wann immer es geht. Man merkt den Kaliforniern nicht nur Spielfreude an, sondern auch, dass sie jederzeit ein Quäntchen mehr geben. Das ist Heavy Metal wie er sein soll. Speziell für die Holländer spielen sie "RadarLove" von Golden Earring, ein weiteres Relikt aus der Reihe bekannter Rocktrophäen aus den Niederlanden, natürlich mit gefährlichen Tempoanhebungen a la Night Demon bespickt. Die Speed hat nur zu den Intros Pause. Bevor sich Jarvis bei allen bedankt, mit den NWOBHM Legenden heute die Bühne teilen zu dürfen und "Night Demon" raushaut, kommt zu "The Chalice" der Kapuzenmann mit einem Kelch auf die Bühne und lässt einzelne Banger in den ersten Reihen daraus kosten. Night Demon sind beste und härteste Band bis jetzt, obwohl sie 'bloß' reinen Heavy Metal spielen. Den Distanzschuss von Foto hat übrigens der Jensenmann beigesteuert, großen Dank dafür!

 

witch crossWitch Cross aus Kopenhagen haben wir zuletzt in Newcastle gesehen, noch gut in Erinnerung war die Reibeisenstimme der Dänen. Leider ist es bei ihnen nicht mehr ganz so voll im Saal wie zuvor bei den Kaliforniern und sie können nach dem Auftritt von Night Demon nicht mehr alle umhauen, doch man weiß hier in Stadskanaal sehr wohl etwas mit gutem Hardrock anzufangen. Der Fünfer zeigt sich motiviert, inklusive ihres neuen Drummers Jesper, der weiter tatsächlich Haugaard heißt. Die Gitarristen besuchen sich gegenseitig auf den Bühnenseiten und geben dem Volk, der "Metal Nation", die Doppelpaula. Möglicherweise veranlasste das abschließende "Are You There" durch seine Erinnerungen an ein "Dallas 1 Pm" von Saxon einige Besucher dazu, die Stimme des Shouters mit Biff Byford zu vergleichen, nicht aber den Gesang. Denn es wurden nicht alle Töne exakt getroffen. Kann durch den Hammerauftritt der Band zuvor etwas täuschen, aber von der größeren Bühne beim Brofest aus, wo die Dänen im Jahre 2015 auftraten, kamen sie amtlicher rüber.

 

holocaustEine riesengroße Schottenflagge als Backdrop. Das heißt, jetzt sind Holocaust aus Edinburgh dran, die sogar schon fünf Minuten vor der zugedachten Stagetime mit einem langen Intro anfangen. Das Trio mit Drummer Scott, auffällig durch seinen zackigen Schlag, gehört zu den drei Finalbands, die alle aus der NWOBHM stammen. Ein sehr schöner Abschluss für den Abend und der Festivalreihe. Basser Mark tritt heute mal im Kilt auf und leistet Schwerarbeit, ein Arbeitstier am Viersaiter, bekommt aber sein neues Shirt von Vardis nicht so schnell ausgezogen, hätte er mal doch lieber mal eines in der Größe XL genommen. Den Rest spielt er mit freiem Oberkörper. Der mittelalte Gassenhauser "Iron Will" ist auch im Set, aber der Zündstoff ist einfach Zeug wie das über Jahrzehnte etablierte "The Nightcomers". Urmember John Mortimer bezeichnet zwar die alten Tage erwartungsgemäß als 'glory Days', favorisiert aber die heutige Zeit auch und sagt "Expander" vom aktuellen Album "Predator" an. Trotz Knarzen im Sound des Basses kommt sehr gut Bewegung in das Fox, was der größte Bandhit "Heavy Metal Mania" zum Schluss noch toppt.

 

vardisNoch ein Trio ist Vardis, die noch deutlicher nach dem Besetzungsmuster Rampensau an Gitarre und Gesang und einem markanten Basser mit Drive agieren. Wir reden hier von Steve Zodiac, der passend zum neuen Album "Red Eye" eine rote Weste und rote Stiefel trägt und mit schmerzverzerrtem Gesicht die Saiten seiner Telecaster schrubbt. Einer der wenigen Metaller, der auf die Dienste einer solchen Gitarre zurückgreift. Ab und an kann man die Boogiespuren noch bemerken, die Steve noch aus ganz frühen Zeiten seiner Status Quo Tribute mitbringt. Ein paar alten Fans ist zu wenig Achtziger Material im Set, aber das straighte Zeug geht auch so ins Bein.

 

angel witchGanz zum Schluss steht noch eine Band an, von der man weiß, dass sie ihren größten Hit als Zugabe spielen. Und das ist auch gleich ihr Anthem. Bis das so weit ist, tun die Briten alles dafür, ihre von einigen Nasen zu Unrecht bekommene Titulierung "One Hit Wonder" ad absurdum zu führen. Angel Witch geben die volle Kelle mit einem definitiv stimmenden Härtegrad, härter als auf jeder ihrer Scheiben. Das sollte also klappen, schließlich haben sie noch ein aktuelles Paradealbum dabei, das sehr gutes Material enthält. Von "As Above, So Below" stammt vor allem das inzwischen unverzichtbare "Dead Sea Scrolls" und auch "Into The Dark". "Sorceress" wird zunächst mit weichen Paukenstöcken gespielt, sonst kreist der absolute Hammer. Mainman, Gitarrist und Shouter Kevin Heybourne brüllt und krächzt sich durch die Klassiker "White Witch" und "Angel Of Death", begibt sich zu den Soli zu Neuklampfer Jimmy, während Basstier William was vom Cliff Burton Spiel hat und in stoischer Ian Hill Manier kontinuierlich mit seinem Brett rudert. Es wird mit knalligem Acting mächtig Arsch getreten, was sich auf das Publikum überträgt. Das Quartett war mit Night Demon die härteste Band auf diesem letzten Very 'Eavy. Die beiden müssen zusammen auf Tour ein pralles Package gegeben haben. Damit findet die Festivalreihe grandios ein Ende. Schade drum. Bleibt also zu hoffen, dass man es sich doch noch einmal anders überlegt …



Autor: Joxe Schaefer - Pics: Joxe Schaefer