EVANGELION - Ein gewollter Kontrast zu der auf böse getrimmten Trve Black Metal-Szene!


Gut Ding will Weile haben! Über zwanzig Jahre nach der Gründung 1998 erschien nun erst die Debüt-EP „Sacro Macello“ des Schweizer Black-/Doom Metal-Projektes Evangelion auf CD. Enthalten sind lediglich zwei reguläre Tracks und ein Ambient-Instrumental, welches quasi als Outro funktioniert, am Schluss. Was zunächst unspektakulär wirkt, wächst aber mit jedem weiteren Hören. Evangelion besticht mit Düsternis und beklemmender Atmosphäre. Wer genau hinter diesem Projekt steckt und warum alles so lange gedauert hat, erklärt uns Namensgeber Evangelion höchstpersönlich.

logoDaniel: Hi Evangelion! Bitte erzähl uns doch zunächst, wann und wie das Projekt Evangelion entstanden ist!

Evangelion: Hi Daniel! Der Grundstein wurde circa 1998 gelegt. Zu dieser Zeit war es aber noch ein namenloses Projekt. Da habe ich die ersten Songs geschrieben. Im Engadin, einem Tal in der Schweiz in dem Metal-Musik nicht wirklich stattfindet, konnte ich aber dazumal keine geeigneten Musiker finden, um meine Vision umzusetzen. Also blieb es nur bei einigen Demoaufnahmen, Notizen und Ideen zu Melodien, Riffs usw. Mit der Zeit habe ich diese aber vergessen; da ich natürlich neue Sachen gemacht habe und Musikalisch die nächsten Schritte gegangen bin.
Als ich 2017 bei einem Umzug diese Demos wiederentdeckt habe, hat mir dieser Neunziger Jahre-Spirit, den die Songs transportiert haben, sehr gefallen. Ich habe dann die Arbeit daran wieder aufgenommen und mich entschieden, das Ganze unter meinem Pseudonym Evangelion laufen zu lassen. Evangelion als Pseudonym, und später als Bandnamen, zu benutzen, rührt daher, dass es übersetzt „gute Botschaft/Siegesnachricht“ bedeutet, und sich auf meine klare Stimme und auch das textliche Konzept bezieht. Da beides im Black Metal eher unüblich ist, hat sich so ein gewollter Kontrast zu der auf böse getrimmten Trve Black Metal-Szene ergeben.

Daniel: Warst Du zuvor schon in anderen Bands aktiv?

Evangelion: In den letzten zwanzig Jahren war ich an mehreren unterschiedlichen Projekten beteiligt und lange Zeit in Death Metal Bands aktiv. Namen will ich jetzt aber keine nennen.

Daniel: Die Band heißt genauso wie Dein Pseudonym: Evangelion. Bedeutet dies gleichzeitig, dass es sich dabei auch um Dein Soloprojekt handelt?

Evangelion: Ja, da ich die ganze Musik und Texte schreibe und das ganze Konzept entwickelt habe, sehe ich das Projekt Evangelion als mein Ego-Mobil.

Daniel: Bei Metal Archives ist zu lesen, dass Du noch zwei Mitmusiker hast: Ainga an Gitarre und Bass und Dominik am Schlagzeug. Sind sie demnach nur Session-Musiker oder tatsächlich fester Bestandteil der Band?

Evangelion: Ich schreibe die Parts aller Instrumente selber, aber meine Fähigkeiten an Gitarre und Drums reichen nicht für Aufnahmen aus. Deshalb habe ich dies an bessere Musiker ausgelagert. Ich notiere die Noten aller Instrumente in einem Programm und sende sie an die Leute die es dann einspielen. Ainga und Dominik sind also Söldner, konnten aber auch ihre Ideen einbringen, und sie haben sehr gute Arbeit geleistet. Falls möglich, werde ich also auch in Zukunft mit ihnen zusammenarbeiten.

Daniel: Welche Bands haben die Musik von Evangelion beeinflusst?

Evangelion: Ich konnte den Beginn der zweiten Black Metal-Welle aus Norwegen und Schweden als Teenager in den Medien mitverfolgen, und dies hat mich in meiner rebellischen Phase sehr geprägt. Musikalisch waren es dazumal sicher Dawn, Dissection und Mayhem, aber auch Doom-Death Bands wie My Dying Bride, Paradise Lost und Katatonia oder melodisches, wie zum Beispiel Blind Guardian. Ich habe mich schon immer für ziemlich viele Musikstile interessiert, so dass ich parallel alles quer von Rock über Prog-, Death- und Tech-Zeugs gehört habe. Vor allem haben mich Kombinationen mehrerer Stile fasziniert. Später ist dann auch Klassik, Jazz und Avantgardistisches dazu gekommen. Alles das hat und wird seine Spuren im Songwriting hinterlassen. Textlich waren mir die „Hail Satan“-Plattitüden schon immer zu billig. Ich wollte eher philosophische, literarische und geschichtlichen Themen verarbeiten. Ob nun jemand meint, dass Evangelion weder richtiger Black- noch Doom Metal sei, weil die Texte nie „Satan“ oder zu oft „Gott“ enthalten oder die Musik zu langsam oder zu melodisch ist, ist mir ziemlich egal! Niemand schreibt mir vor, wie meine Musik zu tönen hat, nur damit sie einem Genre zugeordnet werden kann! Und was für ein Musikstil eignet sich denn besser für die Untermalung von einem Religionskrieg als eine Mischung aus Black- und Doom Metal?

Daniel: Worum geht es genau in Deinen Texten? Gibt es eine bestimmte Kernaussage oder Ähnliches?

Daniel: Die Idee in den Texten den 30-Jährigen Krieg zu thematisieren, war eigentlich schon vor der Musik da. Die Schlachten in und um unsere Region haben den Kanton Graubünden politisch maßgebend bis heute geprägt und geformt. Meine Texte basieren auf historischen Fakten, aber ich nehme mir die Freiheit, selber Geschichten dazu zu erfinden, auch aus dramaturgischen Gründen. Der erste Song auf der EP handelt von der ersten Schlacht auf Graubündner Boden in Zusammenhang mit dem 30-Jährigen Krieg, dem „Sacro Macello“ im Jahre 1620, in dem die Katholiken die Reformierten im Veltlin abgeschlachtet und aus dem Tal vertrieben haben. Der protestantische Pfarrer Jürg Jenatsch konnte fliehen, hat nachher eine politische und militärische Laufbahn eingeschlagen und konnte als regionale rechte Hand der Franzosen (durch Intrigen, Morde und sogar durch eine Konversion zum von ihm verhassten Katholizismus), die Aufteilungen und Zugehörigkeiten der einzelnen Regionen steuern. In „Signum Sanguis“ zelebriere ich einen fiktiven Rache-Blutschwur, den Jürg Jenatsch höchstwahrscheinlich abgelegt hat. Obwohl „Proclamation“ keinen Text hat, symbolisiert die Atmosphäre eine langsam aufziehende Bedrohung die zum einem großen Umschwung führen wird.

evangelionDaniel: Wenn man sich den Werdegang von Evangelion angeht, dann ist bislang nur sehr wenig passiert. Obwohl es die Band seit 1998, also schon seit über zwanzig Jahren, gibt, gibt es bislang nur eine Mini-CD; mehr nicht! Woran liegt das? Wie viel Zeit investierst Du tatsächlich für Evangelion? Hast Du dieses Projekt überhaupt die ganze Zeit und regelmäßig betrieben?

Evangelion: Wie gesagt, haben die Songs die letzten zwanzig Jahre geruht, und ich habe andere musikalische Wege verfolgt. Ich sehe jetzt aber Evangelion als mein Hauptprojekt an. Ich habe schon einige neue Songs komplettiert und beginne bald die Terminplanung für die ersten Aufnahmesessions.

Daniel: Bist Du schnell unzufrieden oder sehr pingelig, um es um das Schreiben von Songs geht? Oder wieso kamen letztendlich nur drei Tracks für die CD heraus?

Evangelion: Nach der Wiederentdeckung der Demos habe ich von Anfang an als erstes Lebenszeichen nur eine EP geplant. Ich habe dann die zwei Songs ausgewählt, die kompositorisch am weitesten fortgeschritten waren und diese dann komplettiert. Das Ambient-/Ritual-Stück am Schluss war eigentlich für etwas anderes gedacht, aber im Kompositionsprozess hat es auf einmal atmosphärisch ins Konzept gepasst, und ich habe es dann auch auf die Scheibe gepackt - auch um zu zeigen, dass Evangelion sich nicht nur auf Black-/Death-/Doom Metal reduzieren lassen können. Auf den gefundenen Demos gibt es aber noch jede Menge Riffs und Melodien, die ich durch neue Ideen ergänzen und zu Songs machen kann.

Daniel: Wie lange hat es gedauert, bis die drei Songs der CD geschrieben waren? Und gab es vielleicht noch viel mehr Songs, die Du gar nicht verwendet oder sogar wieder komplett verworfen hast?

Evangelion: Da ich auf vorhandene Ideen zurückgegriffen habe, ist das schwierig zu beantworten. Bei den zwei Songs auf der EP habe ich hauptsächlich bei den Arrangements und Texten Anpassungen vorgenommen, der Rest war bereits fertig. Der Kompositionsprozess ist allgemein unterschiedlich, gewisse Songs nehmen innerhalb von wenigen Stunden eine fast finale Form an, sogar wenn sie komplex sind. Andere Ideen liegen lange herum und warten auf ihre Vervollständigung. Wenn ich die Texte und Gesangslinien ausarbeite, ändert sich meistens auch noch die ein oder andere Melodie, und manchmal entsteht sogar etwas Neues, das ich so gar nicht geplant hatte. Und schon geht es von vorne los...

Daniel: Wo hast Du die CD „Sacro Macello“ aufgenommen? Und wer hat produziert?

Evangelion: Den Gesang habe ich in meinem Home Studio aufgenommen, auch Gitarren und Bass hat Ainga bei sich zuhause aufgenommen. Die Aufnahmen der Drums und das Reamping der Gitarren hat dann Mario Dahmen in seinem Liquid Aether Studio vorgenommen. Auch Mix und Mastering habe ich von Mario machen lassen. Wenn man in diesem Zusammenhang von Produzieren sprechen will, kann man es so umschreiben, dass ich Mario meine Soundvorstellungen mitgeteilt habe, und er hat es dann mit dem Mix so umgesetzt. Das Ziel war es den Old School Melodic Black Metal-Sound der Neunziger zu reproduzieren, aber doch mit einem aktuellen Touch. Ich denke, das hat Mario auch wunderbar hingekriegt.

Daniel: Ich finde das Artwork sehr geil. Von wem stammt es? Und wie bist Du mit dem Künstler in Kontakt gekommen?

Evangelion: Bei den Recherchen zum „Sacro Macello" bin ich in einem Buch auf dieses Bild gestoßen und habe dann erfahren, dass es in der Kantonsbibliothek in Chur aufzufinden ist. Es ist ein Ausschnitt einer Xylographie von Gustave Roux (1828 – 1885) und ist eine historische Darstellung vom erwähnten Blutbad im Veltlin 1620. Ich durfte es in Absprache mit der Kantonsbibliothek fotografieren und für das Cover benutzen. Wahrscheinlich zeigt es Giacomo Robustelli, wie er, das Kreuz hebend, die Söldner zum Abschlachten der Protestanten im Namen Gottes antreibt.

Daniel: Wie bist Du mit dem Label Auric Records in Kontakt gekommen, welches die CD veröffentlicht hat? Und kanntest Du das Label vorher schon?

Evangelion: Zu Auric bin ich durch meine Zusammenarbeit mit Wacht und Mario gekommen. Den Namen hatte ich schon auf dem Schirm, da Labelführer Eugenio auch die Sachen seiner Band Excruciation dort rausgebracht hat. Ich bin sehr zufrieden mit der Promo-Arbeit und auch der super Kommunikation.

Daniel: Wird es von der EP auch eine Vinyl- und/oder Kassettenversion geben? Ist das irgendwas in Planung?

Evangelion: Im Moment ist in dieser Hinsicht nichts geplant. Kassetten halte ich für ein minderwertiges Format, dann eher Vinyl. Das Cover kommt in Großformat sicher gut.

Daniel: Spielst Du mit Evangelion eigentlich auch live? Oder handelt es sich dabei um ein reines Studioprojekt?

Evangelion: Live habe ich, ehrlich gesagt, nicht vor zu spielen. Ich möchte mich momentan eher auf die kreative Seite konzentrieren und mich im Studio austoben.

Daniel: Neben Evangelion bist Du seit 2018 auch bei den Black Metallern Wacht als Clean-Sänger aktiv und auf dem neuen Album „La Mort“ zu hören. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit? Und warst Du beim Songwriting des Albums auch involviert? Oder bist Du nur  zum Einsingen ins Studio gegangen?

evangelionEvangelion: Bei Wacht habe ich auf den letzten zwei Alben als Gast den Clean-Gesang beigetragen. Ich kenne Steynsberg seit zwanzig Jahren, und als er einen geeigneten Sänger für seine rätoromanischen Texte gesucht hat (eine alte vom Latein abstammende Sprache, die nur noch in Graubünden und eben dem Engadin und in Teilen vom Südtirol gesprochen wird), habe ich das gerne übernommen.
„La Mort“ ist ein spezielles Album, da alle Songs nur aus Piano und Stimme bestehen. Steynsberg hat die Musik und Texte geschrieben, und ich habe dazu die Gesangslinien komponiert. Auch hier habe ich meinen Gesang bei mir im Home Studio aufgenommen. Unser Ziel war es, die Aussage der Texte mit den Gesangslinien so gut wie möglich zu übertragen und an die Atmosphäre der Musik anzupassen. Es ist ja eine Art Konzeptalbum über den Tod, und alles ist relativ ruhig und nachdenklich gehalten, obwohl ich immer wieder ausdrucksstarke Ausbrüche eingebaut habe. Ich habe auch bei jedem Song einen etwas anderen Ansatz beim Schreiben der Gesangslinien gewählt. Gewisse Songs sind improvisierte First Takes, wiederum andere bis ins Detail durchgeplant, oder ich habe die Stimme mit Effekten verfremdet. Es ist ein sehr spezielles und spannendes Album geworden, bei dem ich viele Freiheiten hatte und somit eine Menge unterschiedliche Facetten meiner Stimme zeigen konnte.

Daniel: Bist Du eigentlich nun festes Mitglied bei Wacht, oder war das eine einmalige Angelegenheit?

Evangelion: Da auf „La Mort“ neben dem Piano nur noch meine Stimme zu hören ist, werde ich zum festen Line-Up dieser Scheibe gezählt. Ansonsten bin ich lediglich Gast-Sänger.

Daniel: Wie sehen Deine Zukunftspläne mit Evangelion und Wacht aus?

Evangelion: Mit Evangelion ist es klar: Ich arbeite intensiv an neuen Songs für das Debut-Album. Bei Wacht kommt es immer darauf an, was Steynsberg gerade plant und ob er für mich etwas vorsieht.

Daniel: Na gut, Evangelion! Dann gehört Dir noch das Schlusswort!

Evangelion: Danke für das Interesse! Und ihr könnt euch schon mal auf ein ketzerisches Debüt-Album vorbereiten!

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Autor: Daniel Müller