PAGAN - Wir klingen, wie wir klingen wollen!


Bands aus Australien sind hierzulande nicht so oft live zu sehen; okay, AC/DC vielleicht oder Rose Tattoo. Bei den kleineren Acts scheitert es ja meist schon an den enormen Reisekosten. Und so freue ich mich heute besonders auf ein Interview mit Nikki Brumen, die gerade mit ihrer Band Pagan unterwegs auf kleiner Europatour sind. Ein weiterer Kollege vom Radio ist auch dabei, und wir sind gespannt, was uns erwartet, als wir von einer strahlenden Nikki in den Backstage-Bereich entführt werden. Ausgesprochen redselig erledigt sie zuerst das Radio-Interview, bevor wir beide uns dann zusammensetzen und ich meine Fragen stellen kann. Und herausgekommen ist dabei ein sehr aufschlussreiches Gespräch mit Nikki, die mit ihrem herzlichen Wesen sofort meine Sympathie gewinnen konnte.

logoPistol: Hallo Nikki, mein Name ist Pistol vom CROSSFIRE Metal Magazin, und ich möchte Dir ein paar Fragen stellen.

Nikki: Hallo Pistol! Ja, natürlich gerne.

Pistol:  Gut, also zuerst interessiert mich die Geschichte der Band, also wann und wie hat alles begonnen?

Nikki: Ja, wir haben vor einigen Jahren die Band gegründet, ich denke mal es ist vier Jahre etwa her. In erster Linie war es wohl ein Projekt aus Leidenschaft, das unser Bassist Dan da ins Leben gerufen hat. Er hatte die Vision von Pagan und wollte unbedingt in einer Band spielen, die aus guten Freunden besteht, die er gleichzeitig wegen ihrer musikalischen Fähigkeiten liebt. Er kannte Matt, den Drummer, und Xavier, unseren Gitarristen, schon von ihrer alten Band. Dan und ich spielten in einer Punk-Band zusammen, na, so Riot Girl-mäßig. Und Dan liebt mein Songwriting und die Art, wie ich singe. Na ja, und so fragte er uns drei, ob wir nicht Lust hätten, sein Projekt umzusetzen. Von dem Moment an war es wie ein Schneeballprinzip, weißt du? Es wurde das daraus, was es heute ist und jetzt sitzen wir hier in Deutschland!

Pistol: Ja, das ist doch cool, oder?

Nikki: Ja, unglaublich. Das ist es wirklich!

Pistol:  Ich wurde auf Euch aufmerksam, weil ich Euer Album zum Bewerten bekommen hatte. Ja, und was soll ich lange reden? Ich gab Euch neun von zehn Punkten, da mich die Scheibe total geflasht hat!

Nikki: (total erfreut) Oh, mein Gott! Danke schön!

Pistol:  Ja, wirklich! Kannst Du das Album mal in Deinen eigenen Worten beschreiben? Die Bedeutung oder Nachricht, was wollt Ihr damit ausdrücken?

Nikki: Haha, die Message des Albums? Also, es geht im Wesentlichen um das Beenden (einer Beziehung), das klingt jetzt vielleicht kitschig, aber ich liebe gute Liebeslieder. Nein, es ist wirklich über meine unglückliche Beziehung. Ich wurde betrogen, und die Person, über die ich spreche, war ein absoluter Kontrollfreak. Im Prinzip war ich das Opfer und er der Meister. So habe ich das alles in den Texten verarbeitet, und glücklicherweise ist diese tragische Beziehung jetzt beendet. Natürlich gibt es in meinen Texten auch jede Menge Erfahrungen darüber, was es heißt, eine Frau zu sein, und die emotionalen Bereiche, in denen man sich bewegt; eben über Frauen, die Hormone und Gefühle und die Sichtweise darüber. Es kann als sehr negative Sache auf Leute wirken, wenn Dich manche Gefühle unberührt lassen. Ich finde, das kann aber auch sehr positiv sein, wenn man rau aber ehrlich und verwundbar ist.

pagan Pistol: Da stimme ich Dir zu. Aber nochmal zur Musik: Was mir am besten an Euren Songs gefällt, ist, dass man sie nicht wirklich einem bestimmten Genre zuordnen kann. Woher kommt das oder besser welche Einflüsse sind dahinter?

Nikki: Echt jetzt? Das ist cool! Hauptsächlich war es unser Wunsch, nicht zu klingen wie irgendeine spezielle Band. Wir wollten nicht in die Situation kommen, dass die Leute sagen, „Oh, das sind die nächsten Misfits“, zum Beispiel. Ich persönlich hasse diese Mentalität des Vergleichens. Wir haben sehr unterschiedliche Einflüsse, von französischer Popmusik über jazziges Schlagzeugspiel, ein paar poppige Gitarrenklänge, aber auch Heavy Sounds. Irgendwie haben wir aus diesen unterschiedlichen Geschmäckern und Vorlieben den Pagan-Sound kreiert. Und das Ergebnis klingt authentisch, weil wir so klingen, wie wir klingen wollen.

Pistol:  Wer ist denn für das Schreiben der Lieder und der Texte zuständig?

Nikki: Also, die Texte habe ich alle geschrieben, auch die Backing Vocals. Na ja, und die Kompositionen sind eine Zusammenarbeit von uns allen. Die Jungs kommen beispielsweise mit einem Gitarrenriff, dann schauen wir wie das Schlagzeug dazu passen könnte. Oder es gibt einen geilen Bass Lauf, gerade so, wie es aus uns heraussprudelt. Wir haben eigentlich keinen festgelegten Verlauf wie ein Song entsteht. Es ist jedes Mal anders, aber wenn dann die Melodie steht, nehmen wir zuerst ein Demo auf, und jeder nimmt es mit, um zu hören, was man vielleicht noch verbessern kann. Ja, und ich schreibe dann den Text dazu. Ich bin so ein wenig die Perfektionistin, und es braucht schon bis zu fünfzehn Entwürfen manchmal, bevor ich mit einem Song zufrieden bin. Zwischendurch höre ich mir dann schon einmal Podcasts an oder einfach andere Musik, oder schreibe Demos, wenn ich genügend Zeit dafür habe.

Pistol: Nun, das hört sich sehr zeitaufwendig an. Wie lange hat es denn gedauert, „Black Wash“ aufzunehmen?

Nikki: Eigentlich haben wir die Aufnahmen in fünf Tagen fertig gestellt, aber es kam uns ein persönlicher Notfall dazwischen. Das war jemand, der mit in das Album involviert war, und dadurch hat sich der Zeitplan geändert. So hat sich das Ganze etwas gesplittet, die Drums und der Bass wurden in zwei bis drei Tagen eingespielt. Dann konnten wie eine Woche später die Gitarren aufnehmen und wieder einige Zeit später meinen Gesang. Das meiste, was ich bisher eingesungen habe, waren vier Stücke an einem Tag. Für das Album hatte ich gedacht, auf fünf Songs zu erhöhen, weil ich mir ja auch nicht meine Stimme ruinieren wollte. Und dann bin ich ins Studio und habe zehn Lieder an einem Tag eingesungen. Also sind quasi zehn Stücke des Albums in einem Tag aufgenommen worden. Dann haben wir noch „Imitate Me“ für eine Single aufgenommen. Auf der B-Seite ist dann noch „Church Of The Black Wash“, aber die wurden ein paar Tage später aufgenommen. Aber die zehn Stücke an einem Tag waren der Hammer! Ich kroch wirklich auf dem Boden; gefühlmäßig und auch körperlich. Ich hole meine Stimme hauptsächlich aus dem Bauch, dementsprechend war mein Magen geschwollen und schmerzte wie die Hölle am nächsten Tag. Es war echt der Horror, und ich weiß echt nicht, wie ich das geschafft habe. Aber unser Produzent Mike Deslandes war echt phantastisch und hielt uns auf Hochspannung. Wir sind wirklich sehr glücklich, dass wir mit ihm arbeiten konnten.

paganPistol:  Was erwartet die Leute auf einer Pagan-Show?

Nikki: Jede Menge zu tanzen, eine Menge Prosecco auf der Bühne, haha! Nein, nimm das nicht zu ernst; einfach hinkommen und eine gute Zeit haben. Aber auch eine geschützte Zeit, ohne jemanden zu verletzen, einfach nur Spaß haben, und wir versuchen natürlich, einen guten Job zu machen.

Pistol: Etwas, an das man sich erinnern kann.

Nikki: Yeah!

Pistol: Was bedeutet eigentlich Euer Symbol, die Kerze aus dem kopfstehenden Kreuz? Jeder denkt, das ist ein Zeichen für Black Metal.

Nikki: Ja, eigentlich hat es gar keine wirkliche Bedeutung. Es ist einfach eine Grafik, die wir sehr mögen, und es ist unser Logo.

Pistol: Euer Standort ist ja Melbourne. Gibt es da überhaupt eine Szene für diese Art Musik?

Nikki: Definitiv ja! Dort sind eine Menge Metal-, Punk- und Hardcore-Bands, die direkt aus Melbourne kommen. Und wir haben viele wirklich sehr gute Venues dort, wo jede Menge Auftrittsmöglichkeiten sind. Es sind immer gute Gigs am Start, und es gibt eine große Punk- und Metal-Gemeinschaft. Und die beste Sache ist, dass die Leute sich auch untereinander helfen. Zum Beispiel wenn sie wissen, dass Du in Europa auf Tour gehst, haben sie Ratschläge für dich und Tipps oder Verbindungen, die Du nutzen kannst; gute Klubs oder wie du Geld sparen kannst, solche Sachen eben.

Pistol: Gut zu wissen! Wir bekommen ja nicht so viele Informationen darüber, was in Australien außer AC/DC und Rose Tattoo sonst noch so passiert, solange man sich nicht selbst darum kümmert.

Nikki: Haha, ja, genauso ist das!

Pistol: Viele Leute meinen, alle Bands aus Australien klingen genauso. Dabei gibt es dort so viele hervorragende Gruppen, wie zum Beispiel die hier auf meinem Shirt von Heaventheaxe, haha!

Nikki: Echt, ich kenne sie nicht, aber ich liebe es, das Du ein Shirt einer australischen Band trägst! Das ist superschön!

Pistol: Ich kenne auch eine Gruppe, wo der Sänger und Gitarrist aus Australien kommt und die Schlagzeugerin aus Dortmund. Sie heißen Powder For Pigeons. Aber es ist schwer, all diese Informationen zu bekommen, über die Vielzahl an guter Musik.

Nikki: Die kenne ich leider nicht, aber ja da stimme ich Dir zu, und ich bin wirklich überrascht. Bevor wir mit Kolari hier in Deutschland auf Tour gingen, waren wir in England mit einer jungen Band  aus Bristol. Und die erzählten uns jede Menge über die derzeit angesagteste Band in England. Sie sagten, „Ah, das sind 1975, und keiner von uns hatte je zuvor von denen gehört (ich auch nicht – Anm. des Verfassers). Ja, und sie konnten das nicht verstehen, dass wir noch nie davon gehört hatten. Schließlich wäre es die größte Band in England. Sie konnten das echt nicht glauben. Die große Distanz ist schon ein wenig unglücklich, denn es gibt so viele gute Gruppen in allen Ländern.

Pistol: Und wie hat euch England gefallen, also speziell das Publikum?

Nikki: Was jetzt, das englische Publikum?

paganPistol: Ja genau, sie sollen manchmal sehr abweisend sein, wenn ihnen etwas nicht gefällt. Früher wurden die Musiker teilweise bespuckt oder mit Dingen beworfen, wenn sie nicht den Nerv der Zuschauer trafen.

Nikki: Nein, sie haben uns ganz toll empfangen. Du kannst überall auf der Welt spielen. Klar gibt es Zuschauer, die sich nicht bewegen lassen. Aber wenn du das Publikum einmal geknackt hast, dann ist alles andere im Vergleich dazu ein Einfaches für mich, meinen Job zu machen. Nein, die englischen Zuschauer waren wirklich großartig zu uns; ohne Frage. Und gestern in Hamburg das deutsche Publikum erst recht. Eigentlich möchte ich Deutschland gar nicht mehr verlassen, haha!

Pistol: Okay, das ist doch gut. Mal was anderes: Heutzutage ist es ja recht schwer, mit Musik genug Geld zu verdienen, um davon auch leben zu können. Habt Ihr alle noch normale Jobs nebenher?

Nikki: Ja sicher, wir arbeiten alle noch ganz schön viel in unseren regulären Jobs. Außer Matt, der ist noch am Studieren. Glücklicherweise arbeite ich in einem künstlerischen und kreativen Bereich und werde dementsprechend auch unterstützt, wenn wir zum Beispiel auf Tour gehen möchten oder so. Es lässt sich schon ganz gut kombinieren.

Pistol: Gut, was macht denn so einen guten Tag bei Dir aus?

Nikki: Was ein guter Tag für mich ist? Wirklich, willst Du das wissen?

Pistol: Ja sicher!

Nikki: Natürlich erst einmal ein guter Wein, haha, mit Freunden zusammen sein. Dann wirklich gute Podcasts hören, Podcasts über wahre Verbrechen und so. Das sind auch meine Favoriten.

Pistol: Gibt es eine Frage, die Du gerne beantworten möchtest, aber die Dir noch nie gestellt worden ist?

Nikki: Oh hm, wie alt ich bin vielleicht, nein, nicht wirklich, haha! Ich bin dreißig Jahre alt. Aber das überrascht die Leute. Sie halten mich für jünger (dem kann ich nur beipflichten – Anm. des Verfassers)!

Pistol: Das glaube ich gerne, und eigentlich fragt man eine Frau ja auch nicht nach ihrem Alter.

Nikki: Ja, haha, aber warum eigentlich nicht? Weil mit dem Alter schließlich auch die Weisheit und das Vertrauen kommt. Alt werden ist doch toll, aber das sage ich jetzt, haha! Frag mich das nochmal in zwanzig Jahren, haha!

Pistol: Nun, ich denke, Alter ist nur eine Zahl, was zählt ist die Einstellung dazu. Eine gute Freundin von mir ist 71 Jahre alt, und sie ist immer noch auf der Bühne und rockt eine zweistündige Metal-Show!

Nikki: Ja, ganz genau! Da hast Du Recht! Aber das ist verdammt gut, total verrückt!

paganPistol: Die großen Bands wie Iron Maiden oder auch AC/DC sterben langsam aus. Was denkst Du, wer kann die Plätze neu besetzen?

Nikki: Oh, das ist schwierig zu beantworten für mich, da ich mich hauptsächlich in der australischen Musikszene auskenne. Da wirst du wahrscheinlich nicht so viele Bands kennen wie ich, aber sagen wir mal so: Die wirklich großen Bands bei uns wie Parkway Drive haben vielleicht das Potential dazu. Oder auch Polaris aus Sydney, die sind recht groß. Vielleicht auch die Architects oder 1975: Wer weiß das schon?

Pistol: Na klar kenne ich Parkway Drive. Das habe ich jetzt auch schon öfter gehört, dass man ihnen das zutraut. Gut, dann bedanke ich mich für Deine Zeit. Möchtest Du unseren Lesern noch etwas sagen?

Nikki:  Wenn Du jemand bist, der zu einer Minderheit gehört, oder meint, dazu zu gehören, egal in welcher Hinsicht: weil Du ein Mädchen bist oder Dich vielleicht in keine der klassischen Geschlechterrollen wieder findest. Bist du ein Teil der Transgender Gemeinschaft, ganz egal warum, dann steige in eine Band ein, und Du wirst von den meisten Leuten in der Szene akzeptiert werden! Das ist der Grund, warum ich es auch mache!

https://www.facebook.com/pagancult666/

https://pagancult.bandcamp.com/



Autor: Pistol Schmidt